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DebatteChristliche Wahrheit und Abwehr

Kommentar von Micha Brumlik

Es ist nicht nur Populismus: Sogar der evangelischen Kirche in Deutschland fällt es heute noch schwer, davon abzurücken, dass nur das Christentum der wahre Glaube sein kann.

Auf den ersten Blick mag man über diese Leute die Nase rümpfen: über Bürger Kölns, die nicht wollen, dass am Ende das Minarett einer von einem Kirchenbaumeister entworfenen Moschee höher sein könnte als die Spitzen ihres Doms; oder über die Bürger von Frankfurt-Hausen, die sich in hoher Erregung dagegen sträuben, dass in ihrem nicht sonderlich wohlhabenden Stadtteil eine dritte Moschee gebaut werden soll. Dumpfer Rassismus, verständliche Ängste und populistische Stimmungsmache überlagern sich hier wechselseitig.

Doch der Schein trügt: Hinter und mit dem rechtspopulistischen Aufbegehren formiert sich ein bisher noch vornehm zurückhaltender bildungsbürgerlicher Aufstand, dessen Protagonisten von Henryk Broder zu Necla Kelek, von Seyran Ates zu Ralph Giordano, von der "Theo-van-Gogh-Gesellschaft" zu den Webseiten "Politically incorrect" und den Kreuzrittern von "Deus vult" reichen, ein Potenzial, das, wenn es sich irgendwann politisch organisiert, der Union im parlamentarischen Raum erfolgreich Konkurrenz machen könnte.

Erfolgreicher als die von der NPD betriebene NS-Nostalgie dürfte das antiislamische Programm, Pim Fontuyn hat es in den Niederlanden vorgemacht, allemal sein und Jörg Haider in Kärnten sowie Christoph Blocher in der Deutschschweiz sind schon eifrig am Üben. Der Generaltenor all dieser Personen und Gruppen, ihr kleinster gemeinsamer Nenner, besteht in der Überzeugung, dass Islam und Islamismus miteinander identisch sind, eine Überzeugung, die in etwa so sinnvoll ist wie jene, die den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer und die den Nationalsozialisten nahestehenden "Deutschen Christen" auf einen Nenner verrechnet: letztlich alles Christen!

Zu wenig ist bei alledem bekannt, dass auch und gerade die christlichen Kirchen, gemeinhin als Inbegriff von Dialogizität und Gastlichkeit bekannte Institutionen, durch die islamische Immigration in Teilen verängstigt, mindestens aber stark beunruhigt sind. Während die katholische Kirche schon vor Jahren in ihrer autoritär souveränen Art aus der Feder von Joseph Ratzinger beschieden hat, dass der katholische Glaube einfach der wahre ist: "Dominus Jesus!", tun sich die protestantischen Kirchen mit alledem sehr viel schwerer.

So hat die EKD, beziehungsweise ihre theologische Kammer, schon vor einiger Zeit eine Broschüre mit dem tendenziösen Titel "Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen" publiziert - einen Traktat, der schon im Titel erkennen lässt, dass nur das Christentum wahrer Glaube ist, während alle anderen lediglich soziologisch zu betrachtende Formen irgendwelcher Meinungen über Gott und die Welt darstellen. Dem folgte im letzten Jahr eine fürsorgliche Handreichung unter dem verschwiemelten Titel "Klarheit und gute Nachbarschaft", in der neben differenzierten Mitteilungen über den Islam vor allem die absolute Wahrheit des christlichen Glaubens beschworen wird und damit alle anderen Glaubensbekenntnisse des Irrtums geziehen werden.

Dass sich die Handreichung gleichwohl auf respektvolle und zivile Umgangsformen verpflichtet, dürfte selbstverständlich sein. Es lohnt, den Duktus dieser innerkirchlichen, gewiss auch aus Angst vor der wachsenden Anhängerschaft der evangelikalen Konkurrenz verfassten Text in Auszügen näher zu betrachten:

"Christliche Mission bedeutet mehr als respektvolle Begegnung. Sie umfasst das Zeugnis vom dreieinigen Gott, der den Menschen durch Jesus Christus zu wahrer Menschlichkeit befreit. Es ist für die evangelische Kirche ausgeschlossen, dieses Zeugnis zu verschweigen oder es Angehörigen anderer Religionen schuldig zu bleiben. In einer Zeit, in der alle Wahrheiten relativiert werden, kann die evangelische Kirche leicht in den Verdacht geraten, sich mit diesem Verständnis der Wahrheit Gottes dem Zeitgeist beugen zu wollen. Denn in einer Gesellschaft des weltanschaulichen und religiösen Pluralismus scheint der absolute Wahrheitsanspruch einer Religion per se wahrheitswidrig zu sein. Wenn aber gefordert wird, den Glauben an die absolute Wahrheit Gottes aufzugeben, kann Wahrheit nur noch als subjektiv beliebige Überzeugung verstanden werden."

Diesem Bekenntnis zur Mission ging im Text das Eingeständnis voraus, dass Christentum und Islam mit ihrem beiderseitigen absoluten Wahrheitsanspruch in einer grundsätzlich konfliktuösen Beziehung zueinander stehen.

Die Denkschrift "Klarheit und gute Nachbarschaft" ist dabei, das ist durchaus einzuräumen, allemal um politische Vernunft, um Mäßigung, Aufklärung und Differenzierung bemüht, nur in den theologischen Passagen kommt deutlich ein verdrückter Rest des alten christlichen Triumphalismus zum Ausdruck. So heißt es in einer sonst vernünftigen Zurückweisung jeder gewaltsamen Mission: "Bezeugt die evangelische Kirche diesen Gott den Menschen einer anderen Religion wie dem Islam, dann darf sie Gottes Geduld nicht durch die Anwendung von Zwang in Frage stellen." Das aber heißt im Umkehrschluss nichts anderes, als dass in den Augen der EKD Gott wenn auch geduldig darauf wartet, dass sich schließlich alle Menschen zum Christentum bekehren. Genauer: Gott selbst missbilligt es irgendwie, dass die Nichtchristen seine (christliche) Wahrheit nicht erkennen.

Bei aller Anerkennung dieser insgesamt moderaten Stellungnahme, die - wenn die Moscheefeinde von Köln und Frankfurt-Hausen sie nur akzeptieren würden - zu einer erheblichen Entschärfung der Lage beitragen könnte, bleibt daher ein Unbehagen. Es rührt daher, dass sogar eine so aufgeklärte religiöse Organisation wie die EKD in einem wenn auch letzten Rückzugswinkel nicht umhinkann, eine große andere Religion in einigen Hinsichten abzuwerten. Zu behaupten, es ginge dabei nur um das ehrliche Herausarbeiten von Differenzen, wird dem theologischen Duktus der Handreichung nicht gerecht. Bei aller Toleranz im zivilen Umgang klammert sie sich krampfhaft an einen absoluten Wahrheitsanspruch.

Versucht man, diese Befunde zu deuten, so bleibt kaum ein anderer Schluss übrig, als dass die christlichen Kirchen in Deutschland der Weiterentwicklung des Landes zu einer multireligiösen Gesellschaft keineswegs mit fröhlicher Zuversicht entgegensehen, sondern mit einem gerüttelt Maß an ganz unchristlicher Angst.

Schrumpfende gesellschaftliche Macht und Verunsicherung der eigenen Mitgliedschaft gehen Hand in Hand. Angst und Abwehr sind indes allemal schlechte Ratgeber. Sosehr es die Aufgabe der Kirchen in Zukunft sein wird, verängstigten Christenmenschen in ihren meist, nicht immer unbegründeten Befürchtungen ernst zu nehmen, so sehr sollten sie darauf achten, in ihren Theologien nicht genau das zu reproduzieren, was sie dann im seelsorgerlichen und sozialen Bereich mühsam wieder ruhigstellen müssen.

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Autor und Kolumnist
1947 in der Schweiz geboren, seit 1952 in Frankfurt/Main. Studium der Philosophie und Pädagogik in Jerusalem und Frankfurt/Main. Nach akademischen Lehr- und Wanderjahren von 2000 bis März 2013 Professor für Theorien der Bildung und Erziehung in Frankfurt/Main. Dort von 2000 bis 2005 Direktor des Fritz Bauer Instituts – Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte des Holocaust. Forschung und Publikationen zu moralischer Sozialisation, Bildungsphilosophie sowie jüdischer Kultur- und Religionsphilosophie. Zuletzt Kritik des Zionismus, Berlin 2006, Sigmund Freud. Der Denker des 20. Jahrhunderts, Weinheim 2006 sowie Kurze Geschichte: Judentum, Berlin 2009, sowie Entstehung des Christentums, Berlin 2010.Darüber hinaus ist er Mitherausgeber der „Blätter für deutsche und internationale Politik.“

8 Kommentare

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  • S
    Schreiber

    Herr Brumlik,

    sie kennen Ihre ureigenen heiligen Schriften wohl nicht ?

    Eine "multireligiöse Gesellschaft", von der Sie schwadronieren, ist "die Hure Babylon", NT Offenbarung d. Johannes, 14,8 und 17,5. "Sie hat mit dem Zorneswein ihrer Hurerei getränkt alle Völker".

    Sie haben über die latinisierte Version der Messe mit dem Papst gehadert, Sie hören überhaupt nicht auf, Ihre geistigen Finger in unserem Christentum zu haben.

    Christus ist für unsere Sünden gestorben: Die Gegenwart stirbt immer wieder an ihrer Vergangenheit. DAS ist der alte Glaube, denn für die Zeitgesetze der Welt gibt es keine "religiöse Alternative". Darin steht sogar die Unterwerfung unter Allah fest: Als Zeitphänomen.

    Iesus Dominus. Das ist so sicher wie die Physik.

  • PR
    Peter Ruckelshausen

    Sehr geehrter Herr Brumlik,

    da haben Sie aber einen tiefen Kniefall gemacht. Die Handreichung der EKD grenzt sich in guter Weise vom Islam ab - das war überfällig, bei all dem Geschmuse mit dem Islam vorher. Wenn nun die EKD behauptet, ihr Gott sei der Einzige, dann ist das ihr gutes Recht, denn daran glauben Christen. Sicher ist das eine Herausforderung für jeden gläubigen Moslem - aber er wird damit leben müssen. Der Ausruf des Muezzin ist ja an Eindeutigkeit nicht zu übertreffen - und er ruft es sogar über altchristlichen Gegenden, wie in Deutschland. Das erdulden wir Christen und sind nicht beleidigt. Glaube ist nicht Wahrheit und Wesen aller Religionen ist, dass sie an eine Wahrheit glauben - es aber nicht wissen, denn so wäre es kein Glaube mehr. Gerade für die Auseinandersetzung mit dem Islam sollten die Moslems sehr wohl wissen, an was wir Christen glauben. Und so werden auch die Moslems nicht umhin können, Toleranz zu lernen, solange wir in Deutschland noch ein verfasster demokratischer Staat mit Meinungsfreiheit sind. In islamischen Ländern ist das natürlich anders.

  • Z
    ZuEndeDenker

    Lieber Herr Brumlik,

    machen Sie es sich nicht so einfach, es ist alles andere. Schauen, oder besser, recherchieren Sie doch erst mal gründlichst, bevor Sie sich in islamophiler Demut ergehen....!

    Auch die sogenannten "gutmenschlichen" Ansätze ihrer gesellschaftlichen Projektion, werden die Fakten um den Machtkampf innerhalb der Ideologie der Unterwerfung, hier in Europa, nicht schönreden können. Schauen Sie den Menschen, und zwar allen Menschen, auf's Maul und Sie werden eine reales Szenario der Segregation ganzer Städte in Parallelwelten studieren können und dann auch die kulturellen Folgen so bewerten können, das ein halbwegs richtiges Wissensbild, zur Islamisierung Deutschlands, ihrerseits zu erwarten ist.....

  • D
    dagmar

    wenn genügend macht da wäre, politisch, finanziell, sozial, dann würden heute noch die hexen verbrannt werden.

    die polnischen nonnen haben einen fehler gemacht: sie hätten aus der kirche austreten, eigenes geld sammeln und ein unabhängiges kloster gründen sollen. therapeutische behandlung brauchen alle mit ich-habe-die-einzige-allgültige-wahrheits-gläubige, auch der papst.

  • JJ
    Joachim Jürgens

    Micha Brumlik ignoriert einfach den überall im Islam vorhandenen Judenhass. Jede Form des Islam ist religiös intolerant. Juden und Christen haben nur einen Unterworfenenstatus!

     

    @Christan Münster

    Wieso schwafelen Sie vom Religionskrieg in Irland. Es gab in der britischen Provinz Ulster Auseinandersetzungen zwischen irischen Arbeitern katholischer Konfession und angesiedelten Kolonialisten aus England und Schottland, die protestantischen Kirchen angehören. Es war ein Konflikt zwischen Linken und Rechten und kein Religionskrieg. Sinn Fein, die IRA war als irische kommunistische Partei auf dem gründungsparteitag der LINKE!

  • PN
    Peter Niedermann

    Mein Gott, Herr Brumlik, Sie merken nicht mal, wie Sie mit Ihrem Islam-Geschmuse am eigenen Ast sägen. Aber der liebe Achmadindjad und seine vielen Gesinnungsgenossen werden's den deutschen Gutmenschen schon beibringen - wahrscheinlich schneller und nachhaltiger als Sie es sich vorstellen können. Die Dekadenz galoppiert, und Voltaire dreht sich ununterbrochen um Grab.

     

    Das hat's die deutsche Linksschickeria - unterstützt von mitprofitierenden Schweizer Professoren - wirklich weit gebracht. Statt zu plappern und Skeptikern "Angst und Abwehr" zu unterstellen, sollten Sie gescheiter mal den Koran lesen. Dann könnte Sie wenigstens die Frage beantworten, warum sich die islamische Gelehrtenschaft von den netten islamistischen Sprüchen in keiner Weise und schon gar nicht mit Nachdruck und Effizienz distanziert. Aber eben: Der linkstrendige Appeasement-Mainstream lässt sich halt in den Medien besser verkaufen als ein klares Nein zur gefährlichsten aller Absolutismusvarianten, die sogar das eigene Denken verbietet, die 800 Millionen Frauen als zweitklassig behandelt, unterdrückt, misshandelt und ausbeutet, die minderjährige Mädchen langsam an Kranen hochzieht, bis sie ganz langsam nach langen Qualen endlich krepieren dürfen.

     

    Falls Sie Kinder haben, sollten Sie ihnen wenigstens die Chance geben, sich mit den Perspektiven vertraut zu machen.

     

     

    Peter Niedermann, Zürich

     

    PS: Ich bin zwar Schweizer wie Sie, aber weder SVP-Mitglied noch Blocher-Anhänger, ich bin nicht mal Jude, sondern nur ein bekennender Agnostiker. Ich habe auch keine Angst, ganz im Gegensatz zu Ihrer Unterstellung. Ich störe mich nur an den düsteren Aussichten für Eurabien und die ganze Welt.

  • JM
    Jochen Müller

    Wie wär´s, wenn sich Herr Brumlik mal mit dem Absolutheitsanspruch des Islam und seinen Folgen beschäftigen würde? Wenn er in einem islamischen Land einen vergleichbaren Text publizieren würde, in dem er den Wahrheitsanspruch des Islam geisselt? Dann würde er eventuell darauf kommen, dass die angeblich unbegründeten Ängste der Christen vor dem Islam durchaus ihre Berechtigung haben können.

    Dass der Islam andere Religionen als gleichwertig an seiner Seite akzeptieren würde, ist ein mutlikulturelles Märchen westlicher Gutmenschen, das von den Islamvertretern dankbar aufgegriffen wurde, vergleichbar der (nachweislich falschen!) Formel "Islam heißt Frieden". Die EKD musste den grundsätzlich intoleranten Charakter des Islam in langjährigen, völlig einseitigen (zugunsten der Muslime) "Dialog"runden schmerzhaft erkennen und hat daraus besser spät als nie ihre Konsequenzen gezogen. Was sie dazu bewogen hat, hat auch Herr Brumlik hier wieder eindrucksvoll vorgeführt. Frei nach Ralph Giordano: Muslime fordern, fordern, fordern, ohne jeden Sinn für eine Bringschuld.

  • CM
    Christian Münster

    Müssen Religionen sein?

    Ich gönne jedem seinen -ismus, doch bitte nicht für mich. Ich bitte darum, nicht damit konfrontiert zu werden.

    Sie können ihre Dome, Kirchen, Gebetshäuser oder Moschen haben, doch sollen sie mir damit nicht auf den Geist gehen!

    Wenn Evangele und Katholen sich in Irland abmurksen, habe genauso wenig Verständnis, wie für die Machtkämpfe zwischen Sunniten und Schiiten.

    Nur was das gläubige Volk übersieht, Irland wie Irak, es ist nicht das religiöse Bekenntnis sondern die wirtschaftlichen Interessen.

    Darum bleibt der Spruch gültig:" Religion ist Opium für das Volk", weniger bei uns aber in den zur Demokratie zu erziehenden Ländern Afghanistan und Irak.

    Und gerade dort sehe ich Probleme; denn "überzeugte" Christen aus Korea, werden da nur ins Feuer der Islamisten geschickt!