Zwei neue RBB-Dokus über „Lost Places“: Zeitreise mit morbidem Charme

Der RBB stellt in zwei Dokumentationen „Lost Places“ in Berlin und Brandenburg vor. Die nicht mehr genutzten Gebäude stehen leer und verfallen.

Das Sonnenlicht fällt durch ein Fenster während eines Presserundgangs in das historische Stadtbad Steglitz. Das einstige Vorzeigeprojekt der preußischen Landgemeinde Steglitz wurde im Jahr 1908 eröffnet. Ab dem 26.10.2020 beginnt die Suche nach Interessenten für die künftige Nutzung des Stadtbades - bis heute ist aber nichts passiert

Das historische Stadtbad Steglitz, 1908 eröffnet, ist ein Lost Place und noch gut erhalten, da schwer zugänglich (Bild von 2020) Foto: dpa/Kay Nietfeld

BERLIN taz | Es handelt sich um ein Phänomen, das nicht groß auffällt. Weil man die immer weiter verfallenden Häuserkomplexe übersieht, weil sie am Stadtrand liegen, weil sich die Natur die verlassenen Areale zurückerobert. Lost Places ist der gängige Begriff dafür und bedeutet „vergessener Ort“.

Und wenn es keinen Sicherheitsdienst gibt, stellen sich Gäste ein. Neugierige Zeitgenossen mit Sinn für Abenteuer oder tolle Fotos – oder Typen, die Bock auf sinnlose Zerstörungen haben. Solchen vergessenen Orten spüren zwei neue Dokumentationen des RBB nach, die am Mittwoch TV-Premiere haben. Es geht um Geisterfabriken und Klinikruinen in der Region.

Lutz Renner erzählt in „Lost Places: Klinikruinen“ die unbekannte Geschichte von drei ehemaligen Krankenhäusern in Berlin und Brandenburg. Die Beschränkung auf drei Orte ist klug, so bleibt für jeden Standort genug Zeit. Die Bilder – oft faszinierende Aufnahmen – können wirken, die Zeitzeugen kommen gebührend zu Wort.

Südöstlich von Cottbus bei Kolkwitz liegt das „Tuberkulose-Schloss im Wald“ – dazu lässt sich nicht mal ein Wikipedia-Eintrag finden. Die Doku schildert die Geschichte des Areals: Einst wurden dort Arbeiterinnen aus der umliegenden Textilindustrie gepflegt, die sich mit Tuberkulose infiziert hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Klinik zu einem Reha-Zentrum für Herzpatienten. Seit 2007 steht das Gebäude leer, das Gelände verkam zur Brache. Bis Urban Explorer den verwunschenen Ort wiederentdeckten.

Schönheit des Verfalls

Andreas Böttger gehört zu ihnen. Aus seiner Leidenschaft hat er einen Beruf gemacht, organisiert Führungen und Fototouren in Lost Places. In der Doku nimmt er die Zu­schaue­r:in­nen mit auf so eine Zeitreise der besonderen Art. Der morbide Charme, die Schönheit des Verfalls hat seinen Reiz. Manchmal aber stellt sich ein bitterer Beigeschmack ein, wenn die Wucht der Zerstörungen durch Vandalismus sichtbar wird.

Wie in Buch: In dessen Stadtforst liegt ein Objekt, das nicht ohne Grund mitten in einem Wald erbaut wurde: das Regierungskrankenhaus der DDR. Die einstige Vorzeigeklinik, neugebaut und 1976 eröffnet (es gab seit 1950 in einem Altbau in der Scharnhorststraße in Berlin-Mitte ein Regierungskrankenhaus), steht seit 2007 leer und ist zu einer Ruine verkommen und „ein zerstörter Ort“: Die Fenster sind kaputt, es regnet hinein, überall platzt die Farbe in Batzen von den Wänden, Graffiti ohne Ende …

Schnitt: Böttger schreitet durch einen langen Gang, trägt Helm und Taschenlampe. Er spricht von „Entdeckerdrang“ und vom besonderen Gefühl, sich im DDR-Regierungskrankenhaus umzuschauen. Das war damals gut bewacht – früher wäre er da nie hineingekommen.

Die Filmemacher schauen aber nicht nur zurück, sondern auch nach vorn. Das wird mit der sogenannten „Bunkerklinik am Wannsee“ deutlich. Das riesige Areal mit Klinkerbauten, alten Patientenbaracken und einem gewaltigen Hochbunker liegt etwas versteckt inmitten von Wald.

Ende der 1930er Jahre zieht dort die Reichsluftschutzschule. Wenig später entscheidet die Wehrmacht, die zentrale Luftabwehr in und um Berlin dorthin zu verlegen. Ein Hochbunker entsteht und wird Kommandozentrale der Luftwaffe. Nach dem Krieg errichten die Amerikaner auf dem Areal eine Lungenklinik. Der Bunker wird schließlich zum Notkrankenhaus.

In einem viel besseren Zustand als der Gebäudekomplex in Berlin-Buch, stellt Andreas Böttger eine richtige Frage: Warum lässt man alles leerstehen und macht daraus nicht etwas? Zum Beispiel Wohnungen, die würden doch so dringend gebraucht.

„Lost Places“. Mittwoch, 20.15 Uhr, RBB, dann in der Mediathek

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.