Debatte über Taser als Polizei-Waffe: SPD steht auf Elektroschocker
Nur selten hat die Bremerhavener Polizei in der zweijährigen Testphase Taser eingesetzt. Dafür aber auch gegen psychisch Kranke –und als Schmerzwaffe.
Ziel des Tests war die Prüfung der Elektroschockpistolen als Ergänzung für Einsatz- und Streifenpolizei. Ähnliche Projekte gab es auch schon in anderen Bundesländern. Taser setzen den Betroffenen Stromschläge zu, die zu kurzzeitiger Handlungsunfähigkeit führen sollen – oder auch zu starken Schmerzen. Damit sollen sie eine Zwischenstufe zwischen Schlagstock oder Reizgas und Schusswaffen bilden.
Taser sind umstritten: Amnesty International kritisiert, dass die Waffe Gesundheitsschäden bis hin zum tödlichen Herzstillstand verursachen könne. Besonders gefährdet seien Personen mit Herzrhythmusstörungen oder Asthma. Auch Drogenkonsum und psychische Erkrankungen, und wiederholte Stromschläge erhöhen das Risiko gesundheitlicher Schäden.
Die Menschenrechtsorganisation findet daher, dass die Waffe nur von Spezialkräften genutzt werden solle – und das ausschließlich im Distanzmodus. Die Anwendung von Tasern im Kontaktmodus lehnt Amnesty komplett ab – bei Kontakt, etwa wenn die Zielpersonen bereits fixiert sind, sei der Einsatz nur auf Schmerzen ausgerichtet.
Nur sieben Einsätze – aber auch besonders kritische
Die Beschränkung auf Spezialkräfte galt beim Versuch in Bremerhaven nicht: Die Elektroschocker wurden auch von Streifenpolizei getestet. Der Bericht spricht sich klar für die Einführung der Taser aus: Die abschreckende Wirkung sei hoch, der Einsatz habe sich bewährt. Zudem seien Einsätze „ausgesprochen verantwortungsbewusst“ abgewogen worden.
Tatsächlich zeigt der Bericht: Angewendet wurden die Taser in den zwei Jahren nur siebenmal. Doch gleich zwei der sieben Einsätze fanden im umstrittenen Kontaktmodus statt – etwa als eine Person sich weigerte, bei einer Festnahme die verschränkten Arme zu lösen.
Einen Einsatz gab es laut Bericht gegenüber einer „psychisch auffälligen Person“. Gleich mehrfach, so die Polizei, sei die Person dabei im Distanzmodus getasert worden, da die Polizist:innen sie „nicht zu Boden bringen konnten“. Eine Wirkung gab es nicht: Der Betroffene trug Motorradkleidung mit Kunststoffschutz.
Die Parteien ziehen unterschiedliche Schlüsse aus dem Bericht. Die SPD Bremerhaven befürwortet die Einführung und ruft die Bürgerschaft auf, entsprechende Beschlüsse umzusetzen. Die örtliche Polizei wolle „vor allem die Sicherheit der eingesetzten Beamten gewährleisten“. Taser seien mittlerweile ausreichend getestet und sollen zügig und flächendeckend eingeführt werden. Zustimmung gibt es von der CDU: Bürgerschaftsabgeordnete Christine Schnittker verweist auf die „durchweg positiven Erfahrungen“ aus anderen Bundesländern.
Auch die SPD-Fraktion für Gesamt-Bremen zeigt sich grundsätzlich offen für die Einführung von Tasern. Und Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hat bereits Wohlwollen signalisiert.
Anders ist das bei den Koalitionspartnern: Die Linksfraktion lehnt Taser entschieden ab, so Fraktionsvorsitzender Nelson Janßen. Vier Todesfälle habe es deutschlandweit im Zusammenhang mit Tasern gegeben. Erst 2019 starb ein 56-Jähriger infolge eines Tasereinsatzes. Der Abschlussbericht zur Testphase sei unzureichend – schließlich habe es keine unabhängige Auswertung gegeben. Den Bericht erstellt hat die Polizei selbst.
Ausweitung im Alltag?
Obwohl die Linke den Bericht nicht für unabhängig hält, zeige der Praxistest ernstzunehmende Probleme auf: Den Einsatz gegen Risikogruppen wie Menschen unter Drogeneinfluss und psychisch Kranke, sowie den Einsatz im Kontaktmodus.
Sollte der Taser standardmäßig eingeführt werden, so könne das durch die Normalisierung zu einer Ausweitung der Einsatzhäufigkeit führen, fürchtet Janßen. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Mustafa Öztürk, teilt diese Sorge: Es sei besorgniserregend, dass über die Hälfte der befragten Polizist:innen aus Bremerhaven davon ausgehen, dass Taser zukünftig häufiger als Schlagstock oder Pfefferspray eingesetzt werden. Da die gesundheitlichen Folgen eines Einsatzes nicht im Voraus abgewogen werden können, sehe die Fraktion der Grünen die Einführung von Tasern „sehr kritisch“.
Noch laufen die koalitionsinternen Beratungen. Auf Basis einer Diskussion des Abschlussberichts am Donnerstag soll zeitnah eine Entscheidung fallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern