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Der Aufschrei

SILVESTERATTACKEN Nach den Angriffen auf Frauen in Köln sprechen Bundesminister von „neuer Dimension“ der Gewalt, warnen aber vor Generalverdacht gegen Flüchtlinge

Silvester vor dem Kölner Dom: Böllerschüsse in die Menge, viele Männer, viel Alkohol und bisher nur verwackelte Bilder Screenshot: YouTube

BERLIN taz/dpa | Die massiven Übergriffe auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht haben bundesweit für Empörung gesorgt. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte eine umfassende Aufklärung und warnte zugleich davor, die Vorfälle mit der Flüchtlingsdebatte zu vermischen.

„Jetzt geht es darum, die Fakten aufzuklären und daraus auch die notwendigen Schlüsse zu ziehen“, sagte Maas. Genutzt haben die Appelle zur Sachlichkeit wenig. Insbesondere im Netz entspann sich schnell eine erhitzte Debatte mit teilweise pauschal flüchtlings- und islamfeindlichen Zügen.

Zahlreiche junge Männer hatten in kleineren Gruppen am Kölner Hauptbahnhof offenbar vor allem Frauen umringt, bedrängt, zum Teil massiv sexuell belästigt und schließlich bestohlen. Die Zahl der Anzeigen stieg am Dienstag auf 90. Die Täter werden nach Angaben der Polizei häufig als „arabisch und nordafrikanisch“ aussehend beschrieben. Die Polizei wollte sich am Dienstag zu der Anzahl der Tatverdächtigen nicht äußern. Augenzeugen sprechen von 40 bis 100 Männern.

Justizminister Maas nannte die Übergriffe eine „völlig neue Dimension organisierter Kriminalität“. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte: „Dass eine so große Zahl von Personen, offensichtlich mit Migrationshintergrund, diese Übergriffe verübt haben sollen, stellt eine neue Dimension dar.“ Flüchtlinge gleich welcher Herkunft dürften jedoch nicht unter Generalverdacht gestellt werden.

Was in Köln passiert sei, sagte die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Welt, „sind ungeheuerliche Straftaten, und die müssen konsequent verfolgt werden“. Das Gesetz gelte für jeden. „Ob er aus Dresden oder Damaskus stammt.“ Die ehemalige CDU-Familienministerin Kristina Schröder twitterte: „Sie wurden lang tabuisiert, aber wir müssen uns mit gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen in muslimischer Kultur auseinandersetzen.“ Emma-Chefin Alice Schwarzer schrieb: „Diese jungen Männer sind das triste Produkt einer gescheiterten, ja nie auch nur wirklich angestrebten Integration! Sie sind das Produkt einer falschen Toleranz.“ AfD-Chefin Frauke Petry fragt auf Facebook: „Ist Ihnen nach der Welle an Straftaten und sexuellen Übergriffen Deutschland nun ‚bunt und weltoffen‘ genug, Frau Merkel?“ SAM

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