Debatten im Internet: Ein Quiz gegen die Trolle
Kontrolle gegen Hassrede: Der norwegische Rundfunk lässt Leser Fragen über Artikel beantworten, bevor sie sie online kommentieren dürfen.
Das Internet ist ein deprimierender Ort: Man wundert sich dort, wenn unter einem Artikel ausnahmsweise kein Hass, keine Verleumdungen und keine Beleidigungen zu finden sind. So wunderte sich auch das Team von NRKbeta, ein Ableger des Norwegischen Rundfunks (NRK), der sich mit Technologie und neuen Medien beschäftigt.
Man hatte über ein Überwachungsgesetz, also ein kontroverses Thema geschrieben und war verblüfft: In den Kommentarzeilen im Netz wurde niemandem der Tod gewünscht, keiner als Nazi bezeichnet und auch nicht über eine Reptiloideninvasion spekuliert.
Wie ist das möglich? Bei NRKbeta vermutet man, dass es an einem neuen Feature liegt: Um ihren Senf abgeben zu können, müssen die User seit letztem Monat ein paar simple Fragen beantworten. Das gelingt nur, wenn der Text gelesen und verstanden wurde. Erst kapieren, dann kommentieren – ist ja längst keine Selbstverständlichkeit mehr.
Die These lautet: Ein gemeinsames Verständnis der Artikelaussage verbessert den Austausch darüber. Zudem nimmt das Quiz ein paar Sekunden in Anspruch, in denen sich Gedanken, soweit vorhanden, ordnen lassen. Zornige Impulsschreiber könnten in der Zeit zur Besinnung kommen, manch hirnlosem Hetzer nimmt die Hürde möglicherweise die Lust am Shitstorm.
Bislang habe man das Vorgehen allerdings nur an wenigen Artikeln getestet. Sollte es sich langfristig als wirksam herausstellen, will man beim NRK alle Beiträge mit einem solchen Quiz versehen.
Dass Menschen häufig Artikel kommentieren, ohne selbige gelesen zu haben, zeigte 2014 ein Aprilscherz der US-amerikanischen Senderfamilie NPR: Man hatte einen Online-Beitrag mit der Überschrift „Warum liest Amerika nicht mehr?“ veröffentlicht, der etliche Male geteilt und mit Sprüchen wie „Weil wir fett und dumm sind“ kommentiert wurde. Der Clou: Im Artikel gab es nichts zu lesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken