Denkmalschutz: Zurück in die Zukunft
Lange Zeit war klar: Der sogenannte Mäusebunker in Lichterfelde muss weg. Auf einem Symposium in der Berlinischen Galerie klang das nun ganz anders.
Eine Anschlussverwendung für das schadstoffbelastete Gebäude gebe es nicht, hieß es, da es ein superspezieller Zweckbau sei. Seit er von der Charité nicht mehr benutzt wird, sei ihm die Bestimmung abhanden gekommen. Doch auf einem Symposium in der Berlinischen Galerie am Freitag wurde nun verdeutlicht, dass das „ikonische Gebäude“ nun doch eine Zukunft haben soll. Und nach Möglichkeit sogar eine goldene.
Wie die genau aussehen soll, weiß man zwar noch nicht, die Rede ist von einer Transformation, die in vielleicht ungefähr 20 Jahren abgeschlossen sein könnte. Da er aber seit Mai dieses Jahres unter Denkmalschutz steht, soll der Betonklotz laut einer Studie nun nicht weniger als ein „Reallabor der Architekturforschung“ und ein „Experimentierfeld der Bauwende“ werden.
Das klingt sogar noch pompöser als der Vorschlag des Architekten Arno Brandlhuber und des Galeristen Johann König, die sich schon vor Jahren gegen den bereits geplanten Abriss des Mäusebunkers stark machten und in mehreren offenen Briefen davon sprachen, das Gebäude selbst kaufen zu wollen, um daraus, wie sie unter anderem schrieben, „ein neues kulturelles Zentrum Berlins“ zu machen. Gelänge die angedachte Transformation, wäre das aus mehreren Gründen tatsächlich ein echter Paukenschlag.
Unbequemes Erbe
Allein schon aufgrund der Historie des Mäusebunkers. Gebaut wurde er in den Siebzigern, um hier die Laboratorien für Tierversuche der Freien Universität Berlin unterzubringen. Nach zehn Jahren Bauzeit wurde er erst 1981 fertiggestellt. Ab 2003 wurde er zur Forschungseinrichtung für experimentelle Medizin der Charité. Tausende Lebewesen wurden hier zu Forschungszwecken zu Tode gequält. Man hat es also mit einem Zweckbau mit einer gewissermaßen ethisch vorbelasteten Aura zu tun. Im Architekturdiskurs gibt es sogar einen Fachbegriff dafür: Dissonant Heritage, also „unbequemes Kulturerbe“. Das gilt es aufzugreifen und umzucodieren.
Nicht zuletzt daher stammen auch einige der Ideen, die in der neuen Studie zum Mäusebunker aufploppen und den Ort sozusagen „heilen“ sollen. Wie wäre es denn, wenn hier einmal eine Raupen- und Schmetterlingsfarm einziehen und ein Fledermausturm errichtet würde – sozusagen als Wiedergutmachung?
Eine geglückte Überführung des Mäusebunkers in etwas völlig Neues hätte auch einen wegweisenden Leuchtturmcharakter über Berlin hinaus, wenn man bedenkt, wo man aktuell steht mit dem Gebäude. Die blauen Lüftungsrohre, die mit dazu beitragen, den Bau so charismatisch wirken zu lassen, dienten dazu, Sauerstoff ins Innere zu führen.
Es wurde komplett künstlich belüftet, weil man das Innere keim- und virenfrei halten wollte. Neben der Beseitigung der Schadstoffe wie etwa Asbest müsste im großen Stil also an Beleuchtung und Belüftung gearbeitet werden, um den Mäusebunker überhaupt zugänglich machen zu können.
Derzeit ist es so, dass man ihn bloß mit Schutzanzug, Sauerstoffmaske und einer Taschenlampe in der Hand begehen kann – der Strom wurde inzwischen auch abgestellt. Aber warum keine abenteuerlichen Führungen als Zwischen- und Pioniernutzung, wie in einen immersiven Horrorfilm sozusagen, mit Bildern von mad scientists und gequälten Kreaturen im eigenen Kopf?
Abriss? Nicht in der Klimakrise!
Eine Transformation des Mäusebunkers, das wurde auf dem Symposium immer wieder herausgearbeitet, würde die Botschaft aussenden: Wenn man selbst diesen vermeintlich so unbrauchbaren Gebäudebestand weiterverwenden kann, wäre das ein bedeutsamer Schritt weg vom veralteten Denken, alles abzureißen und dann neu zu bauen: Wegen der immensen Emissionen, die dabei anfallen, kann man sich dieses Prinzip in Zeiten der Klimakrise einfach nicht mehr leisten.
Noch ist, wie gesagt, überhaupt nicht klar, wie diese Umnutzung konkret aussehen soll. Ob hier Kunst und Kultur einziehen soll oder eher wieder die Wissenschaft oder auch beides. Von Ateliers bis hin zur Forschung an Nachhaltigkeitsprojekten ist alles denkbar. Investoren sollen demnächst gesucht werden, eine „Mäusebunker-Agentur“ entstehen und allerlei Partner eingebunden werden, die das Gebäude mitentwickeln wollen. Aus diesem könnte eine echte „Marke“, gar ein „Zukunftslabor für Berlin“ werden, heißt es in der Studie.
Es dürfte spannend werden, ob aus den ambitionierten Plänen etwas wird. Was deren Umsetzung am Ende kostet, dazu kursierten auf dem Symposium noch kaum Zahlen. Die etwa 18.000 Quadratmeter Nutzungsfläche neu zu erschließen, dürften um die 35 Millionen Euro kosten, hieß es. Aber man kann sich sicher sein, dass noch sehr viele weitere Millionen Euro anfallen werden, um den Mäusebunker für die Zukunft zu rüsten.
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