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Demos gegen rechtsMehrere Hunderttausend Menschen setzen Zeichen

Demonstrationen von Rostock bis München: Die Sorge vor einem Rechtsruck treibt erneut in vielen deutschen Städten Menschen auf die Straßen. Allein in München sind es mehr als 250.000.

Zehntausende auf der Theresienwiese in München erteilen einem Rechtsruck in Deutschland eine klare Absage Foto: Sven Hoppe/dpa

München/rostock/Hannover/Bremen dpa | Gegen rechts und für Demokratie sind bundesweit erneut mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straße gegangen. Allein in München kamen nach Polizeiangaben mehr als 250.000 Demonstrierende bei strahlendem Sonnenschein auf der Theresienwiese zusammen. Die Veranstalter sprachen von mehr als 320.000 Teilnehmenden. Laut Polizei verlief der Protest bis zum Nachmittag zunächst friedlich.

Unterstützt wurde die Demonstration für Vielfalt, Menschenwürde, Zusammenhalt und Demokratie aus ganz unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft, vom Filmfest München über Einrichtungen der Kirchen und der Freien Wohlfahrtspflege bis hin zu den Münchner Fußballclubs FC Bayern und TSV 1860.

Knapp 50.000 Menschen auf Demos in Hannover und Bremen

Auch in Niedersachsen und Bremen wurde demonstriert. An einer von der Initiative „Omas gegen Rechts“ organisierten Kundgebung in der Innenstadt von Hannover nahmen nach Polizeiangaben rund 24.000 Menschen teil.

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Holocaust-Überlebender protestiert in Leer

In Braunschweig versammelten sich nach Polizeiangaben rund 1.000 Menschen, im ostfriesischen Leer waren es etwa 1.500 Menschen. Auf dem Osnabrücker Marktplatz vor dem Rathaus versammelten sich der Polizei zufolge rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Nach Schätzung der Veranstalter „Omas gegen Rechts“ kamen dort unter dem Motto „Tanz für Toleranz“ bis zu 900 Menschen zusammen.

In Leer demonstrierten der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg (99) zusammen mit dem Mannheimer Fotografen Luigi Toscano (52) und Hunderten Menschen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie. Weinberg und Toscano hatten zuletzt angekündigt, ihr Bundesverdienstkreuz und ihre Verdienstmedaille an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zurückgeben zu wollen, nachdem die Union mit Stimmen der AfD einen Bundestagsantrag zur Migrationspolitik durchgebracht hatte.

Weinberg und Toscano, der als Fotograf mit dem Erinnerungsprojekt „Gegen das Vergessen“ die Schicksale von Holocaust-Überlebenden dokumentiert, verfolgten die Kundgebung direkt vor der Bühne vor dem Leeraner Zollhaus.

„Dass mir das noch passieren kann mit fast 100 Jahren“, sagte Weinberg der Deutschen Presse-Agentur. „Unglaublich.“ Ihm sei es wichtig gewesen, zusammen mit seinem Freund Toscano zu kommen und ein Zeichen zu setzen. Er sei froh, dass sich so viele Menschen versammelt hätten. Anschließend nahm er im Rollstuhl sitzend an dem Demonstrationszug durch die Innenstadt teil.

Toscano sagte, in wenigen Tagen werde er ein vertrauliches Gespräch beim Bundespräsidenten in Schloss Bellevue haben. Er sei weiterhin fest entschlossen, seine Verdienstmedaille zurückzugeben. Auch mit Weinberg wolle Steinmeier sprechen, allerdings telefonisch. Ob und wie es zu einer Rückgabe seines Bundesverdienstkreuzes komme, sei noch offen.

Weinberg überlebte die drei Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora im Harz, Bergen-Belsen bei Celle und mehrere Todesmärsche. Seine jüdische Familie wurde von den Nazis fast vollständig ermordet. 2012 kehrte er zusammen mit seiner Schwester aus den USA zurück in seine ostfriesische Heimat. Seitdem geht er in Schulen und berichtet Schülerinnen und Schülern von seinen Erinnerungen. Er wird in wenigen Wochen 100 Jahre alt.

Daneben habe es noch weitere Protestaktionen von linken Gruppierungen in der niedersächsischen Landeshauptstadt gegeben, sagte ein Polizeisprecher. Zum Teil sei versucht worden, Menschen vom Besuch an einem AfD-Wahlkampfstand abzuhalten. Die Polizei habe die etwa 250 Personen umfassende Gruppe von dem Stand weggedrängt.

In der Innenstadt von Bremen war für den Nachmittag eine Kundgebung unter dem Titel „Bremen hält zusammen“ angesetzt. Vor Beginn hatten sich laut Polizei auf dem Domshof in der Innenstadt mindestens 25.000 Menschen versammelt.

Etwa 25.000 Menschen in Rheinland-Pfalz und Hessen

Protest gab es auch in Rheinland-Pfalz und in Hessen. Wie die Polizei mitteilte, setzten sich in Gießen nach einer Kundgebung gegen rechts 13.000 Menschen in Bewegung. In Darmstadt versammelten sich 8.000 Menschen. Die erwartete Zahl von rund 1.000 Teilnehmern wurde damit deutlich übertroffen.

Bereits am Vormittag fand in Mainz eine Demonstration unter dem Motto „Eine Welt, die zusammenhält – Mainz wählt Zusammenhalt“ statt. Die Polizei zählte etwa 4.000 Teilnehmer. In Kassel kamen etwa 800 bis 1.000 Menschen einem Aufruf der „Omas gegen Rechts“ nach. Weitere kleinere Kundgebungen der „Omas gegen Rechts“ mit wenigen hundert Teilnehmern gab es in Frankfurt und Kaiserslautern.

3.000 Menschen demonstrieren in Rostock

In Rostock gingen rund 3.000 Menschen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Unter dem Motto „Alle gegen Faschismus – Rostock steht zusammen!“ zogen die Menschen durch die Innenstadt. Aufgerufen zu der Demonstration hatte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN – BDA). Nach Angaben der Polizei verlief die Demonstration friedlich.

Bereits am vergangenen Wochenende waren Hunderttausende Menschen in ganz Deutschland auf die Straße gegangen. Viele protestierten gegen die gemeinsame Bundestagsabstimmung von Union und AfD zur Verschärfung der Migrationspolitik.

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11 Kommentare

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  • Trotz dieser Demonstrationen hat die Mehrheit der Wähler noch immer nicht erkannt, daß es bei den nächsten Wahlen nur noch darum geht, eine wie auch immer ausgestaltete CDU/CSU/AfD-Regierung zu verhindern

  • Ich bin immernoch beeindruckt von der Veranstaltung auf der Theresienwiese.



    Eigentlich fühle ich mich in Menschenansammlungen nicht so wohl. Hier aber habe ich nur friedliche, besorgte aber hoffnungsvolle Menschen wahrnehmen können.



    Der einzige Bezug zu Gewalt, den ich wahrnehmen konnte war die siebenschwänzige Katze die eine Sängerin als Bühnenrequisite in Händen hielt.



    Insgesamt ein Ereignis das Hoffnung gibt.



    Danke an das ZDF, die mit hilfe einer Drohne Luftbilder der Menschenmenge liefern konnten.

    P.S.: ein Augur soll schon früh gewarnt haben: 'Hütet Euch vor den Ideen des Merz.'

  • Das macht Hoffnung.

  • Und das stört den Springer Verein und fängt an, die Demos als gekauft zu diskreditieren. Furchtbar.

    • @Merke:

      Was jammerst Du denn da rum?



      Die machen einfach ihren schmutzigen Job, wie sie ihn schon immer machten. Das sollte uns doch nicht überraschen.

    • @Merke:

      Es gehört zum normalen Vorgehen der Rechtsextremisten (incl. deren Medien) den demokratischen Menschen genau das zu unterstellen, was sie selbst tun. Z. B. fordern sie ja auch Meinungsfreiheit für ihre Hetze und reagieren auf sachliche Gegenreden mit "Halt's Maul" oder gleich mit Gewalt.

      Ich habe kein Geld bekommen (und hätte auch keins angenommen), sondern war gestern aus Überzeugung auf der Demo, um FÜR Demokratie zu kämpfen, weil das leider notwendig ist!

    • @Merke:

      Da würde mich jetzt mal interessieren, wer sich Demos in dieser Größenordnung leisten kann.



      Drei Stunden in der Kälte, Anfahrtswege, Bastelarbeiten usw. Ohne eigene Überzeugung macht das doch niemand unter 200 Euro.



      Dann die Logistik, das Geld auch auszuzahlen, die Anwesenheit zu prüfen, damit das Geld nicht für nichts bezahlt wird, und und und.



      Das geht in Hintertupfingen, wo zehn Hanseln ihre Schilder hochhalten. Aber wer in Hintertupfingen hat Interesse daran, diese zehn zu bezahlen?

      • @Herma Huhn:

        Ja nun, Frau Huhn...



        Sie möchten also wissen wer sich Demos in dieser Größenordnung leisten kann - und unterschieben damit Ihre eigentliche Frage dezent (die eine boshafte Unterstellung ist): "Wer bezahlt denn das alles? - Wieviel bekommt man denn fürs demonstrieren auf die Kralle?"



        Früher war das einfacher zu beantworten, gell. Da konnte man in der jeweils aktuellen BILD nachlesen: Da rollt der Rubel aus Moskau.



        Leider habe ich aber nie heraus gefunden wo und wie ich denn mein jeweiliges Demo-Salär beantragen und einkassieren hätte können. Moskau ist weit und irgendwie funktionierte das nicht zufrieden stellend. Ich bekam keine müde Kopeke ab.



        Aber vielleicht fragen Sie ja mal bei der BILD an, ob und wie denn der Geldtransfer mittlerweile besser läuft.



        Lassen Sie es mich bitte wissen.



        Verbindlichsten Dank!

      • @Herma Huhn:

        "Ohne eigene Überzeugung macht das doch niemand unter 200 Euro"



        Es ging nicht darum, dass die Teilnehmenden bezahlt wurden.



        Es geht darum, wer die Personen/NGOs bezahlt, die die Demos anmelden, Konzepte zur Genehmigung erarbeiten/einreichen, das Personal bezahlen (Ordner, medizinisches Personal) etc.

    • @Merke:

      Danke für die Info. Wusste ich nicht, weil ich Springer meide wie die Pest. Unglaublich was die Springer-Presse da wieder manipuliert.