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DebatteFini bleibt weg – was bleibt?

■ Das fragt der Leiter der europäischen Akademie, Eckart D. Stratenschulte.

Gianfranco Fini, der Vorsitzende der Alleanza Nazionale, hat seinen Berlin-Besuch abgesagt. Parlamentspräsident Haase und Innensenator Schönbohm zogen ihre Bereitschaft zu einem Arbeitsgespräch nach öffentlichem Druck zurück.

Hat der Antifaschismus einen Sieg errungen, oder hat die Bundeshauptstadt offenbart, daß sie politisch und intellektuell noch immer in der Regionalliga spielt? Der nächste Besuch kommt bestimmt. Man sollte den Fall Fini nutzen, sich grundsätzlich Gedanken über den Umgang mit Politikern zu machen, die einem politisch nicht schmecken.

Erstens: Natürlich kann man kein Interesse daran haben, Extremisten zusätzlich dadurch aufzuwerten, daß man sie protokollarisch hochrangig empfängt. Aufwerten heißt zum einen, ihnen einen Empfang zu bieten, der ihnen zu Hause hilft, zusätzliche Unterstützung zu erhalten. Wird ein einziger Italiener Herrn Fini wählen, weil er mit Herwig Haase 20 Minuten gesprochen hat? Oder neigen wir auch hier zu dem für unsere Stadt so typischen Größenwahn, der die Weltgeschichte grundsätzlich in Verbindung mit Berlin sieht?

Aufwerten heißt zum anderen, diese Personen zu behandeln, als ob sie normale demokratische Politiker wären. Macht man dadurch, daß man einen italienischen „Postfaschisten“ empfängt, auch deutsche „(Post-, Prä- oder Neo-)Faschisten salonfähig? Das ist eine Überlegung, die sehr wohl angestellt werden muß und die den Rahmen einer Begegnung mitbestimmen muß. Hierbei ist auch die Frage, wieviel öffentliche Aufmerksamkeit ein solches Treffen begleitet. Anders ausgedrückt: diejenigen, die Aufmerksamkeit organisieren (und sei es in Form des Protests) tragen zur Verwirklichung der Ziele der Extremisten bei.

Zweitens: Das schöne an der Europäischen Union ist, daß sie mittlerweile eine so dichte Verflechtung aufweist, daß kein Land ohne die anderen Staaten Politik machen kann. Von daher besteht natürlich bei jedem, der den Sprung auf die politische Bühne unternimmt, Interesse daran, die Einschätzungen der europäischen Partner kennenzulernen. Umgekehrt gibt es allerdings auch die Notwendigkeit, gerade Extremisten, die zur politischen Isolation neigen, Einschätzungen mit auf den Weg zu geben. Sicher werden weder der Berliner Parlamentspräsident noch der Verfassungssenator, noch die Berliner akademische Öffentlichkeit jemanden wie Herrn Fini überzeugen. Wenn er aber aus seinen Gesprächen lernt, was die anderen Europäer bereit sind zu akzeptieren und was nicht, ist dies auch ein Ergebnis.

Natürlich ist es bequemer, sich mit solchen Leuten nicht auseinanderzusetzen und statt dessen lieber einen Schoppen Wein zu trinken. Das schmeckt und bereitet zusätzlich ein gutes Gewissen, weil man ja nicht mit einem Faschisten redet. Bewirken tut dieser Grüne-Veltliner-Antifaschismus freilich nichts. Er bestärkt die Extremisten lediglich in ihrem Autismus.

Drittens: Die Alleanza Nazionale ist eine moderne Rechtspartei. Die Bezeichnung „postfaschistisch“ ist genauso dumm wie geschickt. Man will die Alten Kämpfer mitnehmen, aber neue Wählerschichten erschließen. Das Parteiprogramm der AN ist vieldeutig, ihm ist ein Schlußdokument beigegeben, das jeder liberale Demokrat unterschreiben könnte. Wären da nicht immer wieder solche öffentlichen Äußerungen wie die, Mussolini sei der größte Staatsmann des 20. Jahrhunderts, man könnte glatt meinen, die AN sei eine christdemokratische Partei. 16 Prozent der italienischen Wähler geben ihr ihre Stimme. Wollen wir tatsächlich warten, bis eine gestraffte und „modernisierte“ Republikanerpartei bei uns genauso erfolgreich ist, und erst dann das Phänomen zur Kenntnis nehmen? Deshalb ist das Argument, Finis Auftritte im Ausland seien Teil einer Strategie zum Aufbau einer Euro-Rechten zwar richtig, aber ein Grund mehr, die Auseinandersetzung zu führen.

Und die Moral von der Geschicht'? Wir werden mit den politischen Akteuren reden müssen und haben auch ein Interesse daran, ihnen unsere Einschätzungen zuteil werden zu lassen. Darauf werden sie sicherlich nicht mit Läuterung reagieren, vielleicht aber mit taktischer Zurückhaltung. Fini ist nicht Hitler. Aber da Hitler die Rechtfertigung dafür ist, sich mit Fini nicht beschäftigen zu wollen, sei folgende Bemerkung gestattet: Hätte Hitler „nur“ aus taktischen Gründen weniger morden und foltern lassen, den Opfern wäre es dennoch zum Guten gewesen. Hätte man sich in London und Paris vor 1933 mit Hitler auseinandergesetzt, wäre dort manche Illusion nicht entstanden. Aber wer will schon mit Faschisten reden?

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