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Debatte um AirbnbSchläfst du bei mir?

Die Privatbettenvermietung Airbnb will Menschen zusammenbringen – und daran verdienen. Sie gerät aber zunehmend unter Druck. Zu Recht?

Tagsüber schwitzen sie auf Spreedampfern, nachts belegen sie Privatzimmer: Touris in Berlin. Bild: reuters

Letztes Jahr im Winter hat Georg eigens eine neue Wand eingezogen, die eines der beiden Zimmer in seiner Wohnung teilt. „Rigips“, sagt er, während er durch die Altbauwohnung im dritten Stock führt. „Das ist gar nicht so schwer.“ Nun sind ihm anderthalb von ursprünglich zwei großen Zimmern geblieben. Sie dienen als Atelier, Küche und Wohnraum für ihn und die beiden Kinder, die einen Teil des Monats bei ihm verbringen. Das neue entstandene Zimmer vermietet er seit Dezember 2013 regelmäßig über die Plattform Airbnb an Touristen.

Das steht für „AirBed and Breakfast“, Luftmatratze und Frühstück auf Deutsch. Der Gründungsmythos des 2008 im kalifornischen Silicon Valley erdachten Start-ups geht so: Während einer Messe in San Francisco, als Hotelzimmer knapp waren, boten die Gründer Joe Gebbia und Brian Chesky ihre Wohnung als Übernachtungsmöglichkeit an, merkten, dass es dafür einen großen Markt gibt, und starteten ihr Internetportal, das Vermieter und Reisende unkompliziert zusammenbringt, um private Unterkünfte zu buchen. Das Unternehmen kassiert dafür von allen Beteiligten eine kleine Gebühr. Couchsurfing also, nur dass man hier für die Übernachtung bezahlen muss.

Das Versprechen des Unternehmens lautet: Urlaub zu machen, ohne sich als Tourist zu fühlen. „Willkommen zu Hause“ lautet deshalb der Claim.

Instant-Zugehörigkeit

Im besten Fall ist der Vermieter anwesend und liefert auf Wunsch ein selbst gekochtes Abendessen oder Insidertipps für Nachtleben und Shopping gleich mit. Im Preis inbegriffen ist also eine Art Instant-Zugehörigkeit, für die man nichts weiter tun muss, als ein Inserat anzuklicken. Ähnlich wie eine Tütensuppe schmeckt auch die neue Freundschaft vielleicht nicht so gut wie eine, die seit geraumer Zeit friedlich vor sich hin simmert. Satt macht sie aber allemal.

Airbnb vermarktet seinen Service mit einem Bauchgefühl: sich aufgehoben fühlen können soll man sich dank des Dienstes auf der ganzen Welt. Womöglich stößt Airbnb damit in eine Lücke, die eine sich stets weiter individualisierende und damit auch gezwungenermaßen vereinsamende Gesellschaft begierig annimmt.

Gerade in Städten wie Berlin, in der es viele Künstler und Selbständige gibt und die Lebenshaltungskosten stetig steigen, ist die neue Einnahmemöglichkeit, die Airbnb bietet, für viele attraktiv.

„Ich bin Maler, und seit der Wirtschaftskrise verkaufe ich nicht mehr so viele Bilder“, sagt Georg, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Ich brauche die zusätzliche Kohle, die das Vermieten bringt.“ Der 50-Jährige sperrt den abgetrennten Raum auf. Darin ein Bett und ein Schrank. An der Wand hängt eines seiner Bilder. Einkaufstüten zeugen von einer ausgedehnten Shoppingtour der Bewohnerin. „Die ist gerade nicht zu Hause“, sagt Georg und schließt die Türe wieder. Das Geschäft läuft gut für ihn. „Ich mache das jetzt seit einem halben Jahr, und bis auf wenige Tage hatte ich das Zimmer durchgehend vermietet“, sagt er. 27 Euro verlangt er pro Nacht. „Das ist nicht viel. Natürlich könnte ich auch mehr nehmen, aber so ist das Zimmer eben ständig belegt.“

72 Prozent Wachstum

Mittlerweile sind auf der Webseite von Airbnb weltweit mehr als 700.000 Schlafgelegenheiten gelistet, verteilt über 35.000 Städte in 190 Ländern. Von der einfachen Schlafcouch bis zur kompletten Villa ist alles dabei. In Deutschland werden laut dem Unternehmen mehr als 29.000 Übernachtungsmöglichkeiten angeboten, mehr als 12.000 in Berlin. Die Zahl der Inserate in Deutschland ist im Vergleich zum Vorjahr um 72 Prozent gestiegen. Eine Entwicklung, die Hoteliers aufschreckt und die auch einige Stadtverwaltungen mit Sorge betrachten.

Nach Schätzungen des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga werden in Berlin bis zu 18.000 Wohnungen als Ferienapartments vermarktet – über Airbnb, ähnlich funktionierende deutsche Zwischenmietportale wie 9flats und Wimdu oder klassische Ferienwohnungsvermietung. Die meisten Airbnb-Angebote sind Privatwohnungen, die zeitweise zu haben sind, weil die Bewohner verreist sind, oder einzelne Zimmer in einer Privatwohnung, wie das von Maler Georg. Immer wieder stößt man aber auch auf Airbnb-Inserate, die ganz offensichtlich das ganze Jahr über als möblierte Ferienwohnung vermarktet werden.

In Berlin sah sich darum der Senat auf Drängen der Bezirksbürgermeister dazu genötigt, ein neues Gesetz zu erlassen. Das macht das Vermieten privater Ferienwohnungen seit dem 1. Mai illegal – allerdings gibt es eine zweijährige Übergangsfrist. Wer seine Ferienwohnung bis 31. Juli beim Bezirksamt registriert, kann sie bis 2016 unverändert weitervermieten.

Barcelona mit drastischen Schritten

„Wir haben in Berlin tendenziell einen angespannten Wohnungsmarkt“, sagt die Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Daniela Augenstein. „Mit dem Gesetz wollen wir verhindern, dass der ohnehin knappe Wohnraum für Ferienwohnungen zweckentfremdet wird.“ Nicht nur in Berlin, auch in New York, Barcelona, Paris oder Hamburg wächst der Widerstand gegen die private Vermietung von Wohnungen an Touristen. Gentrifizierung, Steuerhinterziehung, die Angst der Hoteleriebranche vor Einbußen – die Gründe für den Widerstand gegen Dienste wie Airbnb sind vielfältig.

Viele Städte haben rechtliche Schritte dagegen unternommen – am drastischsten Barcelona: Erst kürzlich hat die Stadt Airbnb zu einer Geldstrafe von 30.000 Euro verdonnert, weil dort das private Vermieten von Wohnraum an Touristen verboten werden soll. Nun sind Airbnb-User vielerorts verunsichert, ob sie sich mit dem Vermietung ihrer Wohnung über Onlineplattformen strafbar machen.

Auch Berlin ist aktiv geworden. Anfang Juli verschickte Airbnb deshalb eine E-Mail an seine hier ansässigen Vermieter. „Die neue Gesetzgebung ist sehr weit gefasst und hat keinen ausschließlichen Fokus auf Kurzzeitvermietung“, heißt es darin. Und, dass Sie selbst überprüfen sollten, ob Ihr Airbnb-Angebot davon betroffen sei. Das vielbeschworene Zusammengehörigkeitsgefühl bei Airbnb hat eben doch Grenzen. Juristische halt.

Wer bei der Senatsverwaltung nachfragt, erhält eine komplizierte Antwort. Wer selbst in seiner Wohnung lebt und weniger als 50 Prozent der Wohnfläche vermietet, muss sich nicht registrieren. Doch es gibt Ausahmen: Die Vermietung darf nicht mehrfach geschehen, außer sie dauert mindestens zwei Monate. Preise, die die Miete deutlich übersteigen, sind nicht zulässig. Das bedroht das Kerngeschäft von Airbnb massiv.

Teilen macht Spaß

Vermarktungsplattformen wie Airbnb sind Teil einer boomenden neuen Sharing Community – ebenso wie Uber, eine App, die private Taxifahrten vermittelt, oder Kleiderkreisel, eine Webseite zum Verkauf und Tausch gebrauchter Kleidung. Airbnb etabliere, was Gründer Chesky eine „dritte Kategorie“ nennt: Neben Privatpersonen und Unternehmen entsteht ein Zwittermarkt, auf dem Privatpersonen Handel im Kleinen, Privaten betreiben – organisiert über das Netz.

Die Befürchtungen der Hoteliers, Angebote wie Airbnb könnten ihnen das Geschäft vermiesen, entgegnet Airbnb-Regionalmanager für Deutschland, Zentral- und Südosteuropa, Christopher Cederskog: „Wir sehen uns nicht als direkte Konkurrenz, sondern wir erweitern das Angebot.“ Gerade in Berlin bemüht sich das milliardenschwere Unternehmen auch die positiven Aspekte der Airbnb-Vermietung herauszustreichen: Mehr als einem Drittel aller Anbieter hier sollen Airbnb-Einnahmen helfen, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Und da meist fern von üblichen Hotelgegenden vermietet werde, würden dank Airbnb Kiezläden profitieren, die sonst vom Tourismus nichts hätten. Argumentative Munition gegen die Hotellobby, die sich von Airbnb bedroht fühlt.

„Private Vermietungen sind sehr viel älter als das Hotelbusiness“, sagt Airbnb-Deutschlandchef Cederskog. „Bevor die Menschen begannen in Hotels zu übernachten, sind sie immer in privaten Unterkünften abgestiegen.“ Stellt Airbnb also nur wieder den ursprünglichen Zustand her?

Es sind grundlegende Fragen, die überall verhandelt werden, wenn es um den Zwittermarkt von Privat zu Privat geht, vermittelt via Internet. Weil es natürlich Missbrauch gibt. Weil etablierte Geschäftsmodelle infrage gestellt werden. Und es wird weitergehen: Airbnb plant längst die Expansion auf die Gastronomie. Konkurrenz für Restaurants. Essen mit fremden Freunden aus dem Netz.

Wäre auch das was für den Berliner Maler Georg? Der Aspekt der Liebe, den Airbnb immer wieder betont, sei ihm etwas zu hoch gehängt, sagt Maler Georg. „Aber es gibt ja auch Bibliotheken, in denen man Bücher ausleihen kann. Warum also nicht auch Bohrmaschinen, Autos, Wohnungen und vielleicht noch vieles mehr?“

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3 Kommentare

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  • Das ist echt ein ganz großer Scheiss mit Plattformen wie Airbnb. Ich wohne in x-berg und bislang war es schön ruhig im Hinterhaus und man konnte Nachts sogar schlafen. Seit einiger Zeit geht das nur noch selten, weil 2 Wohnungen im HH über Airbnb an Touris vermietet werden. Die reiten dann (in der Woche) Mitten in der Nacht besoffen ein und reißen die Mucke voll an und kotzen aus dem Fenster. Ich habe nichts gegen feiern und auch nicht gegen Besucher, aber es ist nun mal nicht besonders lustig, wenn das 2 oder 3 mal die Woche vorkommt und man am nächsten Morgen raus muss.

  • In Berlin gibt es viele, die sich durch Provitvermietung was dazu verdienen um auf diese Weise ihren emanzipatorischen Lebensstil leisten zu können. Das ist völlig o.k. und soll jetzt unterbunden werden. Ich sehe das als Teil des rollback-Versuchs.

    • @Sabbell:

      Emanzipatorischer Lebensstil?

       

      Es ist ganz einfach so: Wer eine ausreichend große Wohnung sein eigen nennt, kann durch AirBnB etc. wunderbar mithelfen, die Löhne in Berlin noch weiter zu drücken. Will sagen: Der arbeitet auch für die Hälfte - den Rest stockt er durch Untervermietung auf. Machen bei uns einige Kollegen...