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Der Fall Lina E.Razzien in Connewitz

Lange war der Prozess gegen die Leipziger Linke Lina E. eine zähe Angelegenheit. Nun aber hat ein Mitbeschuldigter vor Ermittlern ausgepackt.

Leipzig am 15. Juni 2022: Hausdurchsuchungen im Fall der Angeklagten Lina E Foto: Jan Woitas/dpa

Berlin taz | Die Bundesanwaltschaft legt im Fall der Gruppe um die Leipziger Linke Lina E. nochmal nach. Am Mittwoch ließ sie deshalb mehrere Wohnungen in Leipzig-Connewitz durchsuchen. Zuvor soll ein Beschuldigter, welcher der Gruppe angehört haben soll, bei Ermittlern ausgepackt haben.

Lina E. steht mit drei Mitangeklagten seit September 2021 vor dem Oberlandesgericht Dresden, auch am Mittwoch wurde verhandelt. Dem Quartett wird vorgeworfen, eine linksextreme kriminelle Gruppe gebildet und sechs schwere Angriffe auf Neonazis in Leipzig, Eisenach und Wurzen verübt zu haben. Neben den vier Angeklagten rechnet die Bundesanwaltschaft der Gruppe weitere Mitglieder zu, gegen die noch ermittelt wird, darunter der untergetauchte Lebensgefährte von Lina E.

Die Bundesanwaltschaft bestätigte am Mittwoch nur, dass sie in Leipzig Durchsuchungen durchführen ließ. Weiter wollte sie sich wegen des laufenden Verfahrens nicht äußern. Betroffen war nach taz-Informationen aber zumindest eine Person, die zuletzt Unterstützungsarbeit für Lina E. und die anderen drei Angeklagten machte.

Im Prozess gegen Lina E. bestätigte der Senat laut Verfahrensbeteiligten am Mittwoch, dass es zuvor eine ausführliche Aussage eines weiteren Mitbeschuldigten vor Ermittlern gab. Dabei geht es um Johannes D., der beschuldigt wird, sich an einem Überfall auf den Eisenacher Neonazi Leon Ringl im Dezember 2019 beteiligt zu haben. Bisher schwiegen alle Beschuldigten zu den Tatvorwürfen.

Anklage beruht bisher auf Indizien

Laut Senat soll sich Johannes D. nun aber in gleich sieben Vernehmungen über die Gruppe und vorgeworfene Taten eingelassen haben. Seine Aussagen sollen rund 140 Aktenseiten füllen. Auch zu bisher nicht angeklagten Taten wie dem Angriff auf eine Leipziger Immobilienmaklerin im Jahr 2019 soll er sich geäußert haben, wie zuerst die Leipziger Volkszeitung berichtete. Auch hier stand Lina E. eine Zeit lang unter Verdacht. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hatte die Ermittlungen im Dezember 2021 aber eingestellt, weil eine Tatbeteiligung nicht mit notwendiger Sicherheit nachgewiesen werden könne.

Johannes D. befindet sich laut Gericht inzwischen in einem Zeugenschutzprogramm. Die linke Szene hatte sich bereits vor Monaten öffentlich von ihm abgewendet, weil ihm sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden.

Die Einlassungen von Johannes D. dürften den Prozess gegen Lina E. durchaus beeinflussen. Bisher gab es dort keine direkten Beweise für Beteiligungen der vier Angeklagten an den Überfällen auf die Rechtsextremen. Zeugen konnten die vermummten Angreifer nicht identifizieren. Die Anklage stützt sich vielmehr auf Indizien und darauf, dass einige Beschuldigte nach dem Angriff auf Leon Ringl im Dezember 2019 nahe des Tatorts festgenommen worden waren.

Ein Mitbeschuldigter, Philipp M., konnte dagegen sogar ein Alibi vorlegen, dass er bei dem ihm vorgeworfenen Angriff in einer Berliner Kneipe saß. Umso wertvoller dürften für die Bundesanwaltschaft, die im Prozess die Anklage führt, die Aussagen von Johannes D. sein.

Die Sicherheitsbehörden hatten auch zuvor schon ihre Ermittlungen gegen die Gruppe um Lina E. fortgeführt. So gab es bereits im Januar Durchsuchungen in Leipzig gegen zwei Linke, denen vorgeworfen wird, dem Lebensgefährten von Lina E. beim Untertauchen geholfen zu haben. Entdeckt wurden dabei Boxen auf einem Dachboden, in dem persönliche Gegenstände von Johann G. und Mitbeschuldigten deponiert gewesen sein sollen. Auch diese Funde könnten im Prozess noch eine Rolle spielen.

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12 Kommentare

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  • "Das Verhalten von Johannes D. sei „widerwärtig“. Er versuche, „mit allen Mitteln seinen dreckigen Arsch zu retten“ – auf Kosten der Mitbeschuldigten.".

    Verstehs nicht. Entweder die Linagruppe ist unschuldig, wie es alle darstellen. Dann gibt es auch nichts zu befürchten. Oder sie haben mehrfach Menschen mit Hämmern und Eisenstangen halb umgebracht. Dann kann man nichts gegen eine Verurteilung haben. Wer solidarisiert sich mit Totschlägern?

  • Selbstjustiz darf es nicht geben. Egal gegen wen.

    • @Nicolai Nikitin:

      Ja, das stimmt.

      Eine Justiz, die auf dem rechten Augen sehr sehschwach ist und dafür auf dem linken Auge sehr genau hinschaut und da hochmotiviert ist - sprich eine parteiische Justiz - darf es aber auch nicht geben. In Sachsen erweckt es aber diesen Anschein.

      • @Bussard:

        Teilweise hängt das wohl mit dem Irrglauben zusammen, dass Rechtsextreme ihre Taten immer erst mit einem Fakelmarsch ankünden, während Linksextreme direkt und gezielt einzelne Personen und Unternehmen angreifen.

        Durch die Mediale Aufbereitung ( Rechtsextreme werden gerne als stramm organisierte Gruppen mit Symbolen und Ritualem dargestellt, Linksextreme als Anarchistische Bombenleger, die im Dunkeln agieren) wird das Mär zementiert und von Alt nach Jung, von Diensterfahren zu Grünschnabel weitergereicht.

        Zumindest auf den ausführenden Ebenen ( Polizei, Verfassungsschutz) scheint mir dies ein Teil des Problems.



        Auf Politischer Ebene halte ich es primär für berechnendes Kalkül, bei manchen auch schlicht Dummheit.

    • @Nicolai Nikitin:

      Voraussetzung dafür ist aber, dass der Staat die ihm übertragenen Aufgaben auch wahrnimmt und den Kampf gegen Rechts nicht ebenso an die Antifa delegiert wie den Kampf gegen die Armut an die Tafeln, das Bemühen um Klimaschutz an die Fridays, Würden Staat und Justiz die Lehre "Nie wieder Faschismus" so ernst nehmen wie es sich aus der Geschichte nun einmal zwingend ergibt wüssten die Linken ihre Zeite sicher besser zu nutzen als sich die Hände an den Braunen schmutzig zu machen.

      • @Ingo Bernable:

        Absolut nein. Der Staat delegiert weder den Kampf gegen Rechts an die 'Antifa' noch das Bemühen um Klimaschutz an 'Fridays'. Sowohl die Antifa als auch FfF sind Partikulargruppen, die glauben durch einen vermeintlichen Auftrag aus der Gesellschaft für ihr Tun legitimiert zu sein. Das sind sie eben gerade nicht. Insbesondere verletzt die Antifa - wie auch Rechte und Islamisten - regelmäßig das Gewaltmonopol des Staates. Würde dies seitens des Staates regelmäßig hingenommen, hätten wir schnell bürgerkriegsähnliche Zustände.

        • @Nicolai Nikitin:

          "Der Staat delegiert weder den Kampf gegen Rechts an die 'Antifa' noch das Bemühen um Klimaschutz an 'Fridays'."



          Warum funktioniert dann weder das eine noch das andere?



          "Das sind sie eben gerade nicht. Insbesondere verletzt die Antifa - wie auch Rechte und Islamisten - regelmäßig das Gewaltmonopol des Staates."



          Ich halte diese Argumentation für recht fragwürdig, denn trotz Gewaltmonopol gibt es ja dennoch ohne Ende Gewalt vom prügelnden Gatten bis hin zu Mafia-Killern, das Gewaltmonopol ist also immer nur eine Idee die niemals durchsetzbar ist. Weiterhin scheint mir auch der Gedanke, dass ausgerechnet die MOnopolisierung der Gewalt diese verschwinden lassen soll recht abenteuerlich, weil der Versuch dieses Monopol durchzusetzen eben nur mit Eskalation und Aufrüstung erreichbar ist was sich konkret etwa in einer zunehmend paramilitärisch ausgerüsteten Polizei manifestiert.

          • @Ingo Bernable:

            Sie wissen schon das es als Paradebeispiel die USA mit ihrer NRA gibt? Für einen Staat in dem es kein Monopol für die Gewalt gibt? Sie bestreiten ja nicht, dass der Mensch an sich zu Gewalt neigt je nach Charakter und das durch die Geschichte der Menschheit. Aber was fordern Sie bitte hier? Waffen für alle? Keine Macht für niemand funktioniert nicht, also alle Macht für jeden :).

            Und seid Seehofer weg ist, hat sich sehr wohl etwas getan was der Staat gegen Rechtsextremismus tut. Bereits mehrere Male.

          • @Ingo Bernable:

            Wenn jeder glaubt, er habe das Recht, selbst Gewalt gegen wen auch immer auszuüben, haben wir Anarchie. Das würde bedeuten, dass derjenige, der sich am Stärksten bewaffnet hat und allen anderen drohen kann, die größte Macht hat. Wollen Sie das ?

            • @Nicolai Nikitin:

              Was ich will ist für die Beschreibung des Faktischen eben genauso unerhablich wie die Frage ob sich der prügelnde Gatte, der russische Soldat in Butscha, der Mafia-Killer oder eben der brave Polizist bei der Ausübung von Gewalt im Recht wähnt oder nicht. Der, "der sich am Stärksten bewaffnet hat und allen anderen drohen kann" wird gemeinhin Staat genannt und die von ihm ausgeübte Gewalt legitimiert und verteidigt. Der Unterschied zu den von ihnen gefürchteten anarchischen Horden ist also primär einer des Narrativs, weniger eines des tatsächlichen Gewaltpotentials. Denn, um hier wieder auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, welche Antifa-Gruppe verfügt bitte über Panzer und Atomraketen?

              • @Ingo Bernable:

                Die unrechtmäßig agierende Antifa nimmt das Recht für sich in Anspruch, militante Gewalt gegen Andere auszuüben ohne dazu vom Souverän, dem Staatsvolk, legitimiert zu sein. Würde dies unter den vielen anderen gesellschaftlichen Gruppen Schule machen, wäre die Stabilität des demokratisch verfassten Staates massiv gefährdet. Für den Kampf gegen faschistische Tendenzen sind nur die vom Staat legitimierten Sicherheitsorgane zuständig.

    • @Nicolai Nikitin:

      Eben, der Zweck (Nazis einschüchtern) heiligt nicht die Mittel (Nazis zusammenschlagen).