piwik no script img

Der grüne TurboladerSchlauch gibt Gummi

Das hat den Grünen noch gefehlt. Mitten hinein in das Koalitionsmobbing von Nordrhein-Westfalen platzt der Benzin-Schlauch ihres Berliner Fraktionschefs, der von seiner Partei ein Ende des „emotionalen Antireflexes“ gegen das Automobil verlangt. Das sei schließlich ein „Mittel der Emanzipation“ und „Instrument der Freiheit“. Guten Morgen, Herr Piëch!

Getragen von einem gesunden Viertelwissen wagt Rezzo Schlauch zur Unzeit einen Vorstoß, der vor allem eines signalisiert: Die Grünen wollen um jeden Preis normal werden. Sie haben panische Angst vor sich selbst. Schluss mit dem ganzen Umweltzirkus, es lebe die Erotik des Rallyestreifens. Nicht einmal die Bleifußindianer des ADAC plappern so dumm daher wie der Fraktionschef der Umweltpartei Deutschlands.

KOMMENTAR von MANFRED KRIENER

Schlauchs Äußerungen waren die Begleitmusik zur Präsentation eines Diskussionspapiers, in dem Wasserstoffauto und Brennstoffzellentechnik als umweltverträgliche Variante eingefordert werden. Das Papier selbst ist weder originell noch besonders aufregend. Doch bei der Präsentation sagte Schlauch mehr, als er wusste. Hinter der schicken Brennstoffzelle stürmten plötzlich die tiefer gelegten Instinkte des selbst ernannten Verkehrspolitikers auf die Überholspur: Schluss mit der Verteufelung des Autos! Nur: Wo findet die denn statt?

Die Abschaffung des heiligen Blechles hat zuletzt 1923 eine Bürgerinitiative im Schweizer Kanton Graubünden gefordert. Die deutsche Gesellschaft einschließlich der Grünen hat längst ihren Frieden mit Golf und Fiesta gemacht. Doch die Zähmung des Automobils, des statistisch größten Kinderumbringers, Landschaftsfressers, Luftverschmutzers und Krachmachers ist unverändert notwendig. Nur gibt es kaum noch jemanden, der sich traut, das laut zu sagen. Das ist das eigentliche Problem.

Schlauchs Fehlzündung ist der peinliche Versuch, sich bei der Spaßgesellschaft und dem Automann Schröder anzubiedern. Er fällt der eigenen Partei, die in Düsseldorf mit Clement um die Verkehrspolitik besonders heftig ringt, in den Rücken. Und alle Versuche, die Grünen in Sachen Ökosteuer weich zu klopfen, werden durch solch PS-trendigen Opportunismus zusätzlich befeuert. Vor allem aber hat Schlauch die Identität der Grünen weiter beschädigt. Wofür stehen sie überhaupt noch? Für Turbo-Porsche? Die Möllemannisierung der Partei geht voran. Ihr neuestes Opfer heißt Rezzo Schlauch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen