Deutsch-russische Beziehungen: Maas wirbt für den INF-Vertrag
Bei seinem Moskau-Besuch versucht der Außenminister, seinen Amtskollegen Sergej Lawrow für eine Rettung des Abkommens zu gewinnen.

In dieser Gemengelage reiste Außenminister Heiko Maas am Freitag zu seinem Amtskollegen Sergej Lawrow zunächst nach Moskau. Vormittags standen Russland, am Nachmittag Kiew und die Ukraine auf der Tagesordnung. Dieses Reisesplitting hat sich nach der Besetzung der Krim und dem Krieg in der Ostukraine herauskristallisiert. Die Symbolik zählt.
Lawrow und Maas sprachen zunächst 45 Minuten unter vier Augen. Neben der Aufkündigung des INF-Vertrags über Kurz- und Mittelstreckenraketen durch die USA standen auch die Ukraine und Syrien auf dem Programm.
Wichtigster Anlass für Maas dürfte unterdessen das nahe Auslaufen des US-Ultimatums zum INF-Vertrag Anfang Februar gewesen sein. „Wir sind der Auffassung, dass Russland den Vertrag retten kann“, sagte Maas.
Gegen den Vertrag verstoßen
Die USA forderten Russland zur Abrüstung von Marschflugkörpern auf. Alle Nato-Staaten waren sich darin einig, dass Russland bereits seit Jahren gegen den Vertrag verstoße. Schon vor sechs Jahren hatte der damalige US-Präsident Barack Obama an Moskau appelliert, die Bedenken über den INF-Vertrag aus dem Weg zu räumen. Der Kreml reagierte nicht.
Der Vertrag verbietet Bau und Stationierung landgestützter Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern. Wegen der geringen Reichweite gelten die Waffen als besonders gefährlich, da sie dem Gegner zum Reagieren kaum Zeit lassen.
Lawrow wies den Vorwurf des Vertragsbruchs am Freitag denn auch zurück und forderte die USA auf Beweise vorzulegen. Moskau habe es nicht nötig, gegen den Vertrag zu verstoßen. Bei seinem Abschluss 1987 hätte es noch keine luft- und seegestützten Marschflugkörper gegeben.
Lawrow bezeichnete das Moskauer Vorgehen daher als legitim. Ohnehin würden die USA selbst Kurz- und Mittelstreckenwaffen entwickeln, sagte der Außenminister. 60 Tage Aufschub hatte Donald Trump im vergangenen November bis zur Kündigung des Vertrags eingeräumt.
Größerer Spielraum
Moskau glaubt nicht daran, den Vertrag noch retten zu können. Es fürchtet auch die Wiederaufrüstung nicht so sehr wie die Europäer und vor allem Deutschland. Für Russland bedeutet das Vertragsende eher größeren rüstungstechnologischen Spielraum und neue Freiheiten.
In der Gefahrenzone befände sich Deutschland. Der Protest, der von der Zivilbevölkerung in der Mitte Europas zu erwarten wäre, käme ohnehin Moskauer Interessen entgegen, dem an einer Schwächung der europäischen Demokratie gelegen ist. Russland weiß um die Ambivalenz zwischen Westbindung und Ostverbundenheit in Deutschland, das sich nach einem Russland sehnt, das es höchstens als einen literarischen Entwurf gibt.
Besonders engagiert klang der russische Außenminister nicht, auch wenn er doppelt so viel Zeit wie Heiko Maas für Antworten in Anspruch nahm. Lawrow klang müde und uninspiriert. Er erweckte den Anschein, weder in Eile noch in Not zu sein. Sich als Friedensmacht präsentieren zu können, sagt Moskau zu. Die Isolation von außen sichert die Macht im Innern.
Dennoch lud Maas die internationale Staatenwelt im Frühjahr nach Berlin ein. Es soll an dem Entwurf einer neuen Sicherheitsarchitektur gearbeitet werden.
Herkömmliche Linie
Auch im Ukrainekonflikt wich der russische Außenminister nicht von der herkömmlichen Linie ab. Nach Kompromissen sieht es im Kreml nicht aus. Auch nicht im Asowschen Meer, wo im November ukrainische Marinesoldaten an der Durchfahrt durch die Straße von Kertsch gehindert und festgenommen wurden.
Deutschland und Frankreich regten unterdessen an, die freie Durchfahrt zu dokumentieren. Lawrow konnte sich dafür nicht erwärmen. Putin hätte schon vor einem Monat Experten aus Frankreich und Deutschland eingeladen, die Lage zu begutachten. Dennoch sei nichts geschehen, sagte er.
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