Debatte um 556-Euro-Job: Wozu sind Minijobs gut? Wer macht sie? Wer profitiert?
Minijobs wurden geschaffen, um den Weg in die Anstellung zu erleichtern. Teile der Union wollen sie nun abschaffen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion hat sich für die Abschaffung der sogenannten Minijobs stark gemacht. Denn die seien im Prinzip unsozial. Zuspruch kam unter anderem von der Gewerkschaft Verdi. FDP-Chef Dürr bezeichnete Minijobs hingegen als „wichtiger Baustein für Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt“. Warum geht es bei der Debatte?
Was sind Minijobs?
Wer von Minijobs spricht, meint damit meist klassische Hilfstätigkeiten, wie das regelmäßige Babysitten, Nachhilfe, Supermarktregale einräumen oder Hilfe bei der Inventur. Manchmal wird es auch als geringfügige Beschäftigung bezeichnet. Minijober:innen dürfen dabei nicht mehr als 556 Euro im Monat verdienen. Bei dem gesetzlichen Mindestlohn von 12,82 Euro pro Stunde können Minijober:innen also rund 40 Stunden pro Monat arbeiten.
Eine zweite Form des Minijobs ist die kurzfristige Beschäftigung, häufig bei Saisonarbeit, Ferienjobs oder Arbeit auf Märkten. Dabei ist die Anstellung nicht durch die Höhe des Entgelts begrenzt, sondern durch die Anzahl der Arbeitstage: innerhalb eines Jahres dürfen es nicht mehr als 70 Tage sein.
Wer macht Minijobs?
Rund 7 Millionen Menschen waren im September 2025 als Minijoberinnen und Minijober gemeldet, heißt es im Quartalsbericht der Minijob-Zentrale. Davon waren rund 6.764.000 im Gewerbe und 259.000 in Haushalten tätig. Von denen ist der Großteil, rund 64 Prozent, im erwerbsfähigen Alter zwischen 25 und 64 Jahren. Mehr Frauen als Männer sind also als Minijober:innen tätig, im Gewerbe sind es rund 56 Prozent, in Haushalten ganze 87 Prozent
Was macht Minijobs für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen attraktiv?
Minijober:innen können netto genau das bekommen, was sie brutto verdienen. Denn sie zahlen von ihrem Gehalt keine Sozialabgaben und Steuern. Lediglich Rentenbeiträge könnten sie zahlen, die meisten geringfügig Beschäftigten lassen sich aber von diesen Beiträgen befreien. Gleichzeitig haben Minijober:innen so auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, nur geringe Rentenansprüche und sind auch nicht automatisch über ihre Arbeitsstelle pflege- oder krankenversichert.
Auch für Arbeitgeber:innen Seite gibt es Vorteile: Diese zahlt zwar höhere Sozialabgaben als bei regulären Angestellten, nämlich 30 statt rund 20 Prozent, muss Minijober:innen dafür aber nicht bei der Krankenkasse anmelden und kann sie flexibel und kurzfristig einsetzen.
Worum geht es bei der Debatte um Minijobs?
Die Kontroverse um Minijobs ist nicht neu. Sie begann bereits im Jahr 2003 im Zuge der Hartz IV Reformen – damals sprach man noch vom 450-Euro-Job. Zusammen wurden auch Midijobs eingeführt, als Übergang zwischen Minijobs und regulären Anstellungen. Die Hoffnung der damaligen rot-grünen Regierung war es, dass Minijobs kleine Tätigkeiten legaliseren und einen Brückeneffekt generieren, bei dem Arbeitssuchende einen einfachen und unkomplizierten Einstieg auf dem Weg zu einer sozialversicherpflichtigen Beschäftigung finden. Dies hat sich jedoch nur für eine Teilgruppe der Arbeitslosen bewahrheitet.
Zahlreiche Studien ergeben, dass sich Minijobs, insbesondere für Frauen, als sogenannte „Minijob-Falle“ herausstellen, mit unsicheren Arbeitsverhältnissen ohne Aufstiegsmöglichkeiten und unzureichenden Rentenbeitragszeiten. Und das, obwohl sich unter Minijoberinnen rund 37 Prozent eine Ausweitung ihrer Arbeitszeit wünschen würden.
Warum sagen Teile der Union jetzt, dass Minijobs abgeschafft werden sollten?
Der Arbeitnehmerflügel der Union hat gefordert, Minijobs abzuschaffen. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe, Stefan Nacke, Minijobs hätten sich zu einem Systemfehler entwickelt. Was einst die Ausnahme war, sei zum Regelfall geworden, besonders in Branchen wie Gastronomie, Handel oder Reinigung. Außerdem seien Minijobs im Kern unsozial, denn „es verlagert die Kosten der Absicherung von Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit auf die Allgemeinheit“.
Dem stimmt sogar der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Werneke, zu: Minijobs „befördern Altersarmut“, erklärte er in Berlin. Sie seien zudem „erwiesenermaßen kein Sprungbrett in den regulären Arbeitsmarkt, sondern eher eine berufliche Sackgasse für viele, besonders für Frauen“.
Welche Auswirkung haben Minijobs auf Arbeitsmarkt und Sozialsysteme?
Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus dem Jahr 2021 hat gefunden, dass Minijobs insbesondere in Kleinbetrieben bis zu 10 Mitarbeitenden sozialversicherungspflichtig Beschäftigte vertreiben. Bis zu 500.000 sozialversicherungspflichtige Stellen könnten so verloren gehen. Das hat laut Ökonomen nicht nur Auswirkungen auf die individuellen Minijober:innen und den Arbeitsmarkt, sondern auch auf die Sozialsysteme in Deutschland im Ganzen, wenn weniger Menschen in die bereits belasteten Systeme einzahlen. Auch gegen den herrschenden Fachkräftemangel könnten höhere Stundenzahlen von Minijober:innen helfen.
Gibt es Argumente für die Beibehaltung von Minijobs?
Arbeitgebernahe Institute und Parteien, wie das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) oder die FDP kritisieren den Vorschlag einer Abschaffung. „Etwa jeder siebte Beschäftigte arbeitet nur wenige Stunden pro Woche“, erklärte Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte beim IW Köln. „Viele können oder wollen nicht mehr arbeiten – daran kann die Politik wenig ändern.“
Was könnte die Bundesregierung tun?
Von der schwarz-roten Bundesregierung gibt es bisher keine konkreten Pläne zur Veränderung des Minijob-Systems. Reformvorschläge rund um den Arbeitsmarkt gäbe es jedoch genug: So fordern Gewerkschaften und Ökonomen beispielsweise die Steuerklassen zu reformieren, um Minijobs weniger attraktiv zu machen. Konkret geht es um die Abschaffung des Ehegatten-Splittings. Von der steuerlichen Begünstigung profitieren Ehepaare mit großen Gehaltsunterschieden. Insbesondere die schlechter Verdienenden, häufig Frauen, mit einem besser verdienenden Ehpartner, häufig Männer, bleiben häufiger im Minijob.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert außerdem, Minijobs sozialversicherungspflichtig zu machen. Diese Forderungen stand bei der Bundestagswahl 2025 auch in den Wahlprogrammen der Linkspartei, der Grünen und des BSW.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert