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■ QuerspalteDer 5-Mark-Psycho-Test

Ich bin ein Psycho-Test-Junkie. Einer von denen, die jede Woche zum Kiosk rennen und Brigitte, Allegra und ähnliches durchforsten nach diesen lebenswichtigen Frage-Antwort- Spielchen. Die polieren mein marodes Selbstbewußtsein auf. Ich lande immer über fünf Prozent, manchmal sogar bei sieben.

Die Grünen in Sachsen-Anhalt haben jetzt einen 5-Mark- Psycho-Test auf den Markt geworfen. Wer stabil ist, seine innere Ruhe gefunden hat, Kritik verträgt und zur Kaste der Besserverdienenden mit den gewissen „green touch“ gehört, hat nichts zu befürchten. Alles Attribute, die ich nicht habe. Sechs Fragen sind auf der Postkarte zu beantworten, sechs Punkte zu vergeben. Zwei Autos stehen zur Auswahl: Das eine (Auto A) verbraucht 10 Liter bei einem Benzinpreis von 1,50 Mark. Das andere (Auto B) 3 Liter bei 5 Mark. Die Fragen sind subtil, sie gehen unter die Haut. Alle beginnen mit: „Welches Auto“. Welches ist teurer für Verbraucher und Umwelt, welches ist das des 20., welches das des 21. Jahrhunderts, welches hat mehr Chancen auf dem Weltmarkt, welches werde ich 2008 fahren wollen – komplizierte Fragen.

So grübele ich Stunden um Stunden und gelange zu keinem brauchbaren Ergebnis. Ich wende die Karte. Wie gemein, da steht die Lösung. Und die Punktewertung. Kann ich auch ohne eine richtge Antworten meine Fünfprozenthürde schaffen? Der Test kennt keine Gnade: null Punkte. Die Wertung: „Hoffnungsloser Fall. Sofort Fanbrief an Hintze schreiben, unbedingt Kohl wählen.“

Das ist mir noch nie passiert. Ich bin am Ende. Wie gern hätte ich mich in der Kategorie „6 Punkte“ wiedergefunden: „Volltreffer: Karte ausfüllen und am Bündnisgrünenstand abgeben.“ Da hätte ich eine Bahncard gewinnen können. Oder zumindest in der Kategrorie „5 Punkte“: „Prima, ab hier gibt es die Lizenz zum Selbstdenken.“ Nichts von alledem habe ich bekommen. Dabei habe ich gar kein Auto. Thorsten Denkler

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