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Der Wunsch nach Zerschlagung der Drogenmafia

■ Heute berät der Gesundheitsausschuß im Bundestag den SPD-Vorschlag, Heroin zukünftig staatlich und ärztlich kontrolliert abzugeben. CDU und CSU protestieren

Berlin (taz) – Heute wird der Gesundheitsausschuß des Bundestages über den Gesetzesvorschlag des Bundesrats zur kontrollierten Abgabe von Heroin an Süchtige beraten. Erst vorgestern hatte der Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau in Bonn zum wiederholten Mal für einen wissenschaftlich begleiteten Modellversuch plädiert, bei dem unter ärztlicher Aufsicht geringe Mengen von Drogen an Schwerstabhängige auf Rezept vergeben werden. Nur so könne der Teufelskreis von Sucht, Beschaffungskriminalität, Prostitution, Drogenhandel und Verelendung durchbrochen werden.

Der Antrag des Bundesrats unter Federführung Voscheraus war bereits im Frühjahr 1995 in die erste Lesung gegangen. „Seitdem“, schimpft die Gesundheitsspezialistin der bündnisgrünen Fraktion im Bundestag, Monika Knoche, „haben die Regierungsparteien die Debatte unendlich verschleppt.“

Schon Mitte Dezember hatte die SPD-Fraktion des Bundestags einen Gesetzesvorschlag eingereicht, in dem das Prinzip „Hilfe statt Strafe“ für Abhängige sowie die Substitution (Methadonprogramm) erweitert werden. Darüber hinaus soll der Eigenverbrauch von Drogen straflos gestellt werden und Drogenhilfeeinrichtungen – auch sogenannte Druck- oder Gesundheitsräume – aus der rechtlichen Grauzone entlassen werden.

Die Vorstellungen der Grünen stimmen mit der Initiative von Bundesrat und SPD-Fraktion weitgehend überein. Auf Landes- und kommunaler Ebene sprechen sich mittlerweile selbst FDP- und CDU-Politiker, wie etwa der Karlsruher Oberbürgermeister Gerhard Seiler, für eine Liberalisierung der Drogenpolitik aus. Der Spiegel dieser Woche zählt zudem ein Dutzend Polizeichefs von Großstädten auf, die die Heroinabgabe befürworten. „Es ist eine Menge Bewegung in die Diskussion gekommen“, erklärt die SPD- Gesundheitspolitikerin im Bundestag, Gudrun Schaich-Walch. Sie hofft, daß sich eine Bundestagsdebatte „nicht mehr nur unter dem ordnungspolitischen, sondern endlich auch unter dem gesundheitspolitischen Aspekt führen läßt“.

Ganz anders sieht dies Eduard Lintner (CSU), Drogenbeauftragter der Bundesregierung: Durch den SPD-Vorschlag „werden Betroffene nur noch tiefer in die Sucht hineingezogen“. Und: Wenn Abhängigen die Möglichkeit gegeben würde, Heroin auf Rezept zu erhalten „werden sie ihre ganze Kraft darauf konzentrieren, an diesen Berechtigungsschein zu kommen, statt aus der Sucht herauszukommen“. Bernd Protzner, Generalsekretär der CSU, sagt: „Der Staat darf sich nicht zum Dealer machen.“ Den SPD-Vorschlag empfinde er als „Einladung an die Drogenmafias dieser Welt“.

Gerade die Drogenmafia, sagt hingegen Karl-Heinz Bönner, Psychologieprofessor in Marburg und Vorstand des Fachverbandes Sucht, „wird mit einem Schlag zusammenbrechen“, wenn man die Drogen generell freigäbe. Eine kontrollierte Abgabe könnte nur der erste Schritt dahin sein, denn zur Suchtprävention sei ein aufgeklärter, legaler Umgang mit Drogen der sinnvollste. Natürlich, so Bönner, „spricht jeder, der von Freigabe redet, über etwas gänzlich Unbekanntes“. Aber „unterm Strich wird der Effekt für die Gesellschaft günstiger ausfallen“. uwi

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