Derblecken am Nockherberg: Dem Vater des Vaterlands

Das anbiedernde Kabarett auf dem Münchner Nockherberg ist ein trauriges Beispiel bayerischer Volkskultur. Dagegen hilft nur Starkbier.

Markus Söder, lachend

Da lacht der Strizzi – Kritik ist nicht zu erwarten Foto: dpa

Dass Bayern anders ist als ein hundsgewöhnliches Bundesland, darauf sind viele im sogenannten Freistaat sakrisch stolz. Wie dieses Anderssein aussehen kann, ist zu beobachten, wenn die Starkbierprobe auf dem Nockherberg in München übertragen wird.

Und es ist ja auch wahr. So etwas wie dieses Spektakel ist anderswo nicht vorstellbar. Nicht weil das Starkbier, das zur Fastenzeit in München ausgeschenkt wird, so stark ist, sondern weil sich da so schön sehen lässt, wer das Sagen hat in diesem Land.

Das „Derblecken“, das im Zentrum der Anstichzeremonie steht, ist über die Grenzen des Fleisch- und Anti-Gender-Äquators hinaus bekannt. Diese Tradition des Verarschens von Politikern ist ein besonders trauriges Beispiel der bayerischen Volkskultur.

In der Fastenpredigt und dem anschließenden Singspiel werden seichte Witzchen über Politiker gemacht, harmlose Parodien vorgeführt, die ein bisschen kratzen, aber gewiss niemanden wehtun. Am Ende zählt sowieso nur, ob es dem Chef der Paulaner-Brauerei gefällt. Jener Andreas Steinfatt ist der Zeremonienmeister und Chefzensor der Veranstaltung, die meist nicht länger als eine Stunde dauert, aber vom Bayerischen Rundfunk zu einer Sendung von satten drei Stunden aufgeblasen wird.

Überhaupt die Gäste!

Genug Zeit, sich genauer anzuschauen, was sich die Gäste in diesem Jahr an Geschmacksverirrungen von ihren Trachtendealern haben aufschwatzen lassen. Überhaupt die Gäste! Die sind handverlesen, Münchner Patriziertum und Geschäftspartner der Paulaner-Brauerei. Für das Publikum ist die Starkbierbrobe kein kulturelles Ereignis, sondern ein Geschäftstermin.

„Die Starkbierprobe“, Samstag, 20.15 Uhr, BR

Im Mittelpunkt dieser öffentlich-rechtlichen Dauerwerbesendung für die Nationaldroge Bier steht das Überreichen der ersten Mass des Abends an den Bayerischen Ministerpräsidenten. „Salve Pater Patriae!“, sagt dann der Brauereichef zu Markus Söder. Der lässt sich gewiss gerne als Vater des Vaterlands bezeichnen. Ein wahrhaft gruseliges Ereignis und genau deshalb wirklich einmalig. Nach Coronapause und kriegsbedingter Absage im vorigen Jahr gibt es nun endlich eine neue Folge dieser bayerischen Horror-Show. Prosit!

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