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Debatte um eine Corona-ImpfpflichtKeine Zustimmung für den Kompromiss

Für eine Corona-Impfpflicht hat noch kein Vorschlag eine Mehrheit im Bundestag. Eine Gruppe sucht nun den Kompromiss – und erntet Ablehnung.

Wer muss sich impfen lassen? Diese Woche entscheidet der Bundestag Foto: Fabian Sommer/dpa

BERLIN taz | Die Debatte über eine allgemeine Impfpflicht zieht sich mittlerweile über Monate. Am Donnerstag folgt nun die Abstimmung im Bundestag, doch bisher hat keiner der fünf eingebrachten Anträge eine Mehrheit. Die meiste öffentlich bekannte Unterstützung unter den Abgeordneten hat eine fraktionsübergreifende Gruppe, die bisher für eine Impfpflicht ab 18 Jahren eintrat. Aber nun ist sie teils von ihren Positionen abgerückt und hat am Montag einen Kompromiss vorgeschlagen. Die anderen Gruppen lehnen den jedoch ab.

Statt einer Impfpflicht für alle Erwachsenen sieht er vor, dass sich zunächst alle ab 50 Jahren bis Oktober impfen lassen müssen. Zusätzlich soll der Bundestag Anfang September erneut über eine Impfpflicht für 18- bis 49-Jährige entscheiden. Ungeimpfte aus dieser Altersgruppe sollen aber auch nachweisen, dass sie zur Impfung beraten wurden. Der Antrag sieht zudem vor, ein Impfregister zu erstellen. Das soll einen Überblick darüber geben, wie groß die Impflücken in Deutschland tatsächlich sind.

Damit greift der Kompromiss mehrere Punkte auf, die bisher nur in anderen Anträgen zu finden waren, und versucht trotzdem, eine Impfpflicht durch den Bundestag zu bekommen, die sofort greift. Das bekräftigte Dagmar Schmidt (SPD) bei einer Pressekonferenz am Montag: „Wenn die nächste Welle da ist, dann kommt die Impfpflicht zu spät.“ Mit einer erneuten Infektionswelle rechne sie im Herbst.

Janosch Dahmen (Grüne), der ebenfalls mit am Antrag gearbeitet hat, betont, dass diese Ansicht auch von wissenschaftlicher Seite gedeckt sei. Er rechne im Herbst mit neuen Varianten und es sei nicht sicher, dass die zu milden Verläufen führen.

Impfung reduziert das Risiko schwerer Verläufe

Von den anderen fünf Anträgen, über die der Bundestag am Donnerstag abstimmt, schließen zwei weitere eine Impfpflicht nicht aus. Der eine stammt von der CDU/CSU-Fraktion, den anderen hat ebenfalls eine fraktionsübergreifende Gruppe um den FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann eingereicht. Diese beiden Anträge sehen jedoch vor, dass die Impfpflicht erst später und nur unter Umständen in Kraft treten soll.

Laut dem Entwurf der Ullmann-Gruppe sollen sich alle über 50 Jahren zunächst beraten lassen. Im Herbst – der Pandemielage entsprechend – solle der Bundestag dann erneut über eine Impfpflicht abstimmen, allerdings nur für diese Altersgruppe ab 50. Für sie gilt eine Corona-Infektion als besonders risikoreich. Die Impfungen verhindern zwar keine Ansteckungen, reduzieren aber die Gefahr von schweren Verläufen. Daher würde eine Impfpflicht ab 50 Jahren das Gesundheitssystem entlasten, argumentiert die Gruppe.

Der Vorschlag der Union sieht hingegen vor, eine Impfpflicht zunächst nur vorzubereiten, indem mit einem Impfregister die Datengrundlage verbessert wird. Wenn alle Mitglieder der Unionsfraktion für den Antrag stimmen würden, hätte er 197 Stimmen und damit ebenfalls keine Mehrheit.

Die größte Gruppe der 736 Abgeordneten im Bundestag unterstützt den Antrag, der bisher eine Impfpflicht ab 18 forderte. Sie setzt sich nun für den Kompromiss ein: 237 Abgeordnete von SPD, Grünen, FDP und der Linken stehen aktuell dahinter, darunter auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Aber auch das genügt nicht, sie bräuchten weitere Stimmen.

In vielen Punkten angenähert

Aber der Gruppe um den Abgeordneten Ullmann geht der Kompromissvorschlag noch zu weit: „In vielen Punkten hat sich der Vorschlag unserem Gruppengesetzentwurf angenähert. Dennoch können wir ihm in der jetzigen Form nicht zustimmen“, teilten sie am Montagnachmittag mit.

Auch die Unions-Fraktion wies den Vorschlag in einer ersten Reaktion zurück. Tino Sorge, ihr gesundheitspolitischer Sprecher, bemängelte: „Hinter der anfänglichen Impfpflicht ab 50 verbirgt sich eine Impfpflicht ab 18, an der Teile der Ampel offensichtlich verzweifelt festhalten.“

Zwei Anträge lehnen die Impfpflicht grundsätzlich ab. Eine fraktionsübergreifende Gruppe um den FDP-Vize Wolfgang Kubicki fordert stattdessen nur eine bessere Beratung. Die AfD-Fraktion spricht sich nicht nur gegen die allgemeine Impfpflicht aus, sondern möchte auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht wieder abschaffen. Einige Abgeordnete haben sich aber noch zu keinem der Anträge bekannt.

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5 Kommentare

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  • Der sogenannte "Kompromissvorschlag" ist alter Wein in neuen Schläuchen -



    Impfpflicht ab 18 plus Salamitaktik.



    Erst ab 50 einführen, später ausweiten - so verteilt man das administrative Chaos und den politischen Widerstand ein bisschen.

    Kompromisse gehen anders.

  • "Die Impfungen verhindern zwar keine Ansteckungen, reduzieren aber die Gefahr von schweren Verläufen. Daher würde eine Impfpflicht ab 50 Jahren das Gesundheitssystem entlasten, argumentiert die Gruppe."



    Das ist korrekt, und deshalb ist eine hohe FREIWILLIGE Impfquote für alle Menschen Ü 50 sowie für alle Vulnerablen wünschenswert. Es ist gut, dass es die Coronaimpfstoffe gibt. Es ist jedoch Zeit, dass auch ihre Risiken offen und fair diskutiert werden. Es gibt Impfnebenwirkungen bzw. Impfkomplikationen, die der Long Covid Problematik in nichts nachstehen. Da ich selbst betroffen war, kann ich das verharmlosende Gerede vom "kleinen Piks" mit "ein paar grippeähnlichen Symptomen" nicht mehr hören. Das ist so, als würde ich zu Long Covid Betroffenen sagen, das sei alles nur psychisch und sie sollten sich mal ein bißchen zusammenreißen. Über radikale Impfgegner kann ich nur den Kopf schütteln. Aber radikale Impf(pflicht)befürworter sind mir ebenfalls suspekt. Die freiwillige Impfung ist zwar ein wichtiger Baustein, aber es gibt andere (Masken, Medikamente etc.). Omikron belastet das Gesundheitssystem weniger als gedacht. Die Impfung hingegen birgt höhere Risiken als Politik, Medizin und Gesellschaft zugeben wollen. Deshalb lehne ich eine Impfpflicht ab.

    www.berliner-zeitu...-oeffnen-li.219816

    www.berliner-zeitu...-sterben-li.215904

    • @Running Man:

      Dann liefern Sie doch bitte ein paar Zahlen zu Ihren Ausführungen:



      "Es ist gut, dass es die Coronaimpfstoffe gibt. Es ist jedoch Zeit, dass auch ihre Risiken offen und fair diskutiert werden."



      130.000 COVID-Tote vs. wieviele Tote durch Impfungen?



      "Es gibt Impfnebenwirkungen bzw. Impfkomplikationen, die der Long Covid Problematik in nichts nachstehen."



      Wieviele LongCovid-Fälle gegenüber vergleichbaren "Impfkomplikationen"?

  • Nicht wenige nehmen sogar einen Atomkrieg aufgrund der schrecklichen russischen Verbrechen in der Ukraine offensichtlich in Kauf.



    Aber wir kriegen nicht mal eine Impflicht hin. um uns gegen die Pandemie zu stemmen.



    Was ist los in Deutschland?

  • Ja, genau, die Umsichtigen gehen immer weiter auf die ideologischen Hardliner zu — die dann einen Schritt zurückgehen und sagen „ihr müsst schon auf uns zukommen“.

    Und immer so weiter.