Demo-Portal der Polizei: Stressi für alle
Das neue Versammlungsfreiheitsgesetz macht es möglich: Alle Kundgebungen und Demos Berlins auf einer Übersichtsseite der Polizei.
Richtig lohnenswert ist es jedoch, die Seite von oben zu scannen und damit die aktuellen Versammlungstermine in Augenschein zu nehmen. Allein 145 Demonstrationen und Kundgebungen listet die Polizei am Dienstagnachmittag für die laufende Woche auf. Viele, viele weitere folgen für die kommenden Wochen und Monate. Angegeben sind jeweils Zeit, Versammlungsort bzw. Route sowie Thema der Veranstaltung.
So erfährt man, dass am Mittwoch zwischen 11 und 12 Uhr auf dem Alexanderplatz unter dem Motto „Tofu hat noch nie eine Pandemie verursacht“ demonstriert wird und sich am Abend vor dem Bundeskanzleramt zur Dauerkundgebung „Merkel muss weg“ getroffen wird. Am Donnertsagfrüh gibt es dann gleich vier Kundgebungen anlässlich der geplanten Räumung der Meuterei.
Das etwas versteckte Portal auf der Seite der Polizei – zu finden über die Unterpunkte „Service/Versammlungsbehörde/Versammlungen“ – bietet einen unmittelbaren Einblick in die Skurrilität der politischen Landschaft der Stadt und ist zugleich nichts weniger als eine kleine demokratische Revolution. Grundlage für diesen Service bietet das Ende Februar durch die rot-rot-grüne Koalition beschlossene Versammlungsfreiheitsgesetz, das die Versammlungsbehörde zur Veröffentlichung verpflichtet.
Schneller als man es im hiesigen digitalen Mittelalter erwarten konnte, hat die Polizei die Anforderung umgesetzt. Für alle Demotouristen bietet die Seite einen unschlagbaren, weil umfassenden Service, den trotz aller Bemühungen alternative Seiten wie der Stressfaktor nicht bieten können. Und noch ein Bonbon bringt die neue Transparenz mit sich: Auch extrem rechte Aufmärsche, deren Routen in der Vergangenheit von der Polizei mitunter geheim gehalten wurden, um Gegenprotest zu erschweren, werden hier zu finden sein.
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