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Debatte um TierversucheKaum Fortschritt für Tierschutz

Nachdem Hamburgs Initiative für weniger Tierversuche gescheitert war, gibt es nun vom Bund Geld für eine Datenbank zu Alternativmethoden.

Gibt auch alternative Forschungsmethoden dazu: Affe hinter Gittern Foto: Friso Gentsch/dpa

Hamburg taz | Als Reaktion auf die Ende vergangenen Jahres aufgedeckten Missstände im Tierversuchslabor in Mienenbüttel bei Hamburg gibt es nun auf Bundesebene ein bisschen Fortschritt: Drei Millionen Euro sollen im kommenden Jahr für den Aufbau einer Datenbank in die Hand genommen werden. So sollen Wissenschaftler:innen künftig einsehen können, ob auf ihre geplanten Tierversuche verzichtet werden kann, weil es längst alternative Forschungsmethoden gibt.

Währenddessen kündigte das Betreiberunternehmen Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT) an, in Mienenbüttel ein Tierschutzzentrum aufbauen zu wollen. Mit welchen Tierschutzvereinen es dabei zusammenarbeitet, will LPT nicht sagen. Es seien aber keine Organisationen, die „gegen Forschungseinrichtungen agitieren“. Auch dürfte es, entgegen der Ankündigung von LPT, noch dauern, ehe auf dem LPT-Gelände Tiere geschützt werden.

Die geplante Plattform soll dazu beitragen, Tierversuche zu reduzieren und gänzlich zu vermeiden. „Bisher gibt es keine einheitliche Datenbank für Ersatzmethoden, die eine Übersicht über alle Methoden, Forschungsergebnisse und Anwendungszwecke bietet“, sagt die Bundestagsabgeordnete Svenja Stadtler (SPD). Sie sitzt für den Wahlkreis Harburg im Bundestag, zu dem auch Mienenbüttel gehört.

Sowohl dort als auch in Hamburg, wo LPT seinen Sitz hat, gab es in den vergangenen Monaten massive Proteste. Im Zuge der Haushaltsverhandlungen des Bundes hatte die SPD die Forderung gegen die CDU durchsetzen können.

Auch „Ärzte gegen Tierversuche“ für Datenbank

Auch für die Genehmigungsbehörden von Tierversuchen soll die Datenbank ein Werkzeug sein, um weniger Tierversuche zu erlauben. Wissenschaftler:innen, die einen Versuch durchführen wollen, müssen – bei einer Vielzahl von Ausnahmen – nachweisen, dass es keine geeignete Alternativmethode gibt.

Bisher gibt es keine einheitliche Datenbank für Ersatzmethoden, die eine Übersicht über alle Methoden, Forschungsergebnisse und Anwendungszwecke bietet

Svenja Stadtler (SPD), Bundestags­abgeordnete Wahlkreis Harburg

Ob das stimmt, wissen die Behörden aber auch nicht genau. Dafür müsste schließlich immer die aktuelle Forschungsliteratur bekannt sein. Nicht nur Tierversuchsgegner:innen sagen, dass den Behörden dafür Kapazitäten fehlen.

Der Verein Ärzte gegen Tierversuche freut sich über die Initiative. „So eine Datenbank ist wichtig, weil bislang an mehreren Stellen dasselbe erforscht wird“, sagt Sprecherin Gaby Neumann. Dabei sei es nicht ganz richtig, dass es eine solche Datenbank noch nicht gibt.

Der Verein betreibt nämlich seit Mitte des Jahres die sogenannte NAT-Datenbank. NAT steht für „Non-Animal-Technologies“. Der Bund oder ein damit im kommenden Jahr beauftragtes Forschungsinstitut könnte sich also beim Verein abschauen, wie die Datenbank aussehen soll.

LPT will Tierschutzzentrum in Mienenbüttel errichten

Ob sich dadurch ein substanzieller Rückgang von Tierversuchen ergibt, ist aber offen. „Es braucht ebenso die Pflicht, Ergebnisse von Tierversuchen zu veröffentlichen“, sagt Neumann. Der Verein ist sich sicher, dass Tierversuche nicht nur viel teurer als Alternativen sind und länger dauern, sondern auch selten hilfreiche Ergebnisse liefern.

Am LPT-Labor in Mienenbüttel wird es künftig zumindest keine Tierversuche mehr geben. Zunächst hatten die Behörden die vorläufige Schließung nach der Veröffentlichung von Bildern angeordnet, die gruselige Missstände bei der Tierhaltung dokumentierten. LPT hatte dann mit großen Worten im September angekündigt, aus dem La­borgelände ein Tierschutzzentrum machen zu wollen statt den Betrieb des Versuchslabors wieder aufzunehmen.

Und mittlerweile habe das Unternehmen auch zwei Tierschutzeinrichtungen gefunden, die den Betrieb führen wollen. „Die Wahl fiel zum Schluss auf zwei gemeinnützige Organisationen, die sich ausschließlich dem Wohl der Tiere widmen und nicht gemeinsam mit Tierrechtlern gegen Forschungseinrichtungen agitieren“, teilte LPT mit. Auf wen genau die Wahl gefallen ist, will LPT bislang allerdings nicht mitteilen.

Dass, wie LPT ankündigte, daraus dieses Jahr noch etwas wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Bei der zuständigen Behörde, der Kreisverwaltung Harburg, hat LPT bisher keinen Antrag auf Nutzungsänderung des Geländes eingereicht, erklärt Sprecherin Katja Bendig.

Hamburg hat immer noch keine Tierschutz-Professur

In Hamburg herrscht derweil weiter Stillstand im Ringen um weniger Tierversuche. Enttäuschung hatte es auf Seiten der Tierschützer:innen erst jüngst gegeben, als Hamburg seine Bundesrats­initiative zur Reduzierung von Tierversuchen zurückgezogen hatte. Nach Aussage des Hamburger Senats hätten nicht genügend Bundesländer bei dem Vorstoß mitziehen wollen.

Dabei hängt auch die Hansestadt ihren Ansprüchen bislang hinterher. Katharina Fegebank, grüne zweite Bürgermeisterin, hatte Ende vergangenen Jahres angekündigt, am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) eine Professur für alternative Forschungsmethoden einrichten zu wollen.

Angekündigt war, dass die Stelle noch dieses Jahr besetzt werden soll – geschehen ist das aber noch nicht. „Die Auswahl und das Besetzungsverfahren haben sich aufgrund administrativer Schwierigkeiten verzögert“, sagt UKE-Sprecherin Saskia Lemm. Anfang kommenden Jahres soll es aber so weit sein.

Auch juristisch gibt es gegen LPT kaum Fortschritte zu verkünden. Bei der Stader Staatsanwaltschaft laufen die Ermittlungen gegen LPT noch immer. Denn auch wenn die Bilder schrecklich seien, so sei weiterhin noch nicht klar, ob sie Rechtsverstöße dokumentieren. „Diese Auswertung braucht Zeit, weil wir auf Einschätzungen von fachkundigen Experten angewiesen sind“, sagt Johannes Kiers, Sprecher der Staatsanwaltschaft.

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