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■ Der freie Markt schließt gute Produktinformationen ausVerbraucherschutz als Vorwand

Preisfrage: Was haben Kühlflüssigkeit und Altöl gemeinsam? Antwort: Beides findet sich nicht nur in Autos und auf Sondermülldeponien, sondern gelegentlich auch in europäischen Lebensmitteln. Zugegeben, der Skandal um Pieroth-Weine, die mit Kühlflüssigkeit verschnitten waren, liegt eine Weile zurück. Altöl im Tierfutter aber füllte das Sommerloch in diesem Jahr. Mehrere Fleisch verarbeitende Betriebe in Belgien gingen an dem Skandal bankrott.

Jetzt ist zur Abwechslung mal wieder Großbritannien dran. Ein paar Tage lang sorgen wir uns um die Rindfleischqualität. Gestern war es die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats zum britisch-französischen BSE-Streit, die die Aufmerksamkeit fesselte. Nächste Woche wird das Votum der Kommission dazu mit Spannung erwartet. Wird Frankreich dazu verpflichtet, britisches Rindfleisch ins Land zu lassen oder nicht?

Die Tatsache, dass deutsche Länderminister es den Franzosen gleichtun, ohne mit Zwangsgeldern bedroht zu werden, hat einen einfachen Hintergrund: Der deutsche Markt ist für Großbritannien unbedeutend. Spätestens daran zeigt sich, dass allen Beteiligten in diesem Räuber-und-Gendarm-Spiel der Verbraucherschutz nur als Vorwand dient. Tatsächlich geht es um Marktanteile. Eine französische Abgeordnete brachte es gestern im Europaparlament auf den Punkt: Warum werden die Franzosen für ein Verhalten bestraft, das die ganze EU im Hormonstreit den USA gegenüber als Verbraucherschutzmaßnahme verteidigt: für den Einfuhrstopp einer Ware, die gesundheitlich umstritten ist und von den Verbrauchern abgelehnt wird?

Die Antwort ist moralisch unbefriedigend, liegt aber in der Logik der Freihandelsideologie: Als Hüterin des freien Marktzugangs muss die EU im BSE-Streit dasselbe tun wie die WTO im Hormonstreit: Sie muss den Produkten Einlass verschaffen, wenn keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über Gesundheitsgefährdungen vorliegen.

Die Verbraucher sollten sich endgültig von der Idee verabschieden, dass der Preisvorteil großer liberalisierter Märkte und optimale Informationen über die Produktionsbedingungen der vermarkteten Lebensmittel gleichzeitig zu haben sind. Wer wirklich wissen will, wie das Schnitzel auf dem Teller mit Vornamen hieß, muss eben Zeit und Geld investieren. Landwirte, die bereit sind, zu angemessenen Preisen an bewusste Verbraucher zu liefern, gibt es genug. Daniela Weingärtner

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