Demonstration gegen Plastik: „Wir müssen radikaler werden“
Am Samstag findet in Berlin die Bye-Bye-Plastik-Demonstration statt. Die Veranstalter fordern Mut zum zivilen Ungehorsam.
taz: Herr Maiwald, Ihre Umweltinitiative „Civil Integrity“ organisiert ihre erste Demo in Berlin. Was wollen Sie erreichen?
Phillip Maiwald: Unsere Initiative steckt noch in der Aufbauphase. Wir wollen aber schon jetzt einen kleinen Beitrag im Kampf gegen Umweltverschmutzung leisten. Durch kreative Aktionen wollen wir eine Botschaft an die Politik senden, die sich dringend mit der Vergiftung der Erde und der Bedrohung durch den Klimawandel beschäftigen muss. Das sind aus unserer Sicht die größten Probleme der Gegenwart und wir haben keine Zeit, „realpolitisch“ immer nur kleine Schritte zu gehen.
Sie fordern dazu auf, Müll auf die Straßen zu werfen .
Das ist höchstens eine versteckte Aufforderung. Ich werde bei der Demo nicht dazu aufrufen, Müll auf die Straße zu schmeißen. Das ist zunächst eine Idee und ein Anstoß, über andere Protestformen nachzudenken. Dazu könnte auch ziviler Ungehorsam gehören. Wir können nicht immer nur freundlich und kooperativ sein. Wir brauchen kreativen Protest am Rande des rechtsstaatlichen Rahmens um eine andere Gangart angesichts der drängenden Probleme einlegen zu können. Es wäre schön, wenn diese Idee diskutiert wird und sich herumspricht. Mal sehen was passiert, vielleicht ja eine kleine Revolution.
Warum nicht Müll aufsammeln?
Ich finde im Jahr 2018 ist es kompletter Blödsinn, das Plastik auf den Straßen einzusammeln. Ich mache das auch manchmal, aber denke dann oft: Die Dinge, die wir wegräumen, liegen am nächsten Tag schon wieder dort. Deswegen wählen wir den gegenteiligen Ansatz. Was wäre, wenn wir unseren Plastikmüll in großem Maßstab auf die Straße werfen? In dezentralen, gut organisierten Aktionen zum Beispiel.
Jahrgang 1973, ist Initiator der Bye Bye Plastik-Demo. Er hat freie Kunst studiert, ist Bilderbuchautor und hat die Umweltinitiative "Civil Integrity" ins Leben gerufen.
Stellen Sie Ihre Forderungen auch an das Konsumverhalten der Einzelnen?
Uns geht es weniger um die Verbraucher. Das ist eine Ruhigstellungstaktik, wenn gesagt wird Konsumenten seien verantwortlich. Klar können wir unser Einkaufsverhalten hinterfragen. Aber die Verantwortlichen in der Politik und die Lobbyisten der Wirtschaftszweige tragen auch Verantwortung. Und die kann man den normalen Bürgern nicht einfach überstülpen. Es ist zu spät um ausschließlich auf Umweltbildung zu setzen.
Sie protestieren gegen Plastik. Auf manchen Ihrer Protestschilder steht aber „I love Plastic“.
Unsere Beziehung zu Plastik ist ambivalent. Wir alle sind mit Kunststoff groß geworden, es vereinfacht das Leben. Ich sehe da eine Hassliebe und glaube, dass wir liebevoller denken müssen. Es nützt nichts, das Plastik zu dämonisieren. Wir müssen anders recyclen, wertschätzender damit umgehen, es teilweise neu erfinden. Das muss man mitdenken, wenn man etwas entgegensetzen will.
Was hat Kunst mit ihrem politischen Anliegen zu tun?
Wenn wir uns heutzutage an Politik und Gesellschaft wenden, ist das Erscheinungsbild wichtig. Wir wollen ästhetisch nicht an die klassische 80er Jahre-Optik anknüpfen, mit dieser nach oben gereckten, roten Faust. Wir wollen zeitgemäßer, inhaltlich pointierter und provokanter sein.
Also muss man Protest besser vermarkten?
Es ist auch grenzwertig, wenn alles eventisiert werden muss um die Leute zu mobilisieren. Party-Protest sehe ich eher kritisch. Wir wollen am Samstag zum Beispiel ruhige 60er-Jahre-Musik spielen. Das soll ein besinnlicher Spaziergang werden, keine laute Party.
Ihre Initiative nennt sich postaktivistisch. Was meinen Sie damit?
Protest muss einen Schritt weitergehen. Wir müssen aus der Komfortzone herauskommen, schärfer und radikaler werden. Mit Kreativität, Humor und Gelassenheit geht die Kultur des Protests weiter. Wir sind nicht die ersten, die das machen, aber andere Aktionen bleiben oft sehr klassisch und sind nicht an so provokante Aktionen gekoppelt.
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