Debatte übers Tempelhofer Feld: CDU entdeckt Herz für Arme
Am Tag vor der Abstimmung über die Unterbringung von Flüchtlingen fordert ein CDU-Abgeordneter, an den Feldrändern Wohnungen auch für Flüchtlinge zu bauen.
![Streit ums Tempelhofer Feld Streit ums Tempelhofer Feld](https://taz.de/picture/960232/14/tempelhof_debatte_dpa.jpeg)
Am heutigen Donnerstag wollen SPD und CDU im Abgeordnetenhaus das Schutzgesetz fürs Tempelhofer Feld ändern, um mehr Flüchtlinge unterbringen zu können. Damit werde weder der Volksentscheid vom Mai 2014 gekippt noch Baurecht geschaffen, außerdem sei alles auf drei Jahre begrenzt, versichert die Koalition am Mittwoch im Stadtentwicklungsausschuss, wo sie den Weg für die heutige Abstimmung freimachte. Zumindest einem bei SPD und CDU ist das viel zu wenig: Ausschusschef Manuel Heide (CDU) sprach von fehlendem Mut und forderte sozialen Wohnungsbau am Tempelhofer Feld – für Flüchtlinge und deutsche Familien.
Der Senat hatte schon im November darauf gedrängt, vier Flächen an den Feldrändern für Unterkünfte zu nutzen – am Tempelhofer Damm, am Columbiadamm und auf Neuköllner Seite – und das Schutzgesetz entsprechend zu ändern. Die Parlamentsfraktionen ließen sich allerdings nicht zu einem schnellen Beschluss drängen. Nach breitem Protest, vor allem der Initiative 100% Tempelhofer Feld, rückte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) davon ab und legte zu Jahresbeginn eine stark abgespeckte Fassung vor. Nach einer Änderung durch die Koalitionsfraktionen sieht der Entwurf nun lediglich vor, zwei befestigte Flächen zu nutzen, die südlich und westlich an das betonierte Vorfeld anschließen.
Diese beiden zusätzlichen Flächen sind zusammen etwa so groß wie 17 Fußballfelder und machen weniger als vier Prozent des geschützten Tempelhofer Felds aus. Dort sollen mobile Unterkünfte entstehen, auf dem Vorfeld Gesundheitseinrichtungen und Sportanlagen. Statt derzeit 2.500 Flüchtlinge in drei der sieben Flughafen-Hangars sollen künftig auf die neuen Bauten und allen Hangars verteilt maximal 7.000 Flüchtlinge unterkommen.
„Diese Massierung von Menschen ist problematisch“, sagte Heide (60), der als Schatzmeister der CDU-Fraktionsspitze angehört, aber im Herbst nach 31 Jahren als Abgeordneter nicht erneut fürs Parlament kandidiert. Er bezweifelte auch, dass es Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) gelingen wird, jene 1.200 Kinder im schulfähigen Alter, die unter den bis zu 7.000 Flüchtlingen sein sollen, auf die umliegenden Schulen zu verteilen. Eine reine Flüchtlingsschule auf dem Flughafengelände soll es nach Darstellung der Scheeres-Verwaltung nicht geben.
Manuel Heide. CDU
Richtig wäre es gewesen, am Tempelhofer Feld auf sozialen Wohnungsbau zu setzen, sagte Heide am Mittwoch im Stadtentwicklungsausschuss, „aber diesen Mut gibt es nicht“. Gegenüber der taz konkretisierte Heide, dass er an eine Randbebauung denke, wie sie der rot-schwarze Senat vor dem Volksentscheid 2014 plante. Heide würde allerdings höher bauen, teilweise achtgeschossig statt wie damals geplant vier bis fünf Stockwerke hoch. Dadurch könnte knapp die Hälfte mehr als die damals angesteuerten 4.400 Wohnungen entstehen. Die sollten damals nur zum Teil als Sozialwohnungen gebaut werden.
„Ich sage deutlich, dass das nicht die Meinung meiner Partei, sondern meine eigene ist“, betonte Heide im Ausschuss. Die Stadtentwicklungsverwaltung konterte sofort: „Es gibt keinerlei Aktivitäten, wie sie der Abgeordnete Heide eingefordert hat“, sagte Staatssekretär Christian Gaebler (SPD). Im Tagesspiegel hatte sich allerdings auch der ehemalige Regierende Bürgermeister und Ehrenvorsitzende der Berliner CDU, Eberhard Diepgen, ähnlich geäußert: „An einer Bebauung im Randbereich wird man nicht vorbei kommen. Der Bedarf an Wohnungen ist zu groß.“ Wie Diepgen setzt auch sein Parteifreund Heide auf soziale Durchmischung: „Wenn ich das Ghetto nicht will, dann muss ich Wohnungen für alle schaffen“, sagte er der taz. So will er sich auch am Dienstag in der CDU-Fraktionssitzung geäußert haben. Allein sieht er sich mit seiner Haltung nicht: „Ich glaube, dass das viele im Hinterkopf haben.“
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