piwik no script img

Demonstration zum 1. Mai in ParisAufgeheizte Stimmung vor der Wahl

Knapp eine Woche vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl fliegen in Paris Molotowcocktails. Die Kandidaten Macron und Le Pen buhlen um Stimmen.

Sondereinheiten der Pariser Polizei am 1. Mai 2017 Foto: dpa

Paris afp | Frankreichs Woche der Entscheidung hat mit Gewalt begonnen: Wenige Tage vor der Stichwahl um das Präsidentenamt entlud sich die aufgeheizte Stimmung im Land bei der Demonstration zum 1. Mai in Paris, vier Polizisten wurden durch Molotowcocktails teils schwer verletzt. Die rechtspopulistische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen und ihr Rivale Emmanuel Macron buhlten weiter um Wählerstimmen.

Laut Innenminister Matthias Fekl wurden die Bereitschaftspolizisten von „mehreren Dutzend“ Demonstranten mit „zahlreichen Molotow-Cocktails“ attackiert. Einer der vier Verletzten habe schwere Verbrennungen im Gesicht, ein anderer sei schwer an der Hand verletzt worden. Fekl verurteilte die Gewalt und rief zur Ruhe auf.

Nach Angaben der Polizei nahmen 30.000 Menschen an der Demonstration zum 1. Mai in Paris teil – drei Mal so viele wie nach Schätzungen der Polizei im vergangenen Jahr. Der Gewerkschaftsbund CGT sprach von 80.000 Teilnehmern. Die Lage eskalierte, als maskierte und vermummte Demonstranten die Polizei mit Wurfgeschossen und Molotowcocktails angriffen, die Beamten setzten Tränengas ein.

In Paris und anderen französischen Städten fanden außer den Mai-Demonstrationen verschiedene Proteste statt, die sich mal gegen Le Pen, mal gegen beide Präsidentschaftskandidaten richteten.

Wahlkampf auf Hochtour

Sechs Tage vor der Stichwahl buhlten die Kandidaten unterdessen weiter um die Stimmen der noch unentschlossenen Wähler. Le Pen rief bei einer Kundgebung dazu auf, gegen „die Finanzen, die Arroganz und König Geld“ aufzubegehren. Den sozialliberalen Reformpolitiker und ehemaligen Investmentbanker Macron nannte sie „Kandidat des Systems“.

Macron legte Blumen an einer Gedenktafel für einen 1995 von Front-National-Anhängern in Paris getöteten Marokkaner nieder, bevor auch er vor Anhängern auftrat. In seiner Rede versprach er, Frankreich angesichts der „Beleidigungen und der Obszönität“ der Front National zu „erneuern“. „Was uns die Front National anbietet, ist die Auflösung des Vertrags, der uns vereint, das ist ein Weg ohne Rückkehr.“ Wenn Frankreich einmal aus der EU und dem Euro austrete, gebe es kein Zurück mehr.

Le Pen ist allerdings von einem ihrer wichtigsten Wahlversprechen, dem Euro-Ausstieg, abgerückt. Am Samstag kündigte sie an, im Falle ihres Wahlsiegs den EU-kritischen Politiker Nicolas Dupont-Aignan zum Premierminister zu machen, der in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl 4,7 Prozent der Stimmen erzielt hatte. In einem Abkommen mit Dupont-Aignan steht, dass der Euro-Ausstieg in der Wirtschaftspolitik keine „Vorbedingung“ sei.

Am Montag ruderte Le Pen wieder etwas zurück: Der Euro-Ausstieg sei weiterhin ihr Ziel, sagte sie im Sender Europe 1. In der Wirtschaftspolitik könnten aber „viele Maßnahmen“ ergriffen werden, „die nicht mit der Währung zusammenhängen“. Mit ihrer Abkehr vom Euro-Ausstieg versucht Le Pen offenbar auf die vielen Franzosen zuzugehen, die zwar EU-kritisch, aber nicht Euro-feindlich sind.

Warnung vor Votum

Der Linksaußen-Politiker Jean-Luc Mélenchon warnte seine Anhänger am Sonntag davor, für Le Pen zu stimmen. Dies wäre „ein schrecklicher Fehler“, sagte er, ohne jedoch eine Wahlempfehlung für Macron abzugeben.

Mélenchon war im ersten Wahlgang am 23. April mit 19,6 Prozent auf dem vierten Platz gelandet. Viele seiner Anhänger lehnen die liberale Wirtschaftspolitik Macrons ab und wollen sich bei der Stichwahl lieber enthalten als für den 39-Jährigen zu stimmen. Macron kommt in Umfragen inzwischen auf 59 Prozent – vier Punkte weniger als direkt nach der ersten Wahlrunde.

In seiner Rede wandte sich der proeuropäische Kandidat am Montag an diejenigen Franzosen, die ihn nur wählen wollen, um Le Pen zu verhindern: „Ich will ihnen hier meinen Respekt aussprechen, und mir ist vollkommen klar, dass ich am 7. Mai mehr als ein politisches Projekt verteidige: Ich kämpfe für die Republik und die freiheitliche Demokratie.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Mme Le Pen rückt von einem ihrer wichtigsten Wahlversprechen ab, und das vor der Wahl. Damit überTrumpft sie sogar ihren Bruder im Geiste.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Macaron sizt immer mehr in der Zwickmühle, er hat den linken Wählern nichts zu bieten und kann ihnen keine Zugeständnisse machen, sonst laufen ihn die Wähler vom rechten Rand davon. Er hat Mélenchons Forderung, seine Arbeitsmarktreform aufzugeben, eine klare Absage erteilt. Und in seiner Rede heute, hat er ausser" Ich will Franrkreich erneuen, wir sind die Zukunft Frankreichs, Widerstand ist Renaissance" nichts weiter gesagt, nichts inhaltliches und er hat alle seine Unterstützer namentlich genannt. Einer von seinen Unterstützerinnen, die ehemalige Umweltministerin von Juppé und Umweltschutzanwältin Corinne Lepage hat heute gesagt, wenn Macron keine inhaltlichen Zugeständnisse machen will, soll er wenigsten seine Methode änden. Im Klartext: Die demokratischen Spielregeln beachten und seine Reformen nicht per Dekret, ohne die Zustimmung des Parlaments durchzupeitschen. Macron hat aber Angst, dass er die Parlamentswahlen verliert, denn bei seinem arroganten Verhalten Andersdenkenden gegenüber ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Wähler, die für ihn stimmen, weil sie gegen Marine Le Pen sind, für die Kandidaten von ´En Marche" bei den Parlamentswahlen stimmen werden. Es sieht schlecht aus für eine präsidiale Mehrheit, denn seine Mehrheit am nächsten Sonntag, wenn er sie denn bekommt, wird nur eine Mehrheit auf Pump sein. Die Linken wählen dann wieder La France Insoumise oder die Rest PSF, die Rechte wählt wieder LR und bei den vielen Drei-und Viereckskandidaturen im zweiten Wahlgang der Parlamentswahlen wird der FN wohl auch ein paar Dutzend Abgeordnete bekommen, der Rest ist dann für "En Marche". Da ist es dann schwierig Majoritäten zu bekommen, wie Bismarck so schön sagte. Entweder er peitscht seine Reformen also per Ordonnance durch oder er bittet die Konservativen um Hilfe, auf Fillon kann er sich dann verlassen, wenn er ein bisschen weiter nach Rechts rückt. Das nennt sich dann " renouveau".