: Der Weg zum Dialog ist freigeschossen
■ Drei Palästinenser beim Sturm der israelischen Polizei auf den Tempelberg erschossen. Wachsender internationaler Druck auf die Konfliktparteien. Spekulation um Treffen zwischen Netanjahu und Arafat am Sonntag
Jerusalem (AP/taz) – Nach dem traditionellen Freitagsgebet ist es gestern auf dem Jerusalemer Tempelberg zu Ausschreitungen gekommen. Drei Palästinenser wurden von israelischen Soldaten erschossen. Demonstranten hatten Steine auf die Soldaten geworfen, die daraufhin den Tempelberg stürmten und zahlreiche Palästinenser festnahmen. Auch in den Autonomiegebieten hielten die Unruhen an. Dutzende Menschen wurden verletzt.
In den Städten Tulkarem und Dschenin im Westjordanland kam es laut israelischen Rundfunkberichten zu Schießereien zwischen palästinensischen Polizisten und israelischen Soldaten. Dabei sei ein israelischer Soldat getötet worden. Zehntausende von Palästinensern nahmen nach den Freitagsgebeten an Kundgebungen im Westjordanland und im Gaza-Streifen teil. In Dschenin marschierten 20.000 Menschen zur jüdischen Siedlung Ganim. Palästinensische Polizei versuchte, den Zug aufzuhalten.
Die anhaltenden Auseinandersetzungen erhöhten den Druck auf eine politische Beilegung der Krise. Der Weltsicherheitsrat wollte am Abend zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Die US-Regierung gab ihren anfänglichen Widerstand gegen eine solche Beratung auf. Der umstrittene Tunnel entlang des Tempelbergs in der Jerusalemer Altstadt wurde gestern von der israelischen Stadtverwaltung bis Sonntag wieder geschlossen. Zuvor hatten US-Präsident Bill Clinton und der Sicherheitsrat Israel aufgefordert, den Tunnel wieder zu schließen. Der israelische Oppositionsführer Schimon Peres sagte im Rundfunk, der Tunnel habe keinerlei touristische Bedeutung. Rabin und er hätten nie daran gedacht, ihn je zu öffnen. Die Öffnung des Tunnels hatte am Donnerstag die schwersten Unruhen seit Jahren in Palästina ausgelöst.
In den israelischen Medien wurde über ein bevorstehendes Treffen zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Jassir Arafat in Kairo spekuliert, an dem auch der ägyptische Präsident Husni Mubarak teilnehmen sollte. Der PLO-Vertreter in Jerusalem, Feisal Husseini, sagte, ein solches Treffen mache aber nur Sinn, wenn es direkte Ergebnisse zeitige und zum Beispiel die zusätzlichen israelischen Armeeposten in den Autonomiegebieten abgebaut würden. Nach einer Sondersitzung des israelischen Kabinetts, das Netanjahu nach seiner vorzeitigen Abreise aus Deutschland einberufen hatte, hatte sein Sprecher Schai Basak am Donnerstag abend erklärt, daß eine Möglichkeit für das Treffen bestünde.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu richtete gestern nachmittag dennoch eine ernste Warnung an die Palästinenser. Der Einsatz von Waffen gegen israelische Soldaten stelle die gesamte „Friedensstruktur“ in Frage, sagte er vor Journalisten in Jerusalem.
Die Arabische Liga will trotz ihrer Kritik am israelischen Vorgehen in den Autonomiegebieten am Friedensprozeß festhalten. „Der Frieden ist eine unwiderrufbare strategische Option“, hieß es in einer Erklärung der Liga. Ein Diplomat sagte: „Jetzt werden wir nicht wieder den Rückwärtsgang einschalten.“ Der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter hat seine Vermittlerdienste angeboten, falls er von der US-Regierung darum gebeten werde. Carter hatte 1978 das Camp-David-Abkommen zwischen Israel und Ägypten vermittelt. Bericht Seite 8, Debatte Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen