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Dehoga-Chefin über Hotelboom„Das waren wirklich goldene Zeiten“

Hamburg erlebte bis 2019 einen riesigen Bauboom von Hotels. Nun sind viele Projekte ins Stocken geraten, sagt Dehoga-Chefin Ulrike von Albedyll.

Hier entstehen Hotels: Baugrube in der HafenCity Foto: Christian Charisius/dpa
André Zuschlag
Interview von André Zuschlag

taz: Frau Albedyll, waren die Jahre von den Nullerjahren bis zur Pandemie goldene Zeiten für Hamburgs Hotellerie?

Ulrike von Albedyll: Auf jeden Fall. Es kamen immer mehr Hotels dazu, aber die Nachfrage nach Übernachtungen wuchs in gleichen Schritten – bis 2019 gab es stetige Zuwächse bei den Übernachtungszahlen. Hamburg war als Tourismusziel sehr attraktiv. Und auch die Übernachtungen zu Geschäftszwecken nahmen kontinuierlich zu. Das waren wirklich goldene Zeiten.

Die Zahl der Hotels war in 20 Jahren um zwei Drittel gestiegen, die Zahl der Betten hatte sich mehr als verdoppelt. War die neue Konkurrenz für die schon bestehenden Hotels kein Problem?

Nein, die neue Konkurrenz war kein Problem. Wir müssen nur auf die Bettenauslastung schauen: Sie hat durchgehend auf einem hohen Niveau von etwa 60 Prozent gelegen. Das ist enorm.

60 Prozent klingt aber, als wäre da noch Luft nach oben gewesen.

Kaum. Hamburg hatte ohnehin die höchste Bettenauslastung Deutschlands. Nun spricht die Statistik von Bettenauslastung, die Hoteliers rechnen aber in Zimmerauslastung. Wenn Sie die Zimmerauslastung betrachten – ist ein Doppelzimmer mit einem Gast belegt, ist das zweite ja nicht verfügbar – haben Sie einen deutlich höheren Wert als 60 Prozent. Umso härter war der Aufprall, als viele Hotels Mitte März letzten Jahres conronabedingt keine Touristen mehr beherbergen durften. Es waren zwar noch Übernachtungen für Geschäftsreisende möglich, aber viele verzichteten darauf. Homeoffice und Videokonferenzen waren auf einmal sehr angesagt.

Wie ist die Prognose für die kommenden Jahre?

Bild: Privat
Im Interview: Ulrike von Albedyll

ist Juristin und seit 2016 Landesgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in Hamburg. In dem Arbeitgeberverband sind rund 2.000 Mitglieder zusammengeschlossen.

Ich wage keine Prognose, denn wir merken ja alle gerade, dass wir in unsicheren Zeiten leben. Aber ich spreche mal eine Hoffnung aus: Der vergangene Monat lief ziemlich gut. Und es soll, so hat sich die Politik jedenfalls geäußert, keinen Lockdown mehr geben, was ein wichtiger Schritt in Richtung Sicherheit ist.

Noch Anfang diesen Jahres waren allein für 2021 Bauvorhaben für tausende neue Betten angekündigt. Der Bauboom hält an?

Es waren sehr viele Bauprojekte für 2021 geplant. Ich stelle derzeit aber fest, dass es bei vielen dieser Vorhaben noch nicht mal einen Spatenstich gegeben hat. Bislang wurden nur wenige Projekte realisiert. Ich glaube, dass Corona den Bauboom stark gebremst hat. Der ein oder andere wird sich sicherlich nochmal überlegt haben, ob er sein Projekt realisieren will. Leider habe ich keinen Überblick, welche Projekte nur auf das kommende Jahr verschoben sind und welche sich nicht realisieren werden.

Ist es schwieriger geworden, Hotelprojekte in Hamburg umzusetzen?

Den Eindruck habe ich nicht, was die städtischen Genehmigungen angeht.

Aber der Baugrund ist knapper.

Ich bin immer wieder überrascht, dass doch wieder eine Fläche gefunden wird. Schauen Sie auf die Innenstadt – sie ist eine einzige Baustelle. Da ist immer Bewegung. Aber klar, wer ein neues Hotel ansiedeln will, braucht dafür eine attraktive Lage. Mir scheint das bislang allerdings noch kein Problem zu sein.

Wäre es nicht für bestehenden Hotels gut, wenn nun nicht noch mehr Konkurrenz hinzukommt?

Ja, im Moment wäre das gut und wünschenswert. Corona hat dem Tourismus doch sehr zugesetzt.

Der Markt ist also gesättigt?

Im Moment auf jeden Fall. Der Markt muss sich erst einmal von den Coronafolgen erholen. Dies wird vermutlich erst 2023 der Fall sein, auch wenn Prognosen, wie ja schon gesagt, ganz schwierig sind. Wenn sich also die Umsetzung der Vorhaben etwas nach hinten verzögert, ist das auf jeden Fall gut.

Kürzlich wurde bekannt, dass sich die weltweit agierende NH Hotel-Gruppe aus dem Vorhaben, ein Hotel im aufgestockten Feldstraßenbunker zu eröffnen, zurückgezogen hat. Lässt sich daraus etwas über den Hamburger Hotelmarkt ableiten?

Wir sind in einer besonderen Zeit. Die Hotelketten hatten es während Corona auch alles andere als leicht. Staatliche Hilfen wurden nicht, schleppend oder nur teilweise gezahlt. Die Hotels hatten keine oder nur sehr kleine Einnahmen und mussten die laufenden Kosten weiterzahlen. Dies ging nicht nur an die Substanz, sondern war für einige existenzbedrohend. Ich kenne die finanzielle Situation der NH Hotel-Gruppe nicht, aber in einer solchen Situation plant niemand ein neues Projekt, sondern sieht zu, die bestehenden Häuser zu erhalten.

Die Pandemie hatte dafür gesorgt, dass Menschen regionaler Urlaub machen. Ist das aus Sicht Hamburger Hotelbetriebe ein guter Trend?

Ich weiß nicht, ob sich dieser Trend positiv für Hamburg auswirken wird. Städtetourismus lag ja bei den deutschen Touristen schon vor Corona im Trend. Auf jeden Fall profitieren die ländlichen Regionen – wie zum Beispiel die Nord- und Ostsee oder der Harz davon. Mich persönlich freut das sehr. Ich finde, Deutschland ist ein sehr attraktives Reiseziel.

Andernfalls müssten mehr Menschen aus dem Ausland angelockt werden.

Das ist ein Wunsch, den wir schon seit sehr vielen Jahren haben. Bislang waren es zu bis zu 80 Prozent innerdeutsche Touristen. Mehr Menschen aus dem Ausland anzulocken, lässt sich nur schwer realisieren. Das haben die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir mit sehr attraktiven Städten wie Berlin und München konkurrieren, die teilweise gerade aus Übersee besser zu erreichen sind.

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