Debatte um Exmatrikulation: Empörung als Gesetzgeberin
Nach der mutmaßlich antisemitischen Attacke auf einen Studenten will Berlin sein Hochschulgesetz ändern. Zielführender wäre Präventionsarbeit.
D ie Wissenschaftssenatorin hat nachgegeben: Ina Czyborra (SPD), will nun doch eine Gesetzesänderung vorbereiten, damit die Unis „Gewalttäter und Straftäter“ künftig exmatrikulieren können. Die Berliner Unis sollen dieses Recht „wieder“ anwenden können, heißt es in den meisten Texten dazu. Der Berliner Senat will damit seinen Tatendrang gegen Antisemitismus unter Beweis stellen.
Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang genauer auf die vergangenen Gesetzeslagen zu blicken. Den Paragrafen, der den Unis in Berlin eine Exmatrikulation erlaubte, hatte der rot-rot-grüne Senat mit der Novelle des Berliner Hochschulgesetzes 2021 abgeschafft. Doch in diesem Paragraf war es um ordnungsrechtliche Fragen gegangen, um Störungen des Unibetriebs, nicht um Gewalttaten außerhalb des Uni-Geländes. Der Paragraf 28, auf den sich das Hochschulgesetz bei Exmatrikulationen als Ordnungsmaßnahme bezog, war bereits 1999 aus dem bundesweiten Hochschulrahmengesetz gestrichen worden. Dort war geregelt worden, dass von der Uni ausgeschlossen werden kann, wer den Unibetrieb mit Gewalt stört.
Die Debatte um das Recht auf Exmatrikulation war nun aber nach einer gewalttätigen Attacke auf einen jüdischen Studenten neu entbrannt. Der mutmaßliche Angreifer soll in Berlin-Mitte Anfang Februar einen jüdischen Mitstudenten attackiert und ihm mehrere Knochenbrüche im Gesicht zugefügt haben. Doch weder das Hochschulrahmengesetz noch das Berliner Hoschschulgesetz hätten dies in ihren älteren Fassungen erfasst: Die Uni hätte den Täter also wohl auch nach der Gesetzeslage von vor 2021 nicht einfach exmatrikulieren können.
In anderen Bundesländern ist die Lage anders: So wäre es etwa nach einer Recherche des Branchenblatts LTO durchaus möglich, Student*innen auch wegen ihrer Handlungen außerhalb der Uni zu exmatrikulieren. In Niedersachsen ist dies demnach ebenfalls möglich, allerdings nur, wenn der Täter bereits rechtskräftig verurteilt ist.
Große Empörung
Wenn die Empörung groß ist, sind die Forderungen nach Konsequenzen meist nicht weit. Gesetzesverschärfungen zu fordern, suggeriert erstmal Handlungsfähigkeit. Doch gerade wenn Gesetze aufgrund von konkreten Vorfällen geändert werden sollen, ist Vorsicht geboten. Denn der Anspruch an die geltende Gesetzeslage sollte sein, dass sie unabhängig von spezifischen Vorfällen das Zusammenleben regelt. Gefährliche oder schwere Körperverletzung fällt unter das Strafrecht und wird auch dort verhandelt. Im aktuellen Fall ermittelt außerdem der Staatsschutz wegen einer möglichen antisemitisch motivierten Tat.
Auch das ist der richtige Weg: Dort, wo antisemitische Einstellungen in Gewalt münden, muss die Strafverfolgung das berücksichtigen. Hier wäre auch der Hebel, wo die Gesellschaft von den Behörden genaues Hinschauen fordern sollte. Denn gegen ein verfestigtes antisemitisches Weltbild sind Repressionen nötig, um mögliche Betroffene zu schützen. Die Unis können bereits jetzt über Hausverbote ihren Anteil leisten. Sie sollten auch entschiedener als bisher das Gespräch mit Student*innen suchen, die sich bedroht fühlen.
Hilflos und planlos wirkt dagegen der Ruf nach einer Gesetzesänderung in diesem Fall. Denn auf die mutmaßlich antisemitische Gewaltattacke vom Februar ließe sich auch eine noch so schnell im März geänderte Gesetzeslage ja gerade nicht anwenden. Sinnvoller wäre eine ernsthafte Auseinandersetzung mit antisemitischen Einstellungen in der Gesellschaft. Doch das bräuchte konstante Bemühungen. Und erzeugt weit weniger Aufmerksamkeit als der nun befriedigte Durst nach Aktionismus.
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