Debatte ums Bürgergeld und Schonvermögen: Keine Kompromisse
Die Union fordert, die Grenzen für das Schonvermögen beim Bürgergeld zu senken. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hält dagegen.

Das Schonvermögen definiert, wie reich Menschen sein dürfen, um die staatliche Grundsicherung zu beziehen. Aktuell dürfen Empfänger:innen von Hartz IV in den ersten beiden Jahren des Bezugs 60.000 Euro an Vermögen behalten. Für jedes weitere Haushaltsmitglied kommen 30.000 Euro Schonvermögen hinzu. Diese Grenzen hat die damalige Große Koalition in der Corona-Pandemie eingeführt. Für das Bürgergeld, das Hartz IV ab Januar ersetzen soll, möchte die Ampel sie beibehalten.
„Es geht jetzt lediglich um die Frage, ob diese Regelung ab dem 1. Januar weiterläuft oder nicht“, so Kühnert. „Und wenn die Union das nicht will, dann würde ich gerne mal eine Argumentation hören, warum es vor zwei Jahren, als wir diese Regelung zusammen in der Corona-Krise eingeführt haben, richtig war und in der jetzigen Krise falsch ist.“
Die Union sieht nun Verzerrungen. Eine „vierköpfige Familie soll mit einem Schonvermögen von 150.000 Euro trotzdem Anspruch auf das Bürgergeld haben, während eine andere junge Familie hart arbeitet und Steuern zahlt, um das Bürgergeld zu finanzieren“, kritisierte CDU-Generalsekretär Mario Czaja gegenüber dem Tagesspiegel. Czaja drohte damit, dass die unionsregierten Länder das Bürgergeld im Bundesrat durchfallen lassen könnten.
Ein Nein in der Länderkammer würde die Einführung zumindest verzögern, da sich beide Kammern, Bundesrat und Bundestag im Vermittlungsausschuss einigen müssten. SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat daraufhin Kompromissbereitschaft in Detailfragen signalisiert.
Grüne könnten den Unterschied machen
Doch so geschlossen, wie es Czaja suggeriert, steht die Union im Bundesrat nicht. In Niedersachsen wollen SPD und Grüne schon am 7. November einen Koalitionsvertrag unterzeichnen. Laut Eilmeldung haben sich Grüne und SPD am Montag auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, der am Dienstag präsentiert werden soll. Halten sie diesen Zeitplan, dann erreichen die Länder, in denen CDU oder CSU in der Regierung sind, nur noch eine Mehrheit von 39 der 69 Stimmen im Bundesrat. Die für die Zustimmung zum Gesetz erforderliche absolute Mehrheit liegt bei 35 Ja-Stimmen.
Es würde also genügen, wenn alle anderen Länder zustimmen und ein von der Union mitregiertes Land mit fünf Stimmen die Seite wechselt. Infrage kämen am ehesten Baden-Württemberg (6 Stimmen) oder Hessen (5 Stimmen). In beiden Ländern stellen die Grünen den Sozialminister, in Baden-Württemberg zudem den Ministerpräsidenten.
Die nächste reguläre Sitzung der Länderkammer findet am 25. November statt. Zuvor will der Bundestag am 10. November in zweiter und dritter Lesung über das Bürgergeld abstimmen.
Kühnert glaubt jedoch, dass es der Union gar nicht um Sachfragen geht. „Friedrich Merz geht es vielmehr darum, verschiedene gesellschaftliche Gruppen populistisch gegeneinander in Stellung zu bringen, hier konkret Niedriglöhner:innen einerseits und Transferleistungempfänger:innen andererseits“, so Kühnert zur taz.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn