Debatte zu AfD-Anfragen: Ja, wo halten denn die Militärtransporte?
Innenexperten werfen der AfD vor, mit Kleinen Anfragen die deutsche Infrastruktur auszuforschen. Die reagiert mit rechtlichen Schritten.
taz | Der Thüringer Innenminister Georg Maier hat seinen Verdacht, die AfD forsche gezielt die kritische Infrastruktur im Land aus, bekräftigt. Zur taz sagte der SPD-Politiker am Donnerstag, neben ihrer Verfassungsfeindlichkeit und Verstößen gegen die Menschenwürde sei das ein weiterer Aspekt, „wie gezielt diese Partei gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung wirkt“.
Den Vorwurf hatte Maier bereits am Mittwoch im Handelsblatt erhoben: „Es drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass die AfD mit ihren Anfragen eine Auftragsliste des Kremls abarbeitet“. Mehrere Innenexperten aus dem Bundestag äußerten daraufhin, sie teilten die Meinung des Thüringer Innenministers. Mittlerweile hat auch Unionsfraktionschef Jens Spahn die AfD-Spitze aufgefordert, die Vorwürfe der Spionage für Russland aufzuklären. Die AfD streitet dies ab. Am Donnerstag leitete sie rechtliche Schritte gegen Maier ein. In einer Pressemitteilung heißt es: „Die Vorwürfe sind unhaltbar, ehrenrührig und greifen das parlamentarische Fragerecht in seiner verfassungsrechtlich geschützten Form an“.
In dem Streit geht es um 47 Kleine Anfragen der Thüringer AfD zu kritischer Infrastruktur und militärischen Themen wie Bundeswehrtransporte oder Drohnenabwehr. Solche Anfragen sind in deutschen Parlamenten ein übliches Kontrollinstrument der Opposition. Dieses parlamentarische Recht stelle Maier nicht infrage, sagt er. In einem Video der Thüringer Allgemeine erklärte er: „Jede einzelne Anfrage ist legitim.“ Er stelle nur die Frage: „Was bezwecken die damit?“ Wenn es etwa um die Routen von Bundeswehrtransporten gehe, dann erschließe sich Maier nicht, „was ein Landespolitiker damit anfangen will“.
Die von Maier angesprochene Kleine Anfrage stammt vom AfD-Innenpolitiker Ringo Mühlmann. Er begründet sie mit „einer konkreten Gefährdungslage“ für Thüringen als vermeintliches Drehkreuz für Waffen- und Munitionslieferungen in die Ukraine. Dann möchte er wissen, welche Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehe, wie viele Durchfahrten und welche Haltepunkte es gab. Bislang liegt noch keine Antwort der Thüringer Landesregierung vor.
Am Donnerstag griff Unionsfraktionschef Spahn den Vorwurf gegen die AfD auf. Der Verdacht wiege schwer. Zahlreiche Vorfälle in den Reihen der Partei belegten eine „Putin-Nähe der AfD“, sagte Spahn der Rheinischen Post.
Baden-Württembergs AfD-Landesvorsitzenden Markus Frohnmaier plante etwa zuletzt eine Russlandreise. Anfang Oktober nahmen drei AfD-Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt an einer Veranstaltung zum Geburtstag von Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Berlin teil. Der AfD-Europaabgeordnete Petr Bystron soll laut dem Verdacht der Generalstaatsanwaltschaft München zehntausende Euro an Bestechungsgeld erhalten haben, um im Gegenzug im Sinne Russlands zu agieren.
Laut dem Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz (Grüne) handelt es sich um neues Phänomen: Die AfD fragt „offenkundig immer wieder im Auftrag verschiedener autoritärer Staaten“ gezielt nach kritischer Infrastruktur. Er glaube, es gehe darum, diese „auszuspionieren und zu sabotieren“. Laut von Notz handelt es „sich hier offenkundig um ein gezieltes, europaweites Vorgehen“.
Fraglich bleibt, wie wertvoll die Informationen sind, die die AfD über die Kleinen Anfragen erhalten wird. Thüringens Innenminister Georg Maier sagt dazu: „Wir können natürlich entscheiden, was wir antworten, bis zu einem gewissen Bereich. Und wir können natürlich auch Geheimhaltungsschritte einleiten, also teilweise die Antworten einstufen.“
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