Der unaufgeklärte Tod von Rita Ojungé: Zu wenig, zu spät

Geflüchtete Frauen protestieren für Aufklärung im Fall Ojungé. Der Verein Opferperspektive kritisiert die Staatsanwaltschaft Cottbus.

Viele Protestierende laufen mit Schildern durch Berlin: Zwei Tragen Fotos der verstorbenen Rita Ojungé

„Black Lives Matter“-Demo im Juli 2019 nach dem Auffinden der Leiche von Rita Awour Ojungé Foto: Stefan Jaitner/picture alliance

BERLIN taz | Staatsanwaltschaft und Ermittler:innen tappen im Fall der im April 2019 mutmaßlich getöteten Rita Awour Ojungé weiter im Dunkeln. „Aus Sicht der Ermittler ist es auf der Grundlage der bekannt gewordenen Beweismittel unklar, was geschehen ist“, sagte der zuständige Staatsanwalt Gernot Bantleon aus Cottbus über den Todesfall der damals 32-Jährigen Kenianerin. An ihrem Leichnam seien zwar Fremdhaare gefunden worden, die rechtsmedizinisch untersucht worden sind. Allerdings hätte ein genetischer Abgleich mit Verdächtigen keine Übereinstimmung ergeben. Weiter gebe es mehrere Personen, die mit dem Todesfall in Verbindung stehen könnten, aber keinen konkreten Tatverdacht gegen jemand bestimmten, so Bantleon. Die Ermittlungen dauerten an, so der Staatsanwalt.

Ojungé wohnte in einem isolierten Flüchtlingsheim bei Hohenleipisch in Südbrandenburg und war offiziell zwei Monate lang nur vermisst gemeldet, bevor Überreste ihres Skeletts etwa 300 Meter von der Unterkunft entfernt im Wald gefunden wurden. Zuvor war die Polizei lange nicht von einem Verbrechen ausgegangen – trotz von anderen Bewohner:innen und dem Lebenspartner geäußerten Hinweisen.

So habe sie ungewohnterweise weder ihre beiden Kleinkinder noch ihre Kleidung sowie persönliche Gegenstände wie ihre Bankkarte mitgenommen. Wegfahren konnte sie an dem Sonntag ihres Verschwindens auch nicht, weil nicht einmal ein Bus fuhr.

Erst nachdem ihr hinterbliebener Lebenspartner und Vater der Kinder sowie der brandenburgische Verein Opferperspektive Druck machten, ermittelte die Polizei zum Fall – und fand schließlich nach einer Suche mit einer Hundertschaft skelettierte Überreste von Ojungé im Wald um das Flüchtlingsheim herum.

Women in Exile protestierte gegen Isolation im Nirgendwo

Am Mittwoch, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, protestierte das brandenburgische Protestbündnis Women in Exile in Eisenhüttenstadt für die Aufklärung des Falles Ojungé, gegen Kollektivunterbringung in isolierten Lagern wie in Hohenleipisch und gegen Mehrfachdiskriminierung in Flüchtlingslagern, unter der insbesondere Frauen und Kinder litten. Die Lager seien nicht nur Corona-Hotspots, sondern auch Orte von Übergriffen auf Frauen, sagte Sprecherin Elizabeth Ngari der taz zuvor im Interview.

Maßgeblich vorangetrieben hat die Ermittlungen auch die Kritik von Martin Vesely aus dem Verein Opferperspektive. Er sagt zu den auf der Stelle tretenden Ermittlungen: „Es ist das eingetreten, was wir von vornherein befürchtet haben. Die Ermittlungen sind schlampig geführt worden und waren von rassistischen Vorannahmen geprägt.“

Martin Vasely, Opferperspektive

„Die Ermittlungen sind schlampig geführt worden und waren von rassistischen Vorannahmen geprägt“

Das Problem sei die Staatsanwaltschaft Cottbus: „Die Ermittlungen wurden zu spät und dann zu langsam aufgenommen – dadurch ist viel verloren gegangen, was nicht mehr einholbar war“, sagt Vesely. Wenn eine Person mit einem anderen gesellschaftlichen Stand betroffen wäre, hätten die Behörden anders ermittelt, sagt Vesely: „Wir reden hier immerhin von einem mutmaßlichen Tötungsdelikt, das wahrscheinlich nicht mehr aufgearbeitet wird.“

Mittlerweile habe das Problem mangelnder Strafverfolgung bei Menschen mit (in Teilen zugeschriebener) Migrationsgeschichte oder auch Opfer rechter Gewalt im Raum Cottbus strukturelle Formen angenommen, sagt Vesely: „Rechte Angriffe werden kaum bearbeitet – nach drei oder vier Jahren wird dann, wenn überhaupt, mal ein Verfahren eröffnet.“

Bei Verurteilungen gebe es Strafnachlässe für Beschuldigte wegen langer Verfahrensdauer, häufig komme es zu Einstellungen aufgrund langer Verfahrenslaufzeiten. Das Schlimmste daran: „Der Glaube an die Herstellung von Gerechtigkeit durch die Justiz ist bei Betroffenen nicht mehr vorhanden. Rechte Täter werden gestärkt“, sagt Vesely.

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