Debatte um „Trostfrauen“-Mahnmal: Die Friedensstatue nervt

Kein anderes Mahnmal trägt das Thema sexuelle Gewalt in Kriegen so stark in die Öffentlichkeit wie die Statue in Mitte. Das darf nur der Anfang sein.

Das Bild zeigt die sogenannte Trostfrauenstatue in Moabit im Bezirk Mitte

Die sogenannte Trostfrauenstatue in Moabit im Bezirk Mitte Foto: Jürgen Ritter/imago

Hat Berlin und vor allem sein zentraler Hauptstadtbezirk Mitte nichts Besseres zu tun, als immer wieder über eine kleine Statue zu diskutieren, die einen vergangenen Konflikt am anderen Ende der Welt thematisiert, der zwischen den damaligen Kontrahenten geregelt ist? Reicht es jetzt nach vier Jahren nicht? Nein. Das Gegenteil ist der Fall.

Das Mahnmal erinnert nur auf den ersten Blick allein an die Verbrechen an den sogenannten Trostfrauen im Pazifikkrieg. Die Statue und die dahinter stehende unabhängige zivilgesellschaftliche Berliner Organisation Korea Verband tragen mit ihr beharrlich das Thema sexuelle Gewalt in Konflikten in die Öffentlichkeit der Stadt – fantasievoll, friedlich und demokratisch. Die Mädchenstatue lädt mit dem leeren Stuhl neben ihr selbst dazu ein, sich zu ihr zu setzen und den Dialog zu suchen.

Zum Erfolg der ungewöhnlichen wie unbequemen Statue hat neben der Beharrlichkeit der In­itia­to­r*in­nen auch die Dummdreistigkeit der japanischen Regierung und ihrer Botschaft beigetragen, souveräne hiesige Entscheidungsträger unter Druck zu setzen und Berlins Zivilgesellschaft zu ignorieren.

Wohlfeile Sonntagsreden

Über kein anderes Denkmal dürfte in der Hauptstadt in den vergangenen Jahren mehr diskutiert worden sein. Dieses ausdrückliche Lob äußerte bei der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung von Mitte am Donnerstag sogar ein CDU-Vertreter, der allerdings meinte, das sei jetzt aber auch mal genug.

Damit reihte er sich ein in jene, die das Thema sexuelle Gewalt in Konflikten zwar inzwischen öffentlich als Problem einräumen – wie auch CDU-Senatschef Kai Wegner –, es aber nur in Sonntagsreden ansprechen und ansonsten neutral und unverfänglich behandelt sehen wollen. Täter, Mitläufer und Strukturen bleiben dabei ungenannt, Opfer bekommen allenfalls Mitleid, aber keine Mitsprache.

Diese Haltung geht nicht nur vielen Tätergruppen auf den Leim, sondern auch den konservativen Regierungen in Japan und Südkorea. Diese haben sich nach Jahrzehnten des Leugnens lediglich auf halbherzige Schritte hinter dem Rücken der Betroffenen geeinigt, um das Thema zu entsorgen. Ehrliche offizielle Aufarbeitungen finden bis heute bei den meisten Konfliktparteien nicht statt.

Aufforderung zu weitergehenden Diskussionen

Berlins Friedensstatue hat dagegen gezeigt, dass die Sichtbarmachung der Verbrechen sexueller Gewalt unbedingt in den öffentlichen Raum gehört. Die Statue nervt – und genau das soll sie auch. Zugleich kann dies nur ein allererster Schritt sein. Das Thema gehört in zivilgesellschaftliche Debatten, in die politische Bildung, in Schulbücher und Medien, erst recht im multikulturellen Berlin.

Wir merken doch, dass die Statue nicht nur Verbrechen in einem fernen historischen Konflikt thematisiert. Sie fordert auch auf zu Diskussionen über Wehrmachtbordelle, Vergewaltigungen Berliner Frauen durch sowjetische Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg, Massenvergewaltigungen im Bosnien-Krieg, im Kongo oder an Jesidinnen im Irak. Sie ist ein Berliner Kiezgewächs, das zugleich für den Blick über den deutschen Tellerrand steht, aber kein Instrument der Außenpolitik ist, sondern einer diversen Zivilgesellschaft.

Initiativen für andere Denkmäler zum Thema sind willkommen und können die Debatte bereichern, sofern sie nicht darauf zielen, die Friedensstatue loszuwerden. Diese ist kein „totes“ Denkmal, auf das man pflichtschuldig verweisen kann, sondern ein von großem lokalem Engagement getragener lebendiger Gedenk- und Lernort und Treffpunkt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.