Debatte um Sterbehilfe: Ärzte als Suizid-Beistand

In einem Gesetzentwurf zur Sterbehilfe plädieren Wissenschaftler dafür, die Rolle von Medizinern zu stärken. Initiativen von Politikern fehlen bisher.

Ärzte stehen in einem Gang eines Krankehauses

Foto: Matthias Schrader/dpa

BERLIN taz | Es war ein Urteil von gesellschaftlicher Tragweite, das die Bundesverfassungsrichter Ende Februar verkündeten: Jeder Mensch habe das Recht, selbstbestimmt zu sterben – auch mit Hilfe Dritter. Damit kippte das oberste deutsche Gericht das seit Dezember 2015 bestehende Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe und erklärte den entsprechenden Strafrechtsparagrafen 217 für nichtig. Dem Gesetzgeber, so die Richter, sei es aber durchaus möglich, das Recht auf Selbstbestimmung im Sterben in einer Regelung zu verankern.

Diesem Hinweis sind nun vier Hochschullehrer gefolgt, die sich seit Jahrem mit dem Thema Sterbehilfe beschäftigen: Der Palliativmediziner Gian Domenico Borasio und der Medizinethiker Ralf Jox, beide von der Universität Lausanne, sowie der Mannheimer Medizinrechtler Jochen Taupitz und der Medizinethiker Urban Wiesing von der Uni Tübingen. Sie veröffentlichten am Montag einen Gesetzesvorschlag, der, so die Autoren, „den Freiraum für selbstbestimmtes Sterben absichern“ und zugleich „nicht-freiverantwortliche Suizide verhindern“ will.

Anders als bei der Tötung auf Verlangen, bei der ein Mensch einen anderen auf dessen Wunsch hin tötet und die in Deutschland mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht ist, handelt es sich bei der Suizidassistenz um eine Beihilfe zur Selbsttötung. Diese ist etwa dann gegeben, wenn eine Person einer anderen ein todbringendes Medikament besorgt und überlässt, die sterbewillige Person dieses Medikament aber selbstständig einnimmt.

Die vier Wissenschaftler schlagen in ihrem Gesetzesentwurf vor, es Ärztinnen und Ärzten explizit zu erlauben, „Hilfe zur freiverantwortlichen Selbsttötung“ zu leisten, sofern sie die Freiwilligkeit, Ernsthaftigkeit und Beständigkeit des Suizidwunsches geprüft und den Suizidwilligen zuvor „umfassend und lebensorientiert“ aufgeklärt haben. Außerdem müsse ein zweiter unabhängiger Arzt hinzugezogen werden. Zwischen dem Aufklärungsgespräch und der Sterbehilfe selbst sollen mindestens zehn Tage liegen. Werbung für Suizidhilfe soll verboten werden.

Und, so die Autoren in ihrer Begründung: „Da andere Berufsgruppen oder Laien nicht über die notwendigen fachlichen Kompetenzen zur Durchführung der komplexen und anspruchsvollen Aufgabe, der medizinischen Aufklärung, der Suizidberatung und Suizidhilfe verfügen, wird ihnen zum Schutz der Betroffenen die Durchführung der Suizidhilfe strafrechtlich verwehrt.“ Von der Strafbarkeit ausgenommen werden sollen aber Angehörige oder Nahestehende.

Klaubt Spahn sich Experten zusammen?

Tötung auf Verlangen freuzugeben, lehnen die Wissenschaftler indes strikt ab. Sie wollen die Suizidprävention stärken. Eine Dokumentationspflicht soll vor Missbrauch schützen und außerdem erstmals verlässliche Daten etwa darüber liefern, wie viele Personen einen Wunsch nach Suizidhilfe äußern und wie viele von ihnen diesen Wunsch dann tatsächlich nach Beratung umsetzen oder auch nicht.

Der Gesetzentwurf der Wissenschaftler ist der zweite Vorschlag zur Neuregelung der Suizidhilfe nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Bereits im Mai hatte der Humanistische Verband Deutschlands einen eigenen Entwurf vorgelegt. Aus den Reihen von Regierung oder Parlament gibt es bislang keine ausformulierten Entwürfe.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), ein Befürworter der Strafbarkeit von Suizidhilfe, hatte Ende Mai erklärt, das Urteil des Verfassungsgerichts solle erst noch ausgewertet werden. Man wolle abwarten, ob die Bundestagsabgeordneten selbst aktiv würden, etwa durch Gruppenanträge. Wenig später wurde dann öffentlich, dass Spahn seinerseits bereits im April etwa 30 verschiedene Institutionen, Vereine und Verbände mit der Bitte um „Vorschläge zu wesentlichen Eckpunkten einer möglichen Neuregelung der Suizidassistenz“ angeschrieben hatte. Mehrheitlich stehen diese von Spahn ausgewählten Experten der Suizidhilfe skeptisch gegenüber.

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