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Demokratieprogramm in ThüringenNur noch gegen Nazis

Das Programm für Demokratie in Thüringen soll sich nicht mehr gegen Linksextremismus und Islamismus richten. Offenbar tragen CDU-Minister die Entscheidung mit.

Waren die einzigen, die bisher das Landesprogramm nutzten: Initiativen gegen Neonazis. Bild: dpa

BERLIN taz | Es ist ein überraschender Paradigmenwechsel in Thüringen. Die schwarz-rote Landesregierung will mit ihrem 2010 gestarteten Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit nur noch gegen Rechtsextremismus kämpfen. Wie Sozialministerin Heike Taubert (SPD) am Mittwoch in Erfurt ankündigte, sollen die Bereiche Linksextremismus und islamistischer Extremismus aus dem Programm gestrichen werden.

Das bedeutet auch eine weitere Schlappe für den Thüringer Verfassungsschutz, der deren Aufnahme forciert hatte. Thüringen wende sich „gegen jede Form von Extremismus“, hieß es bislang. Dabei gebe es mit Linksextremismus und Islamismus kein gesellschaftliches Problem, so Taubert. Sie begründet die jetzige Entscheidung auch mit der Verantwortung ihres Bundeslandes nach dem Auffliegen der aus Thüringen stammenden NSU-Terroristen. Das Landesprogramm soll für das Jahr 2013 um 900.000 Euro auf 2,4 Millionen Euro aufgestockt werden.

Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, hatten das Programm wegen seiner unspezifischen Ausrichtung von Anfang an kritisiert. Von einem „großen Schritt“ spricht so auch Madeleine Henfling, Sprecherin der Bürgerbündnisse gegen Rechtsextremismus. „Das ist mehr, als wir erwartet hätten.“

Auch die Sprecherin für Antifaschismus der thüringischen Linksfraktion, Katharina König, ist sehr zufrieden. „Das ist eine klare Absage an die Extremismustheorie.“ Die neue Ausrichtung werde dem gerecht, was in Thüringen seit Jahren Realität sei. „Wir haben hier kein Problem von links, sondern ein Problem mit Neonazis.“

In der thüringischen CDU-Fraktion sieht man das ganz anders. Zwar sei es richtig, das Hauptaugenmerk auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus zu legen, sagte die Abgeordnete Beate Meißner. „Dennoch dürfen andere Formen des Extremismus nicht völlig ausgeblendet werden.“ Sie wundere sich über den „Alleingang der Ministerin“, teilte Meißner mit. Die Streichung der Passage sei nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt gewesen.

CDU-Minister im Urlaub

Man müsse zur Kenntnis nehmen, „dass es auch anderen Extremismus neben dem Rechtsextremismus gibt, der Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft gefährdet“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Wolfgang Fiedler. „Mit uns wird es deshalb keine Änderung des Landesprogrammes geben.“

Das Parlament hat bei der Neuausrichtung des Programms formal gar nichts mitzuentscheiden. Ein Kabinettsbeschluss steht noch aus. Laut Sozialministerium haben die anderen Ressorts aber bereits ihre Zustimmung signalisiert. Was Innenminister Jörg Geibert (CDU) von der Neuausrichtung des Landesprogramms hält, war am Mittwoch nicht in Erfahrung zu bringen. Er ist nach Angaben seines Sprechers gerade im Urlaub.

Sozialministerin Taubert betont, dass bislang kein einziges Projekt gegen Linksextremismus oder islamistischen Extremismus mit Fördermitteln des Landesprogramms gefördert wurde. Es sei jetzt „noch offenkundiger, dass da kein Bedarf besteht“, sagte Christian Möller, Leiter der für das Landesprogramm zuständigen Stabsstelle im Sozialministerium der taz.

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10 Kommentare

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  • H
    H.P.Barkam

    Ich bin begeistert!

     

    Vernunft in der Politik, dachte ich, wäre längst abhanden gekommen.

  • M
    Marco

    Ja genau, BRAVO! Der beste Weg für die Demokratie zu kämpfen, ist sich auf eine Gruppe von Anti-Demokraten zu konzentrieren und alle anderen Anti-Demokraten zu ignorieren. So war es ja auch ein unzuverzeihender faux-pas, dass die Bundesrepublik sich mit der RAF befasst hat, obwohl es ja auch Rechtsradikale gab.

     

    Solange es Nazis gibt, sollten Islamisten und Linksextremistische Radikale ignoriert werden.

     

    Genauso sollte man Krebs ignorieren, solange AIDS nicht besiegt ist.

     

    Genauso sollte man sexuelle Diskriminierung in der Schule ignorieren, solange es sexuelle Diskriminierung am Arbeitsplatz gibt.

     

    Genauso sollte man Vergewaltigungen ignorieren, solange es Morde gibt.

     

    Genauso...

  • M
    Matze

    "Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, hatten das Programm wegen seiner unspezifischen Ausrichtung von Anfang an kritisiert."

     

    Klar. Diese Initiativen laufen überwiegend (!) unter den Bannern der Antifa - einer LINKSEXTREMEN Bewegung. Das die das kritisierten, daß man sich auch gegen linken Fanatismus engagiert ist nachvollziehbar.

     

    "Auch die Sprecherin für Antifaschismus der thüringischen Linksfraktion, Katharina König, ist sehr zufrieden."

     

    Soso...die offizielle SED-Nachfolgepartei mit einem von der Partei abgesegneten "Kommunistischen Flügel" ist zufrieden. Vielleicht äußert sich noch Pierre Vogel dazu...gibts schon was auf Youtube?

     

    Unterm Strich macht es in der Praxis ja keinen Unterschied, ob sich diese Alibi-/Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme nun gegen ALLE Extremisten wendet - oder nicht. Nennenswertes geleistet haben die ja schließlich nicht. Das einzig Relevante ist die Signalwirkung einer solchen Entscheidung, "Linksextremismus/Islamextremismus" seien keine Feinde einer freien, friedlichen Gesellschaft.

  • M
    Michel

    Na ja...bleibt halt mehr Platz für die ganzen Bürgerinitativen und Pro-Bewegungen. Die haben zwar weniger Geld und sicherlich weniger mediale Unterstützung, dafür wachsen sie seit Jahren stetig. Eine Form des ehrlichen Widerstandes gegen Linksextremismus und Islamismus aus den Wurzeln der Bevölkerung.

     

    Die können's eh besser als diese lachhaften offiziellen Beschäftigungsprogramme "Gegen Rechts".

    Sieht man ja wie wirksam die gegen Rechtsextremismus sind.

    *kicher*

  • H
    Hulk

    Ach herrlich,

    wie einfach die Welt doch ist, wenn man sein Weltbild selbst gestalten kann.

    Thüringen wird in Zukunft bestimmt ein beliebtes Bundesland für, na, sagen wir mal "ALLES ausserhalb des rechten Spektrums".

  • F
    Fred

    Erich Honecker und Osama Bin Laden haben gewonnen.

    Deutschland schafft sich ab.

  • AN
    Anno Nüm

    So lange der Staat die Rechten fördert, sollte er nicht so tun, als ob er sie bekämpft. Womöglich würde es ausreichen, wenn der Staat die Zahlungen für die sogenannten V-Männer einstellt und dazu den Verfassungsschutz abzieht. Für die prügelnden Schläger gibt es ein effektives Grundgesetz, welches die zur rechten Seite so freundlichen Richter einfach einmal hart anwenden sollten, und schon hätten wir ein freies friedliches Deutschland.

    Aber mit rechtem Terror lässt sich hierzulande gut jedes Überwachungsgesetz platzieren. Welcher Politiker würde ein solch geniales Instrument abschaffen wollen?

  • C
    Carsten

    Ist doch klar: Vor den Islamisten hat man schlichtweg Schiss und mit den Linksextremen sympathisiert man (mehr oder weniger) klammheimlich. Und die "Nazis" sind der personifizierte Pferdefuß, den sich jede Gesellschaft schafft. Es wird immer schlimmer in diesem Irrenhaus!

  • F
    fachkenner

    kein gesellschaftliches Problem mit Islamisten ?

    Diese Einschätzung kann ja für Thüringen zutreffen, aber global betrachtet sollte jeder, der dies behauptet, seinen Geisteszustand überprüfen lassen

  • GW
    Ganz wie früher

    Man sollte sich jetzt im Kampf gegen Rechts nur noch zu einer einheitlichen Partei zusammenschließen. Da die zu Unrecht als Linksextremisten verfolgten "Linkspartei"-Demokraten schon mit am Tisch sind sollte man nun auch die als Islamisten geschmähten Bürger der Zililgesellschft ins Boot der einheitlichen Partei holen. Dann gemeinsam gegen Rechts also die Nazis kämpfen. Die Älteren der "CDU" sind ja darin geübt Oppositionsarbeit in einer einheitlichen Partei zu leisten. Gut, daß auch die Medien so schön einheitlich sind. In Baden Würtenberg kann man schon im Ministerium anrufen um anonym seinen Nachbarn wegen rechten Umtrieben anzuzeigen. Das Ministerium sollte man bundesweit ausbauen und mit Voll- und Teilzeitkräften verstärken. DANN ist alles wie früher.