: Der Fahrplan zum Frieden
■ Der Westen beharrt auf den Beginn des Rückzugs der jugoslawischen Armee aus dem Kosovo, bevor die Angriffe beendet werden. Waffenruhe frühestens ab Sonntag. UN-Resolution soll bis zum Montag vorliegen
Köln/Belgrad (dpa/rtr/AFP/taz) - Die Zustimmung Belgrads zum Friedensplan ist nicht mit einem Stopp der Nato-Bombenangriffe auf Jugoslawien zu verwechseln: Das machten gestern Bundeskanzler Gerhard Schröder und Großbritanniens Premierminister Tony Blair deutlich. Die Nato werde erst dann ihre Bombardierungen stoppen, wenn es zu einem nachvollziehbaren Rückzug der serbischen Truppen und paramilitärischen Kräfte aus dem Kosovo komme, sagte Blair gestern. „Wir werden dem Wort des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic allein nicht vertrauen, sondern nur nach Taten urteilen.“ Der Kanzler setzte nach. Wenn der Rückzug der jugoslawischen Truppen aus dem Kosovo gesichert und klar sei, dann würden auch die Bombardements aufhören, sagte Schröder gestern zum Abschluß des EU-Gipfeltreffens in Köln. Jetzt gehe es darum, das Tempo für die Umsetzung der Friedensregelung zu beschleunigen.
Den theoretischen Erläuterungen Schröders und Blairs war die praktische Demonstration der Nato vorausgegangen. Bis gestern vormittag wurden nach Angaben der Allianz 610 Einsätze innerhalb von 24 Stunden geflogen. Bei 234 Flügen handelte es sich um Bomben- oder Raketenangriffe. Dabei konzentrierten sich die Luftangriffe der Allianz auf strategische Ziele und vor allem auf die serbischen Truppen im Südwesten des Kosovo.
Gleichwohl hielten Brüsseler Nato-Diplomaten eine Unterbrechung der Angriffe schon ab morgen für möglich. Die Nato könne am Sonntag oder Montag eine Feuerpause anordnen, falls bis dahin ein Militärabkommen zwischen der Nato und Belgrad unterzeichnet und der Beginn des jugoslawischen Truppenrückzugs erkennbar sei, hieß es in Brüssel. Bereits gestern kam es zu ersten Kontakten zwischen Generälen der Nato und der jugoslawischen Streitkräfte. Heute sollen diese Gespräche mit dem Ziel fortgesetzt werden, die technischen Einzelheiten des Rückzuges festzulegen.
Bereits in der Nacht zu Freitag haben die G-8-Außenminister einen Entwurf für eine Resolution des Weltsicherheitsrats erarbeitet. Nach Angaben von Außenamtssprecher Martin Erdmann lag der Entwurf gestern bereits „vollständig und klammerfrei“, also bis in die Einzelheiten unumstritten ausformuliert vor. Mit diesem Entwurf sollte der Politische Direktor des Auswärtigen Amts, Günther Pleuger, noch gestern nach Moskau reisen. Zuvor hatte der russische Präsident Boris Jelzin in einem Telefongespräch mit Bundeskanzler Schröder ein sofortiges Ende der Bombardements gefordert.
Die G-8-Außenminister vereinbarten ein zusätzliches Treffen für morgen auf dem Petersberg bei Bonn, um die Eckpunkte zu beschließen. Nach dem Treffen der acht Außenminister und der Beschlußfassung über den Entwurf soll Pleuger den Friedensplan in Peking vorstellen. China ist bisher als einziges ständiges Sicherheitsratsmitglied noch nicht offiziell in die Beratung eingebunden. Auch EU-Unterhändler Martti Ahtisaari wollte nach Peking reisen. Der chinesische Ministerpräsident Zhu Rongji forderte in einem Telefongespräch mit Kanzler Schröder den sofortigen Stopp der Nato-Luftangriffe. Damit würden die notwendigen Bedingungen geschaffen, damit der Weltsicherheitsrat die Frage lösen könne.
Die Eckpunkte der G-8-Vereinbarungen sollen am Sonntag zu den Vereinten Nationen nach New York geschickt werden, wo sie in einen förmlichen Resolutionsentwurf umgegossen werden sollen. Auf Basis dieses Beschlusses könnte dann der Einsatz einer multinationalen Friedenstruppe im Kosovo erfolgen.
Deutschland wird nach den Worten des Verteidigungsstaatssekretärs Peter Wichert vermutlich mehr Soldaten in den Kosovo entsenden wird als bisher vorgesehen. „Wir richten uns darauf ein, daß wir über die gebilligte Obergrenze gehen müssen“, sagte Wichert.Er sprach von etwa 1.000 Soldaten zusätzlich. Dafür sei ein neuer Parlamentsbeschluß nötig.
Die Europäische Union (EU) wird sich nach den Worten des künftigen Kommissionspräsidenten Romano Prodi beim Wiederaufbau des Kosovo und der anderen vom Krieg betroffenen Balkan-Regionen engagieren. Das werde die Union schätzungsweise fünf bis sechs Milliarden Euro (zehn bis zwölf Milliarden Mark) kosten, sagte Prodi. Der britische Premierminister Tony Blair knüpfte die Vergabe von Nachkriegshilfen an Jugoslawien an die Entmachtung von Präsident Slobodan Milosevic. Solange ein „Diktator und gesuchter Kriegsverbrecher“ an der Spitze des Balkan-Staates stehe, könne Serbien nicht in den Kreis der europäischen Nationen integriert werden, sagte Blair gestern.
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