Debatte über Hartz-IV-Arbeitsdienst: Kraft stört rot-grüne Fantasie

Schwindende Umfragewerte für die CDU lassen Jungpolitiker von SPD und Grünen auf gemeinsames Regieren hoffen. Nur die Kandidatin funkt dazwischen.

Euphorisiert werden Rot-Grün-Freunde von einer neuen Umfrage, die erstmals keine Mehrheit für Schwarz-Grün ergibt. Gedämpft werden sie von Hannelore Kraft. Bild: dpa

BOCHUM taz | Im nordrhein-westfälischen Wahlkampf erklären SPD und Grüne schon seit langem, dass sie auf eine gemeinsame Mehrheit in dem Bundesland bauen. Vor dem Hintergrund neuer Umfragezahlen versuchen jetzt Jungpolitiker der beiden Parteien, eine Neuauflage ihres Bündnisses mit politischen Inhalten zu unterfüttern und damit einen Kontrapunkt zur Schwarz-Grün-Debatte zu setzen. In die Quere kommt ihnen dabei lediglich SPD-Landeschefin Hannelore Kraft, die am Wochenende eine neue Debatte über einen Arbeitsdienst für Hartz-IV-Empfänger entfachte.

Die Gruppe, die sich bisher drei Mal getroffen hat, ist hochrangig besetzt. Die Grünen sind etwa mit Landesparteichef Arndt Klocke, dem Bundestagsabgeordneten Kai Gehring und dem einstigen Sprecher der Grünen Jugend, Sven Lehmann, vertreten. Für die SPD sind gleich zwei stellvertretende Landesvorsitzende mit dabei: Marc Herter und Jochen Ott gehören dem Gesprächskreis ebenso an wie die Landtagsabgeordnete Svenja Schulze, der Kölner SPD-Parlamentarier Martin Börschel gilt als Mitinitiator. Bei den Treffen im Düsseldorfer Landtag wollen die Jungpolitiker die Chancen für eine Neuauflage des rot-grünen Bündnisses ausloten, das im größten Bundesland bereits von 1995 bis 2005 regiert hat.

Verhindern möchten sie ein erneutes rot-grünes Gewürge, wie es das Kabinett des mittlerweile aus der SPD ausgetretenen Regierungschefs Wolfgang Clement mit seinem Streit um den Braunkohletagebau Garzweiler oder die Magnetschwebebahn Metrorapid kennzeichnete. "Wir sind eine neue, jüngere Generation. Mit den einstigen rot-grünen Streitigkeiten haben wir nichts zu tun", sagt deshalb der grüne Parteichef Klocke. "Wir sind ins Gelingen verliebt", schwärmt SPD-Vize Herter.

Euphorisiert werden Rot-Grün-Freunde von einer neuen Umfrage, die erstmals keine Mehrheit für Schwarz-Grün ergibt. Laut Infratest kommt die CDU auf 35 Prozent, was selbst mit den 13 Prozent der Grünen für eine Regierungsbildung nicht mehr reichen würde. Die SPD liegt bei 33, die FDP bei 10 Prozent. Allerdings wäre Rot-Grün für eine Regierungsbildung auf die Linke angewiesen, die von den Demoskopen bei 6 Prozent gesehen wird.

Rot-Grün gilt bei den Befragten als bestmögliche Regierungskoalition, Schwarz-Gelb à la Rüttgers halten nur noch 34 Prozent für optimal. "Jetzt müssen wir sehen, dass aus den genialen Umfrageergebnissen Wahlergebnisse werden", sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Gehring.

Der noch namenlose Gesprächskreis will deshalb die wichtigsten Politikfelder auf Streitpunkte abklopfen. Bisher stand auf dem Programm nur die Bildungspolitik, die SPD-Oppositionsführerin Hannelore Kraft ebenso wie die grüne Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann zum landespolitischen Top-Thema machen will. Dissens gab es hier nicht: Beide Parteien wollen den Einstieg in die Gemeinschaftsschule ebenso wie die Abschaffung der Studiengebühren. Schwieriger dürfte die Energiepolitik werden. SPD-Vize Herter betont aber, bei der SPD habe in der Opposition ein "Perspektivwechsel" stattgefunden: "Der Klimaschutz ist für uns nicht mehr Nebenprodukt erfolgreicher Industriepolitik, sondern Wachstumsmotor."

Doch bleibt auch bei den Nachwuchspolitikern von SPD und Grünen eine gewisse Vorsicht. Gerade die Grünen fürchten, SPD-Chefin Hannelore Kraft könne den Sieg über Rüttgers verstolpern - etwa durch ihren jüngsten Vorstoß, Langzeitarbeitslose in einem dritten Arbeitsmarkt zu parken. "Diese Menschen könnten zum Beispiel in Altenheimen Senioren Bücher vorlesen, in Sportvereinen helfen oder Straßen sauber halten", sagte Kraft dem Spiegel. Grünen-Chef Klocke betont unterstreicht deshalb: "Wir führen keine Vorab-Koalitionsverhandlungen, sind kein rot-grüner Think-Tank." Auch Initiator Börschel von der SPD betont: "Wir haben kein offizielles Mandat."

Arbeiten will der Nachwuchs deshalb auch an der Form seiner Treffen: In einem schlichten Arbeitsraum des Landtags gab es bisher nur Wasser. "Demnächst", schlägt einer vor, "könnten wir ja auch mal ein Bier trinken gehen."

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