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Demo für bessere ArbeitsbedingungenFrankreichs Polizisten marschieren

Suizide und massive Überstunden zeugen von schlechten Arbeitsbedingungen bei Polizisten. Nun demonstrierten sie in Paris für Verbesserungen. ​

Protestzug von Polizisten ohne Uniform am Mittwoch in Paris Foto: Thibault Camus/ap

PARIS taz | Der Unmut ist groß in den Reihen der französischen Polizei. Da sie kein Streikrecht haben und ihre Uniform nur im Dienst tragen dürfen, haben am Mittwoch in Paris rund 10.000 Polizeibeamte und -beamtinnen in Zivil demonstriert. Es ist vielleicht die größte Kundgebung von Polizisten seit je. Es ist überhaupt sehr ungewöhnlich, dass diese Beamten, deren Aufgabe die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit ist, selber protestierend auf die Straße gehen.

Nichts verdeutlicht wohl auf drastischere Weise die „Malaise“ unter Frankreichs Polizeibeamten als die Suizidwelle. Allein seit Jahresbeginn haben sich 52 Angehörige der Polizei das Leben genommen, in vielen Fällen während ihrer Dienstzeit und mit der Dienstpistole.

Die Selbsttötungsserie wird auf die außerordentliche Belastung der Beamten, auf die Beeinträchtigung ihres Familienlebens, ihre Verantwortung bei oft riskanten Einsätzen, aber auch auf entmutigend schlechte Arbeitsbedingungen mit Personalmangel und in heruntergekommenen Kommissariaten zurückgeführt.

Nach dem 52. Selbstmord lautet die Botschaft der Demonstrierenden an die Regierung: „Rien ne va plus!“ (Nichts geht mehr!) An der Spitze ihres „Marschs der Wut“ trugen die Demonstranten 52 Särge mit, vor denen ein schwarz gekleideter Schnitter seine Sense zum Totentanz schwang. Die einzige Antwort des Innenministeriums auf die Suizidwelle bestand bisher in der Einrichtung einer telefonischen Notrufnummer für Polizisten.

„Gelbe Karte für die Staatsführung“

„Eine gelbe Karte für Staatsführung“ sei der Sinn der Kundgebung, erklärt der Sprecher der Gewerkschaft Alliance, Fabien Vanhemelryck. Er präzisiert, es gehe nicht allein um die Zahl der Suizide, sondern um „eine Akkumulation von schweren Problemen“.

Die Liste der Beschwerden und Forderungen ist lang: Im Vordergrund steht der Mangel an Personal und moderner Ausrüstungl. Ein Fernsehsender porträtierte einen (auf seiner Anonymität bestehenden) Polizisten, der sagt, er habe seine schusssichere Weste und andere Dinge auf eigene Kosten gekauft. Denn die Modernisierung mit neuen Waffen und neuer Ausrüstung komme bisher hauptsächlich den Elitetruppen zugute.

Innenminister Christophe Castaner hat versprochen, im kommenden Jahr würden 1398 Stellen bei der Polizei geschaffen und 4000 neue Fahrzeuge angeschafft.

23 Millionen Überstunden

Die große Belastung zeigt die Zahl von 23 Millionen seit Jahren akkumulierten Überstunden. Gerade an den Wochenenden mit Aktionen der „Gelbwesten“ seien Arbeitstage mit 18 Stunden keine Seltenheit mehr. In der Regel könne ein Polizist nur alle sechs Wochen ein ganzes Wochenende mit der Familie verbringen.

Auch der Gelbwestenführer Eric Drouet und etwa zwanzig „Gilets jaunes“ waren gekommen, um von Angesicht zu Angesicht gegen die Gewalt der Polizei bei deren Kundgebung zu protestieren. Sie wurden von den demonstrierenden Polizisten empört ausgepfiffen und mussten von den Ordnungskräften der Gendarmerie beschützt werden.

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5 Kommentare

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  • Wo sind die deutschen Polizeien?.. Traut euch! ..

  • Einen Zusammenhang zwischen Überstunden und Gelbwestenprotest herzustellen, hat schon was. Das würde auch den deutschen Gelbwestengegnern passen.

  • Wäre interessant, wer dann die marschierenden Polizisten niederprügelt, mit Tränengas besprüht und auseinandertreibt. Vielleicht die Armee? Oder die Kiss Army?

    • @Dörte Dietz:

      Der Gedanke mit dem Tränengas und Prügelpolizisten kam mir auch als erstes. Die haben sich ihren Job ja nicht umsonst ausgesucht.



      Trotzdem ist die Prügel - Tränengas - Problemathik ein System-Fehler des Obrigkeitsstaats.

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        Ich weiß nicht wie es in Frankreich ist, aber ich vermute Mal auch da haben Polizisten ein Remonstrationsrecht. Niemand muss Befehle Ausführen, die gegen sein oder ihr Gewissen gehen