piwik no script img

Der Berliner Wochenkommentar IIDie alte Dame Hertha hat sich verzockt

Alina Schwermer
Kommentar von Alina Schwermer

Dem Verein fiel auf, dass das alte Stadion doch modernisierbar ist. Unserer Autorin befürchtet, dass nun die nächste Großbaustelle droht.

Soll neu- oder umgebaut werden: das Berliner Olympiastadion Foto: dpa

A lles neu macht manchmal der Mai, aber nicht in Berlin, jedenfalls keine neuen Stadien. „Überraschend“ (Hertha-Präsident Gegenbauer) ist ein Umbau des alten Olympiastadions plötzlich doch möglich, und ein neues Stadion für Hertha schon Geschichte, bevor es gebaut wurde. Warum?

Offiziell, weil dem Verein jetzt auffiel, dass das alte Stadion doch modernisierbar ist. Hätte man das bei all den Studien ahnen können. Inoffiziell eher so: Die alte Dame Hertha hat sich verzockt. Entweder ein neues Stadion im Olympiapark oder wir gehen nach Ludwigsfelde, so war Herthas Argumentation gegenüber dem Senat. Eigentlich nicht so schlecht gedacht: Mama, wenn du mir keine Süßigkeiten bezahlst, geh ich zu Oma und die kauft sie eh. Die Mehrheit der Hertha-Fans aber lief gegen Ludwigsfelde Sturm, und ohne Druckmittel halt kein Druck.

Jetzt also preisen Hertha und der Senat eine Kompromisslösung an, die eigentlich keiner will und die auch nie sinnvoll war. Die Tartanbahn im Olympiastadion soll weg und die Ränge sollen steiler werden – an der grundsätzlichen Optik darf aber aus Denkmalschutzgründen nichts getan werden.

Moderner wird das Stadion damit kaum und gemütlicher auch nicht. Es soll weiter eine Kapazität von bis zu 70.000 haben, viel zu groß für Hertha. Irgendwann fiel noch auf, dass man die Leichtathletik vergessen hatte, die ohne Tartanbahn keine Chance mehr auf Großveranstaltungen hat. Jetzt ist von absenkbaren Tartanbahnen die Rede. 150 Millionen soll das alles kosten, auch mit Steuergeldern. Dazu kommen Ausgaben für ein, ja, wirklich, extra gebautes Übergangsstadion (angeblich 50 Millionen) und eine mögliche neue Leichtathletikstätte. Eine schlecht durchdachte Großbaustelle droht. Ob der Umbau überhaupt mehr Publikum bewirkt, weiß niemand. Und all das für einen Preis, der wohl absurderweise den eines neuen Stadions übersteigt. Ein Neubau hätte 200 Millionen gekostet. Privat finanziert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Kann man das Geld nicht sinvoller ausgeben, für Sozialwohnungen zum Beispiel. Ansonsten soll sich Hertha einen privaten Sponsor suchen, der ein Stadion irgendwo auf der grünen Wieso hochzieht. Das Olympiastadion ist ein einzigartiges Bauwerk mit hervorragenden Verkehrsanbindungen und keiner soll es verändern.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Wozu brauchen die einen Neubau. Die spielen seit 50 Jahren oder so in diesem Stadion. Auf einmal soll's nicht mehr hinreichen, obwohl sie den Laden eh nicht vollkriegen. Haben die Berliner (Hertha) eigentlich keine anderen Baustellen, deren sie sich erst einmal annehmen sollten?

  • Typisch Berlin: Keine Knete vorhanden, aber immer eine Idee wie man das nicht vorhandene Geld ausgeben kann.