Debatte um eine Corona-Impfpflicht: Keine Zustimmung für den Kompromiss
Für eine Corona-Impfpflicht hat noch kein Vorschlag eine Mehrheit im Bundestag. Eine Gruppe sucht nun den Kompromiss – und erntet Ablehnung.
Statt einer Impfpflicht für alle Erwachsenen sieht er vor, dass sich zunächst alle ab 50 Jahren bis Oktober impfen lassen müssen. Zusätzlich soll der Bundestag Anfang September erneut über eine Impfpflicht für 18- bis 49-Jährige entscheiden. Ungeimpfte aus dieser Altersgruppe sollen aber auch nachweisen, dass sie zur Impfung beraten wurden. Der Antrag sieht zudem vor, ein Impfregister zu erstellen. Das soll einen Überblick darüber geben, wie groß die Impflücken in Deutschland tatsächlich sind.
Damit greift der Kompromiss mehrere Punkte auf, die bisher nur in anderen Anträgen zu finden waren, und versucht trotzdem, eine Impfpflicht durch den Bundestag zu bekommen, die sofort greift. Das bekräftigte Dagmar Schmidt (SPD) bei einer Pressekonferenz am Montag: „Wenn die nächste Welle da ist, dann kommt die Impfpflicht zu spät.“ Mit einer erneuten Infektionswelle rechne sie im Herbst.
Janosch Dahmen (Grüne), der ebenfalls mit am Antrag gearbeitet hat, betont, dass diese Ansicht auch von wissenschaftlicher Seite gedeckt sei. Er rechne im Herbst mit neuen Varianten und es sei nicht sicher, dass die zu milden Verläufen führen.
Impfung reduziert das Risiko schwerer Verläufe
Von den anderen fünf Anträgen, über die der Bundestag am Donnerstag abstimmt, schließen zwei weitere eine Impfpflicht nicht aus. Der eine stammt von der CDU/CSU-Fraktion, den anderen hat ebenfalls eine fraktionsübergreifende Gruppe um den FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann eingereicht. Diese beiden Anträge sehen jedoch vor, dass die Impfpflicht erst später und nur unter Umständen in Kraft treten soll.
Laut dem Entwurf der Ullmann-Gruppe sollen sich alle über 50 Jahren zunächst beraten lassen. Im Herbst – der Pandemielage entsprechend – solle der Bundestag dann erneut über eine Impfpflicht abstimmen, allerdings nur für diese Altersgruppe ab 50. Für sie gilt eine Corona-Infektion als besonders risikoreich. Die Impfungen verhindern zwar keine Ansteckungen, reduzieren aber die Gefahr von schweren Verläufen. Daher würde eine Impfpflicht ab 50 Jahren das Gesundheitssystem entlasten, argumentiert die Gruppe.
Der Vorschlag der Union sieht hingegen vor, eine Impfpflicht zunächst nur vorzubereiten, indem mit einem Impfregister die Datengrundlage verbessert wird. Wenn alle Mitglieder der Unionsfraktion für den Antrag stimmen würden, hätte er 197 Stimmen und damit ebenfalls keine Mehrheit.
Die größte Gruppe der 736 Abgeordneten im Bundestag unterstützt den Antrag, der bisher eine Impfpflicht ab 18 forderte. Sie setzt sich nun für den Kompromiss ein: 237 Abgeordnete von SPD, Grünen, FDP und der Linken stehen aktuell dahinter, darunter auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Aber auch das genügt nicht, sie bräuchten weitere Stimmen.
In vielen Punkten angenähert
Aber der Gruppe um den Abgeordneten Ullmann geht der Kompromissvorschlag noch zu weit: „In vielen Punkten hat sich der Vorschlag unserem Gruppengesetzentwurf angenähert. Dennoch können wir ihm in der jetzigen Form nicht zustimmen“, teilten sie am Montagnachmittag mit.
Auch die Unions-Fraktion wies den Vorschlag in einer ersten Reaktion zurück. Tino Sorge, ihr gesundheitspolitischer Sprecher, bemängelte: „Hinter der anfänglichen Impfpflicht ab 50 verbirgt sich eine Impfpflicht ab 18, an der Teile der Ampel offensichtlich verzweifelt festhalten.“
Zwei Anträge lehnen die Impfpflicht grundsätzlich ab. Eine fraktionsübergreifende Gruppe um den FDP-Vize Wolfgang Kubicki fordert stattdessen nur eine bessere Beratung. Die AfD-Fraktion spricht sich nicht nur gegen die allgemeine Impfpflicht aus, sondern möchte auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht wieder abschaffen. Einige Abgeordnete haben sich aber noch zu keinem der Anträge bekannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken