Debatte um Katar: Was zu erreichen war

Die Kritik an der Fußball-WM in Katar hat schon viel bewirkt. Dennoch findet sich im Schimpfen auf das Turnier und das Emirat viel Wohlfeiles.

Fußballtribüne. Das Transparent "Boycott Qatar" ist zu lesen

Die Boykottbewegung ist nicht zu übersehen: Zweitligabegegnung Bielefeld-Magdeburg Foto: Friso Gentsch/dpa

Letztens habe ich einen flüchtigen Blick auf die WM erhascht. Es spielte, wenn ich mich richtig erinnere, Katar gegen Senegal, das lief in einem Brauhaus. Ich war fast überrascht, dass es sie gibt, diese WM, von der ich kaum Notiz nehme. Ich bin keine WM-Boykotteurin. Aber ich lese viel auf Gegenveranstaltungen, was mich wohl zu einer Boykotteurin zweiten Grades macht.

Es ist eine seltsame Stimmung, die diesen Boykott umgibt. Auf Unrecht reagieren wir mit Konsumentscheidungen: Fernseher aus oder ein? So verhaftet in dem Glauben, dass unser Kaufen die Welt verändere. Und doch ist das bemerkenswert: Menschen, die sich zum ersten Mal derart auflehnen gegen die Fifa, gegen Autokratie, für Menschenrechte, gegen all die Ekelhaftigkeit dieser WM und dieses Gastgebers. Das ist neu.

Der große öffentliche Druck, der vielleicht gar einen Bruch mit der Fifa erringt, hat mich überrascht. Ich habe einen Boykott lange für reines Haltungsgedöns gehalten. Ich lag falsch. Er hat sehr direkt gewirkt.

Zugleich ist die überhebliche Naivität oft schwer erträglich. Menschen, die bedeutungsschwanger fragen, wie ich es verantworten könne, den Fernseher einzuschalten. Einige bemerkten jüngst schockiert, dass Skla­v:in­nen und Sklavenhalter einander in Katar nicht einmal im Supermarkt treffen.

Noch viel mehr protestieren ist nötig

Im Fall von Deutschland treffen sie einander nicht einmal im Leben. Wir haben unsere Menschenrechtsverletzungen so erfolgreich außer Landes gelagert, dass wir sie nicht mehr sehen. Und uns nicht eine WM gekauft, sondern gleich den ganzen Fußball. Bei den Forderungen, Turniere nur noch in Demokratien (klar, im globalen Norden) auszutragen, wird mir schlecht.

Die überhebliche Naivität ist oft schwer erträglich. Menschen, die fragen, wie ich es verantworten könne, den Fernseher einzuschalten.

Und doch: Ein zweites Mal so viele Stadiontote bei einer WM wird die Fifa sich nicht leisten können. Eine Bewegung von unten hat das erreicht. Und vielleicht auch einen Gastgeber unter Druck gesetzt, der neben globalem Unrecht eine sonst kaum gefährdete, skrupellose Macho-Autokratie betreibt. Das ist eine Errungenschaft.

Und nun? Sollen wir denn etwa, fragt mich einer, nicht protestieren gegen Katar, nur weil Deutschland nicht perfekt ist? Mir hängt diese Formulierung lange nach. „Nicht perfekt.“ Nein, sage ich, im Gegenteil. Weitermachen. Viel mehr protestieren, viel langfristiger, viel grundlegender. Ob das passieren wird?

Die Katar-Debatte wird so undifferenziert geführt, sagt eine Frau. Sie glaubt, das liegt daran, dass Männer nicht anders diskutieren könnten als in zwei Lagern. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber ich fühle mich auch ein bisschen ertappt. Bis zur WM war ich auch in einem Lager, Anti-Boykott. Es ist jedenfalls nicht einfach, denke ich, und rufe noch eine Kenianerin an.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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