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Deutsch-österreichischer DoppelgängerDer falsche Kurz

Für ein neues Talk-Format hat Welt-TV Sebastian Kurz eingeladen – den falschen. Der ist zwar auch Politiker, aber nicht „Austrias Next-Top-Kanzler“.

Der „richtige“ Sebastian Kurz Foto: Martin Juen/photonews/imago

B ei Springer planen sie dieser Tage wieder einen Vorstoß ins Polit-Talk-Geschäft. Nachdem Bild in Sachen „Wir können auch Fernsehen“ zurückgesteckt hat, ist jetzt Welt TV am Zug. Welt-Chefredakteur Jan Philipp Burgard moderiert demnächst ein Format, das originellerweise genau wie er heißt. Womit wohl die Anschlussfähigkeit an „Maischberger“, „Illner“ usw. demonstriert werden soll.

Die Latte liegt also hoch, weshalb sie bei „Burgard“ auch gleich nen richtigen Promi eingeladen haben. Der heißt Sebastian Kurz, war schon zweimal ÖVP-Bundeskanzler von Österreich und ist wegen Korruptionsvorwürfen derzeit in die freie Wirtschaft umgestiegen. Hintergrund ist die sogenannte „Inseratenaffäre“, bei der die Kurz-Regierung sich für üppige Anzeigenschaltung genehme Presse-Berichterstattung gekauft haben soll. Die Ermittlungen laufen noch, es gilt die Unschuldsvermutung.

Übrigens auch für das „Burgard“-Team, das sich den Lapsus geleistet hat, den falschen Sebastian Kurz einzuladen. Kurz 2 ist zwar auch politisch unterwegs, aber nicht als „Austrias Next-Top-Kanzler“, sondern als Bürgermeister von Aichtal in Baden-Württemberg. Der andere Kurz fühlte sich durch die nicht für ihn gemeinte Einladung dennoch geehrt, wie über seine Social-Media-Kanäle mitteilte. Und als CDU-Mitglied bekommt er im Welt-Kosmos bestimmt bei einer anderen Sendung nochmal ne Chance. „Welt TV interessiert sich nicht nur für den österreichischen Blick von Sebastian Kurz auf die Weltpolitik, sondern auch für die schwäbische Perspektive von Sebastian Kurz auf die Bundespolitik“, teilte Springer jedenfalls den Kol­le­g*in­nen vom Medienmagazin dwdl mit. „Spannend wird es auch, wenn Jan Burgard 2 mit Strategien der Automobilindustrie das Team des neuen TV Formats berät“, meint die Mitbewohnerin.

Kurz 2 ist zwar auch politisch unterwegs, aber nicht als Austrias Next-Top-Kanzler, sondern in Baden-Württemberg

Ganz so glimpflich ging eine andere Verwechslungsnummer kurz vor den Wahlen in New York nicht aus. Sie spielt bei der altehrwürdigen Londoner Times, die erstaunliches über die Bürgermeisterwahlen letzten Dienstag zu berichten hatte. Danach hatte der ehemalige demokratische Bürgermeister, Bill de Blasio, den späteren Sieger, Zohran Mamdani, bisher immer unterstützt. Doch dann kam laut Times die überraschende Wende. De Blasio, von der Zeitung per E-Mail kontaktiert, hielt plötzlich nicht mehr viel von den Plänen seines Parteikollegen. Sie seien nicht zu finanzieren und politisch kaum umzusetzen. Der Kehrtwende war eine kleine Sensation.

Und des Rätsels Lösung für die Times mehr als peinlich. Denn sie hatte nicht den Ex-Mayor de Blasio erreicht, sondern einen gleichnamigen Weinhändler aus Long Island. Der hatte die Schnapsidee, professionell zu antworten und den Text durch eine KI gejagt, damit sich die Replik auch echt las. Die Times hat’s geschluckt. Bei CNN trafen beide de Blasios letzte Woche zum netten Schwatz („Sie haben sogar die gleiche Frisur!“) aufeinander. Wäre auch ein Modell für Welt TV mit Kurz & Kurz.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

2 Kommentare

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  • Namensgleichheit ist ein unterschätztes Phänomen.

  • Es wurde auch schon mal der falsche Gerhard Schröder eingeladen. Es sollte der aufstrebende Sozialdemokrat aus Hannover sein, war aber der ehemalige Außenminister von der CDU aus Schleswig-Holstein. Ich weiß nicht mehr, wer das interviewte und davon öffentlich berichtete, doch es soll dennoch sehr interessant gewesen sein.