Denkmalgeschützte Bahnbrücke: Abriss wäre abwendbar
Statt eines Abrisses könnte die Sternbrücke in Hamburg auch saniert werden, sagt ein Gutachten. Doch SPD und Grüne wollen am Neubau festhalten.
Bislang betonten Bahn und die Stadt stets, dass ein Neubau wegen des Alters der Brücke und des sich erhöhenden Schienenverkehrsaufkommens zwingend sei. Das Berliner Ingenieurbüro Lorenz & Co. jedoch hält eine Sanierung für möglich, mit der die 1925 eingeweihte Brücke auch bei der aktuell prognostizierten Weiternutzung ausreichend tragsicher sei. Eine Restnutzungsdauer von rund 50 Jahren hält das Ingenieurbüro für möglich.
Eine zentrale Sanierungsmaßnahme wäre demnach bei den Kontergewichten nötig. Diese halten die langen Durchlaufträger der Brücke und verhindern, dass die Träger bei einer hohen Belastung durchdrücken. Unmöglich wäre eine Sanierung nicht: Bereits Anfang der 1980er wurden diese Kontergewichte, die sich neben den Clubs in den Kasematten befinden, schon einmal erneuert. „Es ist nicht erkennbar, warum das heute nicht neuerlich geschehen könnte“, schreiben die Ingenieure in ihrem Gutachten.
Das fragt sich auch Kristina Sassenscheidt, Geschäftsführerin des Denkmalvereins Hamburg. Dass eine Sanierung bislang in den Planungen zur Zukunft der Sternbrücke konsequent ausgeschlossen wurde, versteht sie nicht. „Das Gutachten zeigt, dass die denkmalgeschützte Brücke nicht nur erhaltungswürdig, sondern auch erhaltungsfähig ist“, sagt Sassenscheidt.
Rot-Grün hält Abriss für unumgänglich
Sven Bardua, Autor des „Hamburger Ingenieurbauführers“, setzt sich ebenfalls für den Erhalt der Brücke ein. Er hält eine Sanierung zudem für wirtschaftlicher. „Die Kosten einer Sanierung dürften wesentlich billiger sein als ein Abriss samt Neubau.“ Immerhin stehen für einen Abriss mit Neubau bislang Kosten von rund 125 Millionen Euro im Raum.
Öffentlich wurde das Gutachten erst vor wenigen Tagen, nachdem die Linkspartei mit einer parlamentarischen Anfrage darauf drängte. „Warum das Gutachten erst jetzt öffentlich gestellt wurde, ist fraglich“, sagt Sassenscheidt. Seitens der Stadt heißt es, dass Gutachten üblicherweise nicht während eines laufenden Verfahrens öffentlich gemacht würden.
Klar ist jedenfalls, dass Bahn und Stadt in der Zwischenzeit einen Abriss weiter forciert haben. Nicht nur von der Bahn, auch von Rot-Grün hieß es bislang stets, dass ein Abriss unumgänglich sei. Erst nachdem die Bahn einen ersten Entwurf zum Neubau präsentiert hatte, reagierten die Koalitionäre auf die darauffolgende Empörungswelle. Weil der Entwurf viel zu massiv sei und das Stadtbild zerstöre, solle ein neuer Entwurf her.
Doch auch angesichts des Gutachtens rücken SPD und Grüne bislang nicht von einem Neubau ab. „Wir brauchen eine nachhaltige, verantwortungsvolle Lösung und kein Flickwerk“, sagt Ole Thorben Buschhüter, verkehrspolitischer Sprecher der SPD. Das sieht auch Gerrit Fuß von den Grünen so: „Durch einen Brückenneubau ergibt sich die Chance, nicht nur den Verkehr unterhalb der Brücke für den Rad- und Fußverkehr übersichtlicher zu gestalten, sondern auch dem Bedarf nach Lärmschutz nachzukommen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!