Der Tag nach der Wahl im Überblick: Die SPD will unaufdringlich sein
Die SPD will vor Verhandlungen über eine Koalition den Parteikonvent abwarten. Parteichef Gabriel hat aber schon mit Merkel telefoniert. Die Ereignisse im Ticker-Überblick.
Abwarten: Für den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel führt das Ergebnis der Bundestagswahl nicht automatisch zur Bildung einer großen Koalition mit der CDU/CSU und Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Es ist nichts entschieden, es gibt keinen Automatismus“, sagte Gabriel am Montag nach einer Sitzung des SPD-Vorstands. Maßgeblich für die SPD seien die in ihrem Wahlprogramm festgelegten inhaltlichen Ziele, hob er hervor. Über das weitere Vorgehen soll am Freitagabend auf einem Parteikonvent in Berlin entschieden werden. „Die SPD steht jetzt nicht Schlange oder bewirbt sich, nachdem Frau Merkel ihren jetzigen Koalitionspartner ruiniert hat“, sagte Gabriel.
Über personelle Fragen wurde nach Angaben Gabriels auf der Vorstandssitzung am Montag nicht gesprochen. Er betonte aber, dass er die Wiederwahl von Frank-Walter Steinmeier als SPD-Fraktionschef unterstütze. Zur künftigen Rolle des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück wollte sich Gabriel nicht äußern. In der Vorstandssitzung gab es nach Angaben aus Parteikreisen auch kritische Töne, insgesamt habe aber eine „freundschaftlich-entspannte Atmosphäre“ geherrscht.
Verzicht: Nach den zwei Wahldebakeln in Serie kommt es auch in der bayerischen FDP zu einem personellen Wechsel. Die bisherige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gibt ihr Amt als FDP-Landesvorsitzende auf. Außerdem soll der gesamte Landesvorstand neu gewählt werden - dies wollte die Spitze der Bayern-FDP am Montagabend diskutieren.
Die Neuwahl könnte am 24. November bei einem Landesparteitag stattfinden, sagte Leutheusser-Schnarrenberger am Montag. „Natürlich werde ich als Landesvorsitzende nicht mehr antreten.“ Die personelle Neuaufstellung soll Anfang Oktober auf einer Klausur des FDP-Landesvorstands diskutiert werden. (dpa)
Empfohlener externer Inhalt
Neuaufstellung: Die Spitze der Grünen will nach dem enttäuschenden Abschneiden der Partei bei der Bundestagswahl den Weg für einen personellen Neuanfang frei machen. Der gesamte Vorstand biete eine personelle „Neuaufstellung“ an, sagte Parteichefin Claudia Roth nach Beratungen der Grünen-Spitzengremien am Montag in Berlin.
Der Termin für den Parteitag zur Wahl des neuen Vorstands muss Roth zufolge noch festgelegt werden. Bei der Bundestagswahl am Sonntag waren die Grünen mit 8,4 Prozent weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Bei der Wahl von 2009 hatten sie noch 10,7 Prozent erreicht, zwischenzeitlich hatten sie in den Umfragen deutlich darüber gelegen. Der Wahlausgang sei eine „schwere und schmerzhafte Niederlage“, sagte Roth.
Özdemir ließ durchblicken, dass er sich vorstellen kann, wieder als Parteichef anzutreten. Roth sagte, sie habe sich entschieden, wolle das aber erst in der Partei sagen. Fraktionschef Jürgen Trittin ließ offen, ob er für das Spitzenamt in der Fraktion wieder antreten will. „Ich möchte der Diskussion der wiedergewählten Abgeordneten nicht vorgreifen.“ Auch Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt ließ sich bei ihren persönlichen Plänen nicht in die Karten gucken.
Erste Gespräche: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat erste Verbindungen mit der SPD aufgenommen, um die Möglichkeit einer großen Koalition auszuloten. Sie habe diesbezüglich Kontakt mit SPD-Chef Sigmar Gabriel gehabt, sagte Merkel am Montag nach Beratungen der Unions-Führungsgremien in Berlin. Dies schließe weitere Kontakte mit anderen Parteien nicht aus. Nach dem Wahlergebnis ist damit für eine Regierungsbildung nur eine große Koalition oder ein schwarz-grünes Bündnis möglich. Eine rechnerisch mögliche rot-rot-grüne Koalition hat vor allem die SPD ausgeschlossen.
Mit Blick auf mögliche Koalitionsverhandlungen sagte Merkel, sie sehe aus Sicht der Union keinen Grund zur Änderung der Europapolitik. Hier müssten aber dann die Verhandlungen abgewartet werden. Das Wahlergebnis sei aber auch als ein starkes Votum für ein geeintes Europa zu verstehen. SPD und Grüne haben Union und FDP bislang bei den wesentlichen Entscheidungen zur Euro-Politik unterstützt. Dennoch gibt es unterschiedliche Positionen.(rtr)
Lindner kommt, Rösler geht: FDP-Chef Philipp Rösler tritt nach dem Wahldebakel vom Sonntag zurück. Das sagte Rösler am Montagmittag in Berlin nach Beratungen der Parteigremien. FDP-Vize Christian Lindner will neuer Bundesvorsitzender der Liberalen werden. Der 34-Jährige habe sich entschieden, sich um den Vorsitz zu bewerben. Parteikreisen zufolge wäre Wolfgang Kubicki als künftiger Generalsekretär denkbar. Auch das gesamte Parteipräsidium habe den Rücktritt angeboten, hieß es am Montag weiter. (dpa/rtr)
Die Grünen-Spitze für personellen Neuanfang: Parteichefin Claudia Roth hat in Absprache mit dem Co-Vorsitzenden Cem Özdemir am Montagmorgen in einer Vorstandssitzung vorgeschlagen, dass der Vorstand zurücktritt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen. Die Grünen waren mit einem Ergebnis von 8,4 Prozent bei der Bundestagswahl weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Im Vorstand wurde nach taz-Informationen beschlossen, den Vorstand im Oktober neu zu wählen, dann können alle wieder antreten, wenn sie wollen.
„Das Ergebnis war ein Schock“, hatte Roth im ARD-„Morgenmagazin“ gesagt. Die Partei habe es „nicht geschafft, aus gesellschaftlichen auch politische Mehrheiten zu machen“.
Dem Vorstand gehören neben den beiden Vorsitzenden Rot und Özdemir außerdem Steffi Lemke als Geschäftsführerin, Malte Spitz (Mitglied des Bundes-Vorstands), die frauen-politische Sprecherin Astrid Rothe-Beinlich und Schatzmeister Benedikt Mayer an. (taz/dpa/afp)
Beck gibt Amt ab: Der langjährige Parlamentsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, hat den Verzicht auf seinen Posten im neuen Bundestag angekündigt. Auf Twitter hatte er zuvor angekündigt, künftig als Fachpolitiker die Grünen als Bürgerrechtspartei zu positionieren. (afp)
Alles offen in Hessen: Das vorläufige amtliche Endergebnis in Hessen: CDU: 38,3%, SPD 30,7%, Grüne 11,1%, FDP 5,0%, Linke 5,2%, AfD 4,0 %. Damit ist die Regierungsbildung offen. Wer am Ende mit wem regiert, könne man heute noch nicht sagen, sagt Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Montag. Auch sein Kontrahent Thorsten Schäfer-Gümbel von der SPD erwartete keine schnellen Lösungen. FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn rechnet bereits mit Neuwahlen im nächsten Jahr. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers