piwik no script img

Der Bund und die PandemiebekämpfungEin allzu kurzsichtiger Streit

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Soll der Bund den Ländern vorschreiben, wie sie die Menschen vor Corona schützen? Teile der Union fordern das – und stellen den Föderalismus unnötig infrage.

Bund oder Länder: wer zeigt den Weg auf im Kampf gegen die Pandemie? Foto: Martin Meissner/ap

S oll die stringente Kanzlerin Angela Merkel auch bei der Corona-Bekämpfung die Richtlinien der Politik bestimmen? Oder sollen wankelmütige Ministerpräsidenten wie Armin Laschet (NRW) und abenteuerlustige Landesväter wie Tobias Hans (Saarland) in ihrem Bundesland das letzte Wort haben?

So könnte man die Alternativen beschreiben, die Teile der Union nun aufzeigen. Sie wollen, dass die Bundesregierung sehr schnell per Verordnung die Pandemiebekämpfung zentral steuern kann. Merkels Verordnungen hätten dann nach dem Prinzip „Bundesrecht bricht Landesrecht“ sofort den Vorrang. Die bisherige Zuständigkeit der Länder für die Pandemiebekämpfung wäre dann weitgehend passé.

Natürlich gibt es gute Argumente für eine Zentralisierung. Wenn ganz Deutschland die richtige Strategie verfolgt, ist es vermutlich effizienter, als wenn nur die Hälfte der Bundesländer dazu bereit ist. Nur: Wer entscheidet, was die „richtige“ Strategie ist?

Wer Merkel mehr vertraut als Armin Laschet, mag derzeit für eine Zentralisierung der Kompetenzen sein. Doch was gilt, wenn der wankelmütige Armin Laschet plötzlich selbst Kanzler ist? Oder Markus Söder, dessen Rhetorik oft deutlich besser ist als seine Praxis?

Nein, eine Neuregelung der Pandemiebekämpfung ist kurzsichtig, wenn sie nur die aktuelle Konstellation im Blick hat. Außerdem ist der aktuelle Dissens zwischen neuem Lockdown und kontrollierten Öffnungen nicht so dramatisch, dass sich die Lockdown-Seite hier mit einer Parforce-Änderung des Infektionsschutzgesetzes sofort selbst ermächtigen müsste. Auch im Saarland sind keine Pandemie-Leugner an der Macht.

Allerdings war das bisherige dezentrale System der Pandemie-Bekämpfung mit den mühevoll koordinierenden Bund-Länder-Konferenzen auch nicht wirklich überzeugend. Über stringentere Alternativen kann man also durchaus nachdenken. Damit könnte und sollte der Bundestag sogar schnell beginnen. Damit gute und breit akzeptierte Lösungen zur Verfügung stehen – falls sich die Lage doch noch zuspitzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • •Was ist angeblicher Abgrund an Landesverrat, wie Kanzler Konrad Adenauer 1962 nach seiner Beteiligung an sog „Spiegel Affäre“ bedingt abwehrbereit“, Nato Fallex Manöver 62, im Bundestag ausrief, gegen Abgrund an Bevölkerung Gesundheitsschutzverrat in Corona Pandemie 2020/21 durch die Bundeskanzlerin Angela Merkel, Landeschefs im Bund,? ein lindes Rauschen im Blätterwald?

  • Was kann sich noch zuspitzen? Datenlage ist, Karl Lauterbach bei Markus Lanz recht verstanden, desaströs. Ungeheures braut sich zusammen, weil vorliegende RKI Daten zur Corona Infektionslage hinten und vorne nicht zutreffen, mangels Testpflicht in Unternehmen, staatlichen Einrichtungen, einhergehend fehlender Masse an Corona Tests in Gesellschaft. Steht dies alles und viel mehr für dunklen Verdacht, dass G 7 plus X Staaten sich vorsätzlich zu fremdem Zweck, an Lieferketten liegende Länder wettbewerblich abzuhängen, parallel CDU Bundesgesundheitsminister Jens Spahns scheiternde Reformen Pflegenotstand in Altenheimen, ambulanten Einrichtungen zu entsorgen? Pandemie Gelegenheit macht Täter?“ „Hinnahme dramatisch steigender Sterberaten unter über 80zigjährigen, ohne Entscheidung auf Pflegenotstand Baustelle treffen zu müssen? außerstande, zeitnah, angemessen flächendeckend umfassend entschieden auf Klimawandel von Menschenhand mit Umgestaltung Richtung nachhaltig arbeitsteiliger Weltwirtschaft, WTO-, IWF-, Weltbank-Reform, samt wirksamem Lieferkettengesetz zu reagieren, verlegen sich reiche Länder auf Destruktion, „Sabotage“ am Mitgestaltungs-, Verantwortungsvermögen ihrer Bevölkerung? kommuniziert als allzu menschlicher Irrtümer unter Losung „Wir sind atmend lernende Wesen, jeden Tag lernen wir zu und werden uns am Ende viel zu verzeihen haben (Originalton Jens Spahn März 2020 bei Bewältigung der Corona Pandemie. Beginnend mit fehlender Pandemie Vorsorge, entgegen schwarzgelber Bundesregierung in Auftrag gegeben, 2012 vom RKI präsentierten Expertise, hinreichend Personal, Ärzte, Pfleger, medizinische Atemschutzmasken, Schutzkleidung, Beatmungsgeräte, intensivmedizinische Plätze, angesichts Privatisierung, Reformstau im Gesundheitswesen, nach 2002 SARS Pandemie kommender Pandemie vorzuhalten. Während Kanzlerin Merkel anders als Schröder 2005 Notlage aussitzt?



    Bei HIV Pandemie 80ziger Jahren kalten Kriegs setzten Länder blockübergreifend Patentrecht aus Warum nicht 2021

  • Nicht "falls sich die Lage doch noch zuspitzt".



    Es ist nur eine Frage der Zeit BIS sich die Lage weiter zuspitzt

  • Lieber Christian Rath,



    Ihrem Kommentar möchte ich in einigen Punkten widersprechen.



    "Teile der Union ... stellen den Föderalismus unnötig infrage." Endlich, dachte ich, nimmt man sich der heiligen Kuh mal an, aber Sie sehen das anders. Das drücken Sie durch das "unnötig" aus. Gegenfrage: was muss denn passieren, damit es nötig würde? Muss die komplett erschöpfte und frustrierte Bevölkerung durch noch mehr Klein-Klein und Hin-und-Her und Tanz der Eitelkeiten der Ministerpräsidenten in die nächsten 3 - 15 Lockdowns getrieben werden - oder sollte man nicht besser an einer effektiven Problemlösung arbeiten, ohne dauernd mit einem Auge nach den kommenden Landtagswahlterminen zu schielen?



    "Doch was gilt, wenn der wankelmütige Armin Laschet plötzlich selbst Kanzler ist?"Mir scheint, Ihnen ist die generelle Problematik des Föderalismus nicht bewusst. Wie oft muss er seine Fehler von Bildungspolitik bis Polizei und nun auch Gesundheitspolitik unter Beweis stellen, bis man endlich die nötige Frage stellen darf: Was soll der Quatsch?



    "Auch im Saarland sind keine Pandemie-Leugner an der Macht."- Hm, meinen Sie, wir sollten mit der Reform warten, bis das der Fall ist? Dann wird's aber noch schwieriger, wetten?



    "Über stringentere Alternativen kann man also durchaus nachdenken." Wann, wenn nicht jetzt? Bis zur nächsten Pandemie warten oder der nächsten PISA Studie? Vor sich herschieben ist auch keine Lösung.

    • @Stechpalme:

      Das scheint mir nicht so ganz zuende gedacht. Was würde denn passieren wenn wir die heilige Kuh jetzt schlachten und die Zuständigkeiten dem Bund zuschlagen? Zunächsteinmal wären dort die entsprechenden Kapazitäten und Strukturen die derzeit auf Landesebenen existieren überhaupt nicht vorhanden und bis sie aufgebaut wären wäre die Pandemie vermutlich vorbei und bis dahin gäbe es noch mehr Stillstand und Unklarheiten als sowieso schon.



      Ebenfalls sollte man nicht übersehen, dass man nur die Wahl hat die "generelle Problematik des Föderalismus" durch die generelle Problematik des Zentralismus zu ersetzen. Damit würden zwar Entscheidungen effektiver, die Möglichkeit Probleme zunächst in Varianten zu lösen und dann das beste Modell generell zu übernehmen entfiele. Würde eine zentral beschlossene Linie des Bundesbildungsministeriums tatsächlich verlässlich zu besseren PISA-Resultaten führen oder wäre nicht eher anzunehmen, dass es ein ähnlich träger Bürokratiemoloch wie das Verteidigungsministerium werden würde? Der Blick ins zentralistisch regierte Frankreich wo die Pandemiebekämpfung auch nicht gerade super läuft spricht mir eher für letzteres.



      Ein weiteres Problem wäre, dass ein zentralistisches Modell die Politik noch weiter von den Menschen entfernen würde, Wasser auf die Mühlen all jener also die eh schon vom rechten Rand auf 'die da oben' schimpfen.

  • Der Vorteil am Föderalismus ist, dass einzelne Kommunen endlich mal den Versuch wagen, andere Wege zu gehen. Nur die Vielfalt findet am Ende vielleicht die beste Lösung. Was man gar nicht erst ausprobiert, hat keine Chance, als das Richtige/ oder einen anderen möglichen Weg erkannt und bewiesen zu werden.

    Ich meine, es gab auch schon Epedemiologen und jemanden von der Kassenärztlichen Vereinigung, die lange schon sagen, man soll auf Tests setzen und Lockerungen möglich machen.

    Der Bund und auch die Länder haben jedenfalls die Weisheit nicht mit Löffeln gegessen- und viele bisherigen Regelungen widersprechen jeder Logik. (z.B. :obwohl draussen das Ansteckungsrisiko gering ist, keine Außengastro zuzulassen und die Leute in ihre teils sehr beengten Wohnungen verdrängen- Wo sie sich dann erst recht anstecken.- Die Gastwirte hatten sich jedenfalls in großen Teilen auf einen Winter mit Außengastro vorbereitet- schade dass das nicht einmal ausprobiert wurde.



    Eine Regelung, sich dort nur zu zweit treffen zu dürfen hätte man z.B. trotzdem machen können.)

    ICH wünsche mir jedenfalls auf gar keinen Fall Zentralismus sondern mehr Demokratie und Offenheit für verschiedene Lösungsansätze. Denn in vielen Dingen gibt es ja nicht nur den EINEN richtigen Weg.

  • 2G
    21996 (Profil gelöscht)

    Offen gesagt glaube ich nicht dass die Bundesregierung in dieser Frage schlauer ist als die Landesregierungen. Aber für eine Regionalisierung spricht hier das lokal unterschiedliche Infektionsgeschehen.

  • Die Länder waren nicht überzeugend, jetzt will also der Bund dem nacheifern, komplett bundeseinheitlich nicht überzeugend sein. Hier wird wieder Qualität mit Form und Verwaltung verwechselt. Mensch kann die Notengebung in Schulen in Deutschland zentral aussetzen, weil ja kein vernünftiger Unterricht stattfindet. Fände ich gut. Mensch kann doch nicht Unwissen der Länder was die richtige Strategie gegen Corona ist durch einheitliche Unwissenheit des Bundes ersetzen. Wie d* oder öh besch * öh unklug, Vielleicht sollte Mensch (hier Politiker) einmal überlegen, dass die Menschen nicht dumm sind und verantwortlich handeln können, auch wenn so mancher Politiker das nicht kann; also nicht von sich auf andere schließen, liebe Regierenden. Sollte Politiker*in mal den Menschen nicht wie Herr Söder in Bayern mit Megastrafen zu erziehen versuchen (500 Euro für nächtliche Spaziergänge) - Nützt ja in den vielen bayerischen Hotspots auch nichts. Also für Politiker*innen: Qualität kann bundesweit einheitlich organisiert, formuliert und eingefordert werden - irgendwelche kurzfristigen Lösungen nicht. und: Vielfalt sollte ja ein hoher Wert sein, dachte ich immer. Also nochmal: über Föderalismus sollte diskutiert werden, aber er sollte nicht hektisch mit viel Aktionismus in Pandemiezeiten beschädigt werden.

  • Was ist eigentlich das Problem?

    99 % der Verbote sind bundesweit gleich, inzwischen halten sich alle Länder an die Notbremse.

    Bei dem ganzen Streit geht es darum, dass einige Länder bei hohen Infektionszahlen die Geschäfte komplett schließen und andere Terminshopping zulassen, wenn negative Tests vorgelegt werden.

    Glaubt wirklich irgendjemand im Ernst, dass bei diesem Terminshopping - mit in der Regel etwa einem Kunden und einem Verkäufer pro 100 m2 Verkaufsfläche - die Infektionszahlen irgendwie beeinflusst werden?

    Er geht nur noch um Rechthaben.

  • Politik nach Kassenlage, schon unter Kohl üblich gewesen und unter Merkel nicht besser geworden. Gestalten: Fehlanzeige. Der Föderalismus zeigt jetzt etwas offener seine Grenzen, ist aber in der Bildung schon seit Jahrzehnten nichts weiter als ein übergroßes Hindernis. Wieso, bitteschön, soll ein Kind in HH anders Französsch lernen als in By oder auf den Inseln? Koryphäen aller Länder, sitzt zusammen, lasst euer EGO zu Hause und gebt einen idealen Plan mit Spielräumen vor, wie vom 47. Breitengrad bis zum 54. sinnvoll, effektiv und mit Freude etc. z.B. Französisch gelernt werden kann, oder E, oder M, oder D, oder alles.