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Fakten, Fakten, FaktenDer Speckgürtel

■ Wenn ihre Einwohner ins Umland abwandern, haben Städte ein Problem

Bremen teilt das Schicksal vieler Großstädte: Jedes Jahr verabschiedet sich eine gehörige Anzahl von Einwohnern vom urbanen Leben und macht sich davon ins Umland („Speckgürteleffekt“). Im vergangenen Jahr verließen insgesamt 24.462 Menschen die Hansestadt (Quelle: Senator für Bau und Umwelt). Etwa die Hälfte der Ex-Bremer suchte ihr Glück in Niedersachsen, 9.157 davon im Bremer Umland. Wenn man die Zahl der Fortzüge mit der Zahl der Neubürger in Beziehung setzt, kommt man für 1999 auf einen „Wanderungsverlust“ von 1.684 Menschen.

Das ist insbesondere für Bremen nicht erfreulich, weil der Stadtstaat bekanntermaßen kein eigenes Umland besitzt. Das Finanzressort geht davon aus, dass jeder Wegzug durchschnittliche Steuereinbußen von 6.000 Mark verursacht, da für den Länderfinanzausgleich die Einwohnerzahl ausschlaggebend ist. In der ersten Hälfte der 90er Jahre hatte sich dieser Abwanderungstrend Jahr für Jahr verstärkt (Rekord: 1993 mit einem Minus von 4.300 Einwohnern), seit einigen Jahren entspannt sich die Situation etwas. Ob dies eine echte Trendwende bedeutet, ist umstritten.

Zum Vergleich: In der Zeit, in der Bremen die größten Verluste verzeichnete, erlebte das Mittelzentrum Syke einen enormen Einwohnerzuwachs. Zwischen 1990 und 1995 stieg die Zahl der Syker von 18.000 auf 23.000. Stadtplaner Rolf Kück erklärt dieses Phänomen allerdings in erster Linie mit dem Untergang der DDR: Zahlreiche Ostdeutsche seien in dieser Zeit in die Randbereiche westdeutscher Großstädte gezogen. In Syke gibt es Ortsteile, in denen Kück zufolge bis zu 40 Prozent der Bewohner Berufspendler sind.

Ein von Bremen in Auftrag gegebenes Gutachten über die „Umlandwanderungen in der Region“, das Mitte der 90er Jahre erarbeitet wurde, beschäftigt sich mit den Motiven der Menschen, die Bremen verlassen. Bei den abgewanderten Haushalten dominierten „Paare mittleren Alters“ beziehungsweise Kleinfamilien mit mittleren bis höheren Einkommen. Rund 80 Prozent bezogen ein Ein- oder Zweifamlilienhaus, über 54 Prozent davon ein freistehendes Einfamilienhaus. 43 Prozent dieser Stadtflüchtlinge erwarben Eigentum

Die Motive: Die Wohnung in der Stadt wurde als zu klein empfunden; wichtige Faktoren waren auch die Belastung durch Lärm und Abgase sowie ein nicht zufriedenstellendes soziales Umfeld. Das Parkplatzangebot spielte ebenfalls eine Rolle. Der Bremer Wohnungsmarkt schreckte die Abwanderer insbesondere wegen zu hoher Preise – gemessen an der Größe, Ausstattung und Lage der Häuser. hase

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