Debatte um Irlands Trainerin Pauw: Wir sprechen später
Vera Pauw, der Trainerin Irlands, wird Machtmissbrauch vorgeworfen. Vor einem Jahr hatte sie ihre Geschichte als Opfer sexueller Gewalt erzählt.
Vera Pauw hat forsche Töne nach der knappen Auftaktniederlage gegen die favorisierten Gastgeberinnen aus Australien angeschlagen. Nun sei klar, erklärte sie, dass Irland auf Ergebnisse bei dieser Weltmeisterschaft spiele und nicht einfach nur an einem schönen Turnier teilnehme. „Wir sind ein Team, das kämpft, die irische DNA kämpft, das steckt in uns.“ Gegen das ebenfalls favorisierte Team aus Kanada soll nun am Mittwoch gepunktet werden. Die Gedanken beim WM-Neuling scheinen ausschließlich auf dieses Turnier ausgerichtet zu sein.
Anfang Juli hat in Irland kaum jemand über dieses erste WM-Turnier für Irland gesprochen. Ein Bericht vom Onlineportal The Athletic sorgte für Aufregung, in dem Vorwürfe gegen Pauw aufgegriffen wurden, die aus ihrer Trainerzeit 2018 bei Houston Dash, einem Erstligisten aus den USA, herrühren.
Anlass für die Recherchen war eine Untersuchung der National Women’s Soccer League (NSWL) vergangenen Dezember, in der Pauw vorgeworfen wurde, eine Spielerin wegen ihres Gewichts beschämt und kontrolliert zu haben. Der 60-jährigen Niederländerin wurde damals verboten, in der NSWL als Trainerin zu arbeiten, solange sie nicht öffentlich Einsicht für die eigenen Fehler zeige und einen Kurs zur Verbesserung ihres Verhaltens besuchen würde.
Gegenüber The Athletic berichteten aktuell vier Spielerinnen und drei Klubmitarbeiter:innen aus der damaligen Zeit in Houston von abfälligen Bemerkungen Pauws über das Gewicht und Essgewohnheiten einzelner Spielerinnen. Ebenfalls wurde der Trainerin von den Befragten ein überdurchschnittliches Kontrollverhalten attestiert.
Vera Pauw wies wie im Dezember die Vorwürfe strikt zurück und stellte die rhetorische Frage in den Raum: „Wie kann man sich gegen eine Lüge wehren?“ Zudem erhob sie den Vorwurf, sie würde als Frau anders behandelt werden. Pep Guardiola oder José Mourinho müssten sich in gleicher Lage solchen Vorwürfen nicht aussetzen. „Die Leute würden sagen: ‚Es ist deine Aufgabe, die Spieler darauf vorzubereiten, auf dem Spielfeld die Besten zu sein.‘“
Mangelhaftes Aufklärungsinteresse
Die Niederländerin äußerte obendrein den Verdacht, hinter den Anschuldigungen kurz vor der WM stünde eine Agenda und jemand sei darauf aus, ihre Karriere zu zerstören. Sie wolle all ihre Energie dem irischen Team widmen und werde sich erst nach der Weltmeisterschaft zu dem Thema äußern. Der irische Fußballverband stärkte ihr den Rücken. Und auch Kapitänin Katie McCabe beklagte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Pauw vor dem WM-Testspiel gegen Frankreich das Timing der Berichterstattung. Man habe das doch schon im Dezember besprochen.
Auf die Frage, ob alle Spielerinnen glücklich mit den bisherigen Antworten von Pauw auf die Vorwürfe seien, erklärte McCabe, sie könne nicht für alle sprechen. Und: „Wir haben zusammen gearbeitet, und natürlich haben wir uns auch gestritten. Man wird sich nie zu 100 Prozent mit seinem Trainer verstehen.“ Es gibt durchaus Teams bei dieser WM, bei denen das Binnenverhältnis zur Trainerin oder dem Trainer harmonischer beschrieben werden.
Das bislang nicht wahrnehmbare Interesse des irischen Fußballverbands an Aufarbeitung wirft Fragen auf. Zudem macht die Vergangenheit von Vera Pauw diesen Fall besonders. Wenige Tage vor der Europameisterschaft in England im vergangenen Jahr berichtete sie via Twitter, zwischen 2004 und 2010 als junge Spielerin „von einem prominenten Fußball-Offiziellen“ vergewaltigt worden zu sein.
Später seien noch zwei sexuelle Übergriffe durch jeweils andere Männer hinzugekommen. Alle Täter, so Pauw, seien im niederländischen Fußball angestellt gewesen. Sie wäre „systematischem sexuellen Missbrauch, Machtmissbrauch, Mobbing, Einschüchterung und Isolation“ ausgesetzt gewesen. Vergeblich habe sie sich im Verband um Aufarbeitung bemüht. Nach 35 Jahren breche sie nun ihr Schweigen.
Als Pauw sich selbst mit dem Vorwurf des Machtmissbrauchs konfrontiert sah, fragte sie: „Können Sie sich das vorstellen? Bei meiner Geschichte? Kennen Sie meine Geschichte?“ Doch es geht nicht um Vorstellungskraft, sondern um Aufarbeitung.
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