Facebook und das Merkel-Selfie: Zu komplex fürs Eilverfahren
Auslöser war ein Antrag von Anis Modamani. Aber das Landgericht Würzburg zwingt Facebook vorerst nicht dazu, aktiv nach Hass-Postings zu suchen.
Im Sommer 2015 machte der junge Syrer Anis Modamani ein Selfie mit Kanzlerin Merkel, das oft im Netz zu finden ist. Rechtsradikale haben das Selfie missbraucht, um Modamani als angeblichen Straftäter und Terroristen zu verleumden. So wurde das Foto im Dezember 2016 verbreitet, nachdem ein Berliner Obdachloser von jungen Syrern angezündet worden war. „Merkel machte 2015 Selfie mit einem der Täter“, hieß es in einem Posting, das im Hass-Milieu oft geteilt wurde. Dabei hatte Modamani überhaupt nichts mit dem Fall zu tun. Die wahren Täter waren längst ermittelt.
Modamani verlangte deshalb von Facebook, dass dieses Posting aus dem gesamten Netzwerk entfernt werden sollte. Mithilfe des Würzburger Anwalts Chan-jo Jun stellte er einen Eilantrag am Landgericht Würzburg.
Zwar muss Facebook laut Gesetz alle rechtswidrigen Postings löschen, die ihm mitgeteilt werden. Aber muss es auch selbständig danach suchen? „Nur wenn dies technisch ohne zu großen Aufwand realisierbar und damit zumutbar ist“, erklärte der vorsitzende Richter Volkmar Seipel bei der Verkündung des Beschlusses. Was jedoch bei der Bildsuche derzeit technisch möglich ist – vor allem wenn die Montage leicht verändert wurde –, müsse von Sachverständigen geklärt werden. Dies sei nicht im Eilverfahren möglich.
Anis Modamani, muss nun entscheiden, ob er weiter klagen will. Chan-jo Jun will den Fall dann aber nicht weiterbetreuen, da seine Familie bedroht wurde – mutmaßlich von Rechtsradikalen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“