Der 65. Eurovision Song Contest: Auf highesten Heels
Nach einem Jahr Coronapause haben es sechundzwanzig Acts in das Finale von Rotterdam geschafft. Aber wer gewinnt? Eine Prognose.
Nach einem Jahr Coronapause: Der 65. Eurovision Song Contest aus Rotterdam, 39 Acts machten mit, 26 sind nun im Finale. Die Wertung setzt sich aus Juryvoten (Expert*innen) und Televoting zusammen. Trends dieses Jahr: klassisch Hedonistisches (kurze Röcke über knappen Tops); etliche Acts betonen zeitgeistig Queerness, Postkoloniales, Antirassistisches und Feministisches auch, klar, Achtsamkeit, Resilienz und Wokeness.
1 Zypern: Elena Tsagrinou – El diablo. Die griechisch-orthodoxe Kirche protestierte – die Sängerin sei zu freizügig, ein Teufel dürfe nicht angeschmachtet werden. Tut sie aber schön. Top 7.
2 Albanien: Anxhela Peristeri – Karma. Elegisches, hochdramatisches Stück auf sehr hohen Schuhen inkl. intensivem Windmaschineneinsatz. Top 24.
3 Israel: Eden Alene – Set Me Free. Die äthiopischstämmige Israelin hat eine großartige Stimme und interessante Moves zu bieten, obendrein die schönste Brezelfrisur des Abends. Top 12.
4 Belgien: Hooverphonic – The Wrong Place. Die Trip-Hop-Giganten aus dem interessantesten Land der EU: Für viele der Act des Abends, cool – Geheimtipp – für die Top 9.
5 Russland: Manischa – Russian Woman. Die Sängerin, Flüchtling aus Tadschikistan aus schlimmsten Verhältnissen, in Moskau, ihrer neuen Heimat, eine der wichtigsten Stimmen mit feministischer Botschaft. Top 8.
6 Malta: Destiny – Je me casse. Wuchtbrumme selbstbewusstesten Lebensstils, die über einen Mann singt, der sie begehrt. Aber, so singt sie: „Hell no, I am not your honey / Hell no, I don’t want your money.“ Top 9.
7 Portugal: The Black Mamba – Love Is On My Side. Jazzy, ruhig und damit interessant. Der Leadsänger leicht mit Tom-Waits-Touch. Geheimtipp: Top 8.
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8 Serbia: Hurricane – Loco Loco. Kein Act in weltverbesserischer Allure, sondern: Drei Frauen auf highesten Heels, ausgerüstet mit ca. zehn Kilo Extensions und Make-up in Hülle und Fülle, die auch noch gut singen. Siegerinnen der Herzen. Top 10.
9 Vereinigtes Königreich: James Newman – Embers. Mal kein drahtig abgehungerter Haken, sondern ein Mann, der gerne isst, was gut aussieht. Das Lied? Lounge-Funkyness. Irgendwo in den Top 25.
10 Griechenland: Stefania – Last Dance. Disco der kykladischen Art, Souflaki-Pop, die Melina Mercouri nicht goutiert hätte. Egal: Top 14.
11 Schweiz – Gjon’s Tears – Tout l’univers. Als ob Valeska Gert ihn gecoacht hätte, ausdruckswillig, dieser vielleicht nonbinäre (?, egal) Mann mit Vogelnestfrisur. Top 11.
12 Island: Daði og Gagnamagnið – 10 Years. Camp wie aus Geysiren geschöpft. Farbenfroh, freundlich und charmant. Top 7.
13 Spanien: Blas Canté – Voy a quedarme. Schnulzenalarm. Mann unter einem riesigen Mond im Bühnenhintergrund. Unerheblich. Letzter Platz gut möglich.
14 Moldau: Natalia Gordienko – Sugar. Ein Lied, das auf keinem Eurodiscosampler stören würde, das Zuckerchen. Top 17.
15 Deutschland: Jendrik – I Don’t Feel Hate. Mit Ukulele, Fröhlichkeit und blondierter Frise: Alle Themen der Zeit dabei. Queeres, BiPoCmäßiges, Kopftuchfragen, mollige Körperlichkeit. Viel zu gut gemeint? Top 23.
16 Finnland: Blind Channel – Dark Side. Lärm aus dieser Weltgegend: Seit Lordis Hardrock-ESC-Sieg 2006 nix Besonderes. Überhörbar aber doch. Top 16.
17 Bulgarien: Victoria – Growing Up Is Getting Old. Wie eine Tochter von Kate Bush. Das Lied erzählt in freundlicher Sphärischkeit vom Kummer der Reife. Top 9.
18 Litauen: The Roop – Discotheque. Der Titel spricht für sich: tanzbar, frisch und ein wenig bizarr. Angenehmer Elektroklang, in gelben Looks, dazu unique Fingerspiele. Top 10 möglich.
19 Ukraine: Go A – Schum. Ethno-Stück, in dem diese Passage im Text zu hören ist: „Sie haben Lärm gemacht, / sie haben den Frühling geweckt. / Die kleinen Koniferen.“ Klasse. Top 7.
20 Frankreich: Barbara Pravi – Voilà. Enfin: keine hochgedröhnte Nummer, dafür eine Chanteuse in der Tradition Brels, Barbaras und Aragons. Intensiv, ja, Titelfavoritin, zurecht. Top 2.
21 Aserbaidschan: Efendi – Mata Hari. Flamboyantes Stück in Sachen Selbstbehauptung, Easy Oriental Style. Top 15.
22 Norwegen: TIX – Fallen Angel. Überfrachtetste Performance des Abends, sehr gut. Der Mann, den ein Tourettesyndrom plagt (sagt er) kommt angekettet als Kandidat der Herzen. Top 8!
23 Niederlande: Jeangu Macrooy – Birth Of A New Age. Easy-Listening-Rap gegen Rasssismus und Ausgrenzung. Man vermisst drei Minuten irgendeinen Hook … Top 22 bestimmt.
24 Italien: Måneskin – Zitti e buoni. Der Bandname („Mondschein“) mogelt: Es ist eine hardrockinspirierte Nummer, nix von italienischem Schmelz früherer Jahrzehnte. Titelfavorisiert, klar.
25 Schweden: Tusse – Voices. Kürzlich als unbegleiteter Flüchtling aus dem Kongo gekommen, jetzt Hoffnung des Abba-Landes. Pompös, knallrot im Look, kein Juwel, aber ein Act in prima Strass, ultraqueer: Top 11.
26 San Marino – Senit (feat. Flo Rida) – Adrenalina. Flottes Stück, ein prima Rausschmeißer, ehe abgestimmt wird. Top 9.
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