Gegen Rechtsextremismus: 500.000 Menschen demonstrieren am Wochenende
Eine halbe Million Menschen protestierte seit Freitag deutschlandweit gegen Rechtsextremismus. Auch am Sonntag gingen Zehntausende auf die Straße.
![Eine Menschenmenge auf der Straße, und große Feuerwehrautos im Hintergrund Eine Menschenmenge auf der Straße, und große Feuerwehrautos im Hintergrund](https://taz.de/picture/7518568/14/37637244-1.jpeg)
Hauptbrandmeisterin Clara Feuerbach wolle dem „ehrlosen und brandgefährlichen Verhalten von Friedrich Merz und den Brandstiftern von BSW, FDP und CDU entschieden entgegentreten“. Ihre Ansage: „Sie zündeln, wir löschen“. Zu der Versammlung kamen bis zu 2000 Menschen. Doch schon am Startpunkt fiel einer aus: Adenauer SRP+, der Gefangenentransporter des Zentrums für politische Schönheit.
![ein silberner Bus mit blauem Band ein silberner Bus mit blauem Band](https://taz.de/picture/7518568/14/37637886-2.jpeg)
Der Riese, der schon in Riesa eindrückliche Töne von sich gab, wurde von der Polizei in „amtlichen Gewahrsam“ genommen. Die Beamten nannten mögliche Betriebsmängel als Grund. Die Eigentümer widersprachen dem ausdrücklich und gaben an, mehrere Fahrzeugkontrollen in den letzten Wochen erfolgreich durchlaufen zu haben. „Skandal“, nennt das Zentrum dieses Vorgehen auf der Plattform Bluesky.
Seit Freitag haben erneut mehr als eine halbe Million Menschen bundesweit demonstriert. Eine Auswertung der taz von mehr als 120 Veranstaltungen zeigt, dass bis Sonntag zwischen 500.000 und 600.000 Menschen auf der Straße waren. Derzeit fehlen noch Angaben von Dutzenden Demos am Samstag und Sonntag.
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Bereits am vergangenen Wochenende hatten mehr als eine halbe Million Menschen im ganzen Land demonstriert. Die Proteste richten sich gegen die extrem rechte AfD, hatten sich aber auch gegen Union und FDP ausgeweitet. Diese hatten im Bundestag Stimmen der AfD in Kauf genommen, um die Mehrheit für einen Antrag zur Migrationspolitik zu bekommen. Seit Jahresbeginn waren mindestens 1,4 Millionen bis 1,9 Millionen Demonstrant:innen auf der Straße.
Die größte Demo gegen rechts seit 2024
In München fand die größte Versammlung gegen rechts statt, selbst wenn die Protestbewegung von 2024 mit eingerechnet ist. Am Samstag demonstrierten auf der Theresienwiese mindestens 250.000 Menschen – die Veranstalter*innen sprechen gar von 320.000 Teilnehmenden. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung der bayerischen Landeshauptstadt wären das mindestens 15 Prozent.
Platz zwei der größten Demos gegen rechts geht an Berlin, wo letztes Wochenende mindestens 160.000 Menschen demonstrierten. Im letzten Jahr machte Hamburg mit 180.000 Demonstrant:innen das Rennen und zweiter war auch damals: Berlin, 150.000. Die taz arbeitet mit den von der Polizei geschätzten Zahlen – wie in München sind die Schätzungen der Veranstalter*innen in der Regel höher.
Wir sammeln Termine für die aktuellen Demonstrationen gegen rechts über die Mail-Adresse demohinweise@taz.de. Wir freuen uns über Hinweise auf Demonstrationen – am liebsten mit einer Quelle zu Berichterstattung durch Lokalmedien – und auf Demotermine in der Zukunft. Fehler und veraltete Informationen nehmen wir auch gerne an und korrigieren diese. Vielen Dank für die zahlreichen Zuschriften bisher!
Viele der Versammlungen seit letztem Freitag organisierten die Antifaschist*innen von Omas gegen Rechts. Mit einem bundesweiten Aktionstag mobilisierten die Omas in Hannover 24.000 Menschen. Zusammen mit anderen Organisationen stellten sie eine Demo in Konstanz mit 12.000 Teilnehmenden und in Bremen mit mindestens 35.000 Menschen auf die Beine. Der taz sind mindestens 30 weitere, meist kleine Orte bekannt, wo die Initiative mit Infoständen, Flashmobs, Kundgebungen und Menschenketten für die Demokratie auf die Straße ging.
Auch in Wuppertal, Nürnberg, Gießen, Heidenheim oder Marburg fanden Großdemos mit bis zu 25.000 Teilnehmenden statt.
Im fränkischen Nürnberg verlief die Versammlung nicht gewaltfrei. Ein Passant rief laut Angaben der Polizei „Sieg Heil“ in die Versammlung. Als ein Demonstrant ihn darauf der Polizei übergeben wollte, habe der Sohn des Passanten den Demonstranten blutig geschlagen, heißt es. Die Polizei leitete gegen Vater und Sohn Ermittlungsverfahren wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, Beleidigung und Körperverletzung ein.
Eindringliche Worte von NS-Zeitzeugin
In Vaihingen, Baden-Württemberg, hielt die NS-Zeitzeugin Wedelgard von Staden eine Rede. Sie berichtete laut Stuttgarter Zeitung von der Bedrohlichkeit, weil wieder Menschen verfolgt werden sollen, auch von der damaligen Begeisterung für die Nazis. Die fast 100-Jährige dankte den Anwesenden auf der Demo, dass sie sich „entschlossen haben, dagegenzuhalten“. Etwa 500 Menschen lauschten ihr. In Leer, Niedersachsen demonstrierte der Holocaustüberlebende Albrecht Weinberg mit etwa 1500 Menschen. Er sagte zur Deutschen Presseagentur: „Dass mir das noch passieren kann, mit fast 100 Jahren. Unglaublich.“
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Bis zur Bundestagswahl sind bereits jetzt mehr als 200 weitere Proteste angemeldet. Am 15. Februar veranstaltet die queere Community nach aktuellem Stand 51 Demos. Die Kampagne fordert demokratische Wahlentscheidungen, denn „Liebe ist stärker als Hass.“ Passend dazu lautet ihr Aufruf: „Wähl Liebe“.
Am 13. Februar finden in Dresden mehrere Proteste anlässlich des Jahrestags des Bombenangriffs auf Dresden vom Bündnis „wiedersetzen“ statt. Jedes Jahr mobilisiert auch die extrem rechte Szene zu Demonstrationen rund um diesen Tag.
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