Delfine im Mittelmeer sind bedroht: Die Nahrung fehlt
Überfischung und unselektive Fangmethoden bedrohen die letzten Wal- und Delfinpopulationen im Mittelmeer. Vor der kroatischen Küste gibt es nur noch 220 Tiere.
BERLIN taz | Es gehört schon sehr viel Glück dazu, einen der letzten Delfine vor der kroatischen Küste beobachten zu können. Wo einst Tausende dieser Meeressäuger heimisch waren, ist der Bestand heute auf gerade einmal 220 Tiere geschrumpft. Nach den IUCN-Kriterien für bedrohte Arten sollte eine überlebensfähige Population mindestens 1.000 geschlechtsreife Delfine besitzen.
Die größten Chancen, die Meeressäuger zu sehen, bestehen um die Inseln Cres und Losinj in der Kvarner Bucht. Von 2006 bis 2009 war ein Teil der Bucht sogar Meeresschutzgebiet. Nach drei Jahren jedoch konnte es wegen des Widerstands der Küstenbewohner nicht weiter durchgesetzt werden. Man befürchtete Einschränkungen beim Bau neuer Jachthäfen.
Aber nicht nur vor der kroatischen Küste, im gesamten Mittelmeer ist seit den späten 1990er Jahren ein extremer Populationsrückgang von Walen (Delfinen gehören zur Gruppe der Zahnwale) zu beobachten. Auch die Einrichtung bedeutender Schutzgebiete wie im Ligurischen Meer vor Korsika oder im Golf von Neapel konnte den Rückgang bisher nicht aufhalten.
Ulrike Kirsch, Projektleiterin der Gesellschaft zur Rettung der Delfine e. V. (GRD) in Kroatien, ist sich sicher, dass „Schutzgebiete allein kaum ausreichen werden, den durch Menschenhand so drastisch dezimierten Bestand zu sichern oder die Population wieder anwachsen zu lassen.“
Vor allem Überfischung und unselektive Fangmethoden sind die Hauptursache dafür, dass die Tiere kaum noch Nahrung finden oder als Beifang in Fischernetzen verenden.
Auch Schwebnetze sind schädlich
Zwar ist die Treibnetzfischerei seit 2002 in EU-Gewässern verboten. Aber bereit 2006 wurde das Verbot auf Druck Italiens gelockert und sogenannte Schwebenetze zugelassen. Diese Netze werden zwar verankert, funktionieren in der Praxis aber wie herkömmliche Treibnetze und machen für bedrohte Meerestiere keinen Unterschied.
Die GRD bemüht sich seit 1999 mit wenig Geld und viel Engagement um die Erforschung und den Schutz der gefährdeten Meeressäuger. Neben der Einrichtung von Schutzgebieten mit striktem Verbot für Boote und Fischfang, setzen sich die Tierschützer für einen umfassenden Schutz des Meeres als Ökosystem und für Fischerei- und Beifangreduktion ein.
Etwa 15 Wal- und Delfinarten sind im Mittelmeer heimisch. Der am häufigsten gesichtete Delfin ist der Große Tümmler (Tursiops truncatus). Im Durchschnitt werden Tümmler drei Meter lang und wiegen bis zu 600 Kilogramm. Mit ihrem stromlinienförmigen Körper und der glatten, sich permanent regenerierenden Haut erreichen sie mühelos eine Spitzengeschwindigkeit von 65 Kilometer pro Stunde.
Die Attraktion im Deflinarium
Der Große Tümmler ist in allen Ozeanen verbreitet und die bekannteste unter den etwa 40 Delfinarten. Mit seinem relativ kurzen, flaschenhalsähnlichen Schnabel und dem grauen Körper, der zum Bauch hin heller wird, prägt der Tümmler das Bild, das sich Menschen von Delfinen machen. Er ist die Attraktion in den meisten Delfinarien.
Auch wenn der Große Tümmler weltweit nicht vom Aussterben bedroht ist, so sind sämtliche Populationen von Gibraltar bis in die Ägäis stark gefährdet. Sein kleinerer Artgenosse, der Gemeine Delfin (Delfinus delphis), ist aus der Adria bereits verschwunden und im östlichen Mittelmeer wird sein Lebensraum immer mehr eingeschränkt.
Nicht besser steht es um die Delfinpopulationen an der europäischen Atlantikküste vor der Mündung des Sado, südlich von Lissabon oder in der Biskaya. Einzig die Zahl der Delfine in der Nordsee ist deutlich angestiegen. Forscher der School of Marine Science and Technology an der Universität Newcastle sehen die ansteigenden Temperaturen des Meerwassers und ein reichhaltiges Nahrungsangebot als Ursache dafür.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste