: Der Frauenförderung droht das Aus
■ Bundesregierung will Ländern das Recht nehmen, öffentliche Aufträge an soziale Kriterien zu koppeln. Anpassung an Europarecht
Bonn (taz) – Die Bundesregierung plant einen Anschlag auf die bisherige Praxis der Frauenförderung. In Zukunft sollen Maßnahmen zur Förderung von Frauen, Familien und Auszubildenden nicht mehr an die Vergabe öffentlicher Aufträge gekoppelt sein. Dies sieht der Gesetzentwurf zur „Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge“ vor, der gestern im Wirtschaftsausschuß des Bundestages beraten wurde. Anlaß der Gesetzesänderung ist die Anpassung an europäisches Recht.
„Am besten, man fängt mit vergabefremden Kriterien gar nicht an, sonst kriegt man den Sack nicht mehr zu“, bestätigte Stephan Hesselmann, wissenschaftlicher Referent in der Arbeitsgruppe Wirtschaft der CDU/CSU, den restriktiven Entwurf. Die Proteste von Parteikolleginnen berühren ihn nicht: „Bei Wirtschaftsfragen haben wir zum Schluß das letzte Wort.“ Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Ernst Schwanhold, wirft der Bundesregierung beim Vergaberecht „frauenunfreundliches Verhalten“ vor. „Wir wollen bei öffentlichen Aufträgen auch arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte mit berücksichtigen können“, erläutert er.
Das Aus für die Frauenförderung ist in einem Nebensatz versteckt. „Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben“, heißt es in Artikel 1 Absatz 3 des Entwurfs. „Weitergehende Anforderungen dürfen nur gestellt werden, wenn dies durch ein Bundesgesetz vorgesehen ist.“ „Ein solches Bundesgesetz zur Frauenförderung gibt es bekanntermaßen nicht und soll es auch nicht geben“, empört sich die grüne Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk.
SPD und Grüne wollen deshalb mit ihren jeweiligen Änderungsanträgen die Kompetenzen der Bundesländer bei der Vergabe öffentlicher Aufträge beibehalten beziehungsweise noch stärker ausbauen. Im Saarland, in Nordrhein- Westfalen, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt wird die Frauenförderung bereits an die öffentliche Auftragsvergabe gekoppelt.
Auch der Deutsche Juristinnenbund rügt die restriktive Fassung des Entwurfs: Die EU-Kommission würde ihren Mitgliedsstaaten die Aufnahme sozialer Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eindeutig freistellen. Nach Einschätzungen von Experten ist durch die Neufassung die gesamte Privatbranche betroffen. Reinigungsdienste müßten dann beispielsweise keine sozialversicherten Beschäftigungsverhältnisse mehr nachweisen und die Hersteller von Büro- und Schulmöbeln brauchten sich um Frauenquoten in ihren Betrieben nicht mehr zu kümmern. Astrid Prange
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen