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Einigung über GibraltarDer Mauerfall ganz im Süden

Seit dem Brexit verlief zwischen Gibraltar und Spanien plötzlich eine EU-Außengrenze. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde jetzt eine Lösung gefunden.

Mauerfall, bloß in hispano-britisch Foto: Jon Nazca/Reuters

Madrid taz | „Die letzte Mauer auf dem europäischen Festland verschwindet“, feierte der spanische Außenminister José Manuel Albares am Mittwoch in Brüssel eine Einigung zwischen dem Vereinigten Königreich, Spanien und der Europäischen Union über den künftigen Status der einstigen britische Kronkolonie und jetzigem britischen Überseegebiet Gibraltar im äußersten Süden der Iberischen Halbinsel. Anwesend waren bei der letzten Gesprächsrunde neben Albares sein britischer Amtskollege David Lammy, der europäische Handelskommissar Maroš Šefčovič sowie der Premier von Gibraltar, Fabian Picardo.

Der sichtbarste Erfolg ist die Abschaffung „physischer Barrieren“ oder der „letzten Mauer“ – wie Albares es nennt – zwischen Gibraltar und Spanien. Der Grenzzaun, der Gibraltar von Spanien trennt, und der unter der Franco-Diktatur jahrzehntelang völlig geschlossen war, ist damit Geschichte. Künftig wird es unbewachte Übergänge geben. Das kommt vor allem den 15.000 Menschen zu Gute, die täglich zwischen Spanien und Gibraltar pendeln. Zwei Drittel davon sind Spanier aus dem strukturschwachen andalusischen Umland, die in Gibraltar arbeiten.

Das Schengener Abkommen wird künftig auf Gibraltar angewandt. Wer am dortigen Hafen oder Flughafen von außerhalb der EU ankommt, wird nicht – wie ursprünglich geplant – von der Beamten der Frontex, sondern von einer gemeinsamen spanisch-britischen Grenzkontrolle empfangen. Die spanischen Beamten führen für die EU die Schengen-Kontrollen durch. Ihre britischen Kollegen wachen über die Einwanderungskontrollen nach Gibraltar und damit in das Vereinigte Königreich.

Die Verhandlungen über einen neuen Staus von Gibraltar waren notwendig geworden, nachdem das Vereinigte Königreich und damit auch Gibraltar per Brexit aus der EU und aus dem Schengenraum ausgeschieden waren. Nach vier Jahren voller zäher Gesprächsrunden, die immer wieder unterbrochen worden waren, gelang es endlich, britische, spanische, europäische und gibraltarische Interessen unter einen Hut zu bringen. Gibraltar gehört seit Ende des spanischen Erbfolgekrieges mit dem Frieden von Utrecht 1713 zum Vereinigten Königreich.

Das Abkommen, das jetzt in nationale Rechtsnormen gegossen werden muss, um es dann endgültig zu ratifizieren, gleicht zudem staatliche Beihilfen, Steuern, Arbeitsrecht sowie Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung an.

Während die Vertreter der vier beteiligten Parteien von einem „historischen Erfolg“ sprechen, äußerte sich sowohl in Spanien als auch im Vereinigten Königreich die rechte Opposition kritisch. Beiden geht es um die Souveränität. Die britischen konservativen Torries fürchten, Gibraltar Schritt für Schritt an Spanien zu verlieren; die spanische Rechte wirft der in Madrid regierenden Linkskoalition unter Pedro Sánchez vor, den spanischen Gebietsanspruch auf Gibraltar aufgegeben zu haben.

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2 Kommentare

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  • Dass koloniale Denkstrukturen sich immer noch in Teilen durchsetzen, ist einfach erbärmlich. Hat mal jemand die Bürger von Gibraltar gefragt was sie wollen?

  • "Die britischen konservativen Torries fürchten, Gibraltar Schritt für Schritt an Spanien zu verlieren; die spanische Rechte wirft der ... Linkskoalition unter Pedro Sánchez vor, den spanischen Gebietsanspruch auf Gibraltar aufgegeben zu haben." Rechtspopulisten machen Satiriker arbeitslos.