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Desiderius-Erasmus-StiftungÜppig geförderter Faschismus

Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung ist von Rechtsextremen durchsetzt. Ihr stehen Fördergelder von bis zu 70 Millionen Euro pro Jahr zu.

Desiderius Erasmus, gesehen von Hans Holbein dem Jüngeren Foto: gemeinfrei

A ls neulich der blau-kackbraune Balken am Wahlabend auf den Bildschirmen der Republik bei ungefähr zehn Prozent stehen blieb, war klar: Deutschland hat ein Problem mit dem völkischen Rechtsextremismus (sorry, old news) und (surprise!) es wird in den kommenden vier Jahren weiter wachsen. Mit dem Wiedereinzug der rechtsextremen AfD in den Bundestag hat der reloaded deutsche Faschismus laut geltenden Gesetzen und politischer Praxis einen Anspruch auf eine üppige Förderung einer eigenen parteinahen Stiftung, die die AfD natürlich längst gegründet hat.

Der sogenannten Desiderius-Erasmus-Stiftung stehen laut Recherchen bis zu 70 Millionen Euro pro Jahr zu. Führerin dieses gefährlichen Vereins ist Erika Steinbach. Die ehemalige CDU-Politikerin ist bereits mit romantisierenden Aussagen zu den Verbrechen des Nationalsozialismus, mit völkischen Ansichten und einem grundsätzlich rassistischen und antisemitischen Weltbild aufgefallen. Steini ist also wie geschaffen für die AfD. Aus der Steinzeit stammt auch Desiderius Erasmus von Rotterdam. Okay, er lebte im Mittelalter, aber das macht den Witz jetzt nicht schlechter.

Desiderius Erasmus ist ein niederländischer Theologe, der mit antijüdischen Gedanken in die Archive eingegangen ist. Erasmus klingt so ein bisschen nach Abendland, ist im Grunde Camouflage: Cleverer Schachzug. Adolf-Hitler-Stiftung geht ja (noch) nicht, wenn man 70 Millionen Euro kassieren will. Und das, obwohl Hitler-Stiftung ironiefrei-programmatisch besser passen würde, denn die AfD-Stiftung ist von Rechtsextremen durchsetzt und wird somit noch mehr völkisches Gedankengut unters deutsche Volk bringen. Über ein Stipendienprogramm, politische Bildung und das Abzweigen von Steuergeldern für gewaltbereite White Supremacy wird sie Deutschland wieder straight in die Vergangenheit befördern.

Historische Chance

In der Verantwortung stehen neben den politischen Ent­schei­dungs­trä­ge­r*in­nen nun auch die Stiftungen, die den anderen Parteien nahestehen: Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne), Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP), Hans-Seidel-Stiftung (CSU) und Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke). Sie haben jetzt die historische Chance, ihre gern gepriesene demokratische Agenda endlich mal konkret umzusetzen.

Es braucht ein gemeinsames Sit-in dieser Stiftungen vor dem Bundestag, dem Bundeskanzlerinnenamt, dem Auswärtigen Amt, dem Justiz- und Bildungsministerium, den Staatskanzleien in den Bundesländern, den ihnen nahestehenden Parteizentralen: an allen Orten also, wo das geltende Recht so angepasst werden könnte, dass Nazi-Erika von der Hitler-Stiftung keinen Cent für ihr völkisches, rassistisches, menschenfeindliches, kackbraunes Projekt bekommt. Solange die entsprechenden Gesetze nicht angepasst werden, sollten die anderen Stiftungen gemeinsam in den Dauerstreik.

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Mohamed Amjahid
Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen. Im September 2024 erscheint sein neues, investigatives Sachbuch: "Alles nur Einzelfälle? Das System hinter der Polizeigewalt" ebenfalls bei Piper.
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8 Kommentare

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  • 8G
    87542 (Profil gelöscht)

    Man muss schon gewaltig bildungsfern unterwegs sein, wenn man Erasmus auf das Thema Antisemitismus reduzieren will. Blöd genug, dass die AfD sich auf ihn beruft und eigentlich eine Schande ersten Ranges und pure Ironie. Das macht aber freilich die platte Polemik nicht wett. Einmal mehr gibt sich die taz als Bild für Links. Bin froh, dass ich das Abo gekündigt habe.

  • "Desiderius Erasmus ist ein niederländischer Theologe, der mit antijüdischen Gedanken in die Archive eingegangen ist."



    Unter anderem. Unter vielem anderen.



    Ein Kind seiner Zeit. Muss man nicht gut finden, aber ihn darauf zu reduzieren, wird ihm nicht gerecht.

    Warum er mit seiner christlich-katholischen Überzeugung von der AfD als geeigneter Namensgeber angesehen wird, ist mir nicht verständlich bzw. nur wenn man ihn wie üblich als bürgerliches Feigenblatt ansieht.

    • @Encantado:

      ...zumal der Vorwurf von jemandem kommt, der vor kurzem noch eine Frau verteidigt hat, die bei antisemitischen Demos dabei war und sich später davon distanziert hat (also auch nicht auf diesen Akt reduziert werden will):

  • "...wo das geltende Recht so angepasst werden könnte, dass Nazi-Erika von der Hitler-Stiftung keinen Cent für ihr völkisches, rassistisches, menschenfeindliches, kackbraunes Projekt bekommt"

    Wie soll das gehen? Wollen Sie einen Gesinnungs-Tüv für Parteistiftungen? Glauben Sie, das ist mit der in unserer Verfassung garantierten Meinungsfreiheit vereinbar?

    Natürlich ist das sehr unschön, dass die staatliche Gelder bekommen, aber ich sehe nicht wirklich gute Möglichkeiten, die dann nicht Bauch die wichtige Arbeit der anderen Stiftungen gefährden. Es gehört wahrscheinlich zur Demokratie dazu, dass man mit so etwas leben können muss, wenn solche Parteien gewählt werden

    • @Ruediger:

      Meinungsfreiheit gilt aber nicht grenzenlos, sondern endet bei Volksverhetzung und Faschismus. Deshalb wurde beispielsweise die SRP, die die Nachfolge der NSDAP in der BRD antreten wollte verboten.



      "Es gehört wahrscheinlich zur Demokratie dazu, dass man mit so etwas leben können muss"



      Nicht wenn "so etwas" eine ultra-rechte und in nicht wenigen Teilen nationalsozialistische Partei ist. Wenn die einmal gewählt werden wars das nämlich mit der Demokratie und das kann je nach politischer Großwetterlage sehr schnell gehen. Bei der Reichstagswahl 1928 stand die NSDAP bei gerade mal 2,6% vier Jahre später war sie mit 37,3% stärkste Kraft. Es gibt also gute Gründe diesem Verein Grenzen zu setzen solange es möglich ist.

      • @Ingo Bernable:

        "Meinungsfreiheit gilt aber nicht grenzenlos, sondern endet bei Volksverhetzung und Faschismus. Deshalb wurde beispielsweise die SRP, die die Nachfolge der NSDAP in der BRD antreten wollte verboten."



        ...was auf die AfD und deren Stiftung (bislang zumindest) nicht zutrifft. Und so einfach ist das auch nicht, siehe NPD, die's ja leider auch immer noch gibt.

        "Wenn die einmal gewählt werden wars das nämlich mit der Demokratie..."



        Sie wurden jetzt schon zum zweiten Mal in den Bundestag gewählt (leider) - soweit ich das mitgekriegt hab, ist Deutschland nach wie vor demokratisch...

        • @Encantado:

          "Sie wurden jetzt schon zum zweiten Mal in den Bundestag gewählt (leider) - soweit ich das mitgekriegt hab, ist Deutschland nach wie vor demokratisch..."



          Ich wohl tatsächlich explizit erklären müssen, dass "wenn sie gewählt werden" sich auf einen Wahlsieg bezieht, dass aus dem Kontext des NSDAP-Wahlsiegs von 1928 abzuleiten ist dann doch etwas zu viel der intellektuellen Überforderung.



          Es gibt sowohl in inhaltlicher Hinsicht, als auch in Bezug auf historische Bezugnahme nun wirklich mehr als genug Belege für die ideologische Verortung der AfD. Die entsprechenden Entgleisungen wurden allesamt breit in den Medien rezipiert, so dass ich diese Widerlichkeiten hier kein weiteres Mal zitieren werde. Was also veranlasst sie diesen braunen Sumpf hier als normale, demokratische Partei darstellen zu wollen?

    • RS
      Ria Sauter
      @Ruediger:

      DAS ist das Problem, die Annahme damit leben zu müssen.



      Hier wäre Haltung gefragt und zwar sofort, von Politik und den anderen Stiftungen. Allerhöchste Zeit darübet nachzudenken ob man diese Stiftungen abschaffen kann.